Traiskirchen-Zelte

Mikl-Leitner lässt empörten Stadtchef abblitzen

Österreich
03.06.2015 15:45
In Traiskirchen läuft seit Mittwochfrüh der vom Innenministerium angeordnete Aufbau von Zelten für Flüchtlinge. Die von Bürgermeister Andreas Babler heftig kritisierte Maßnahme wurde von Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner verteidigt. Bei einer Pressekonferenz verwarf sie dessen Rücktrittsaufforderung und erklärte: "Seit Bürgermeister Babler sein Amt angetreten hat, bin ich sein Blitzableiter. Das habe ich so zu akzeptieren." Sie verstehe die Sorge des Stadtchefs und auch der Bevölkerung - doch die Änderung im Asylwesen, womit die Erstaufnahmestelle durch Zelte (siehe Video oben) entlastet werde, sei beschlossene Sache.

Die Errichtung des Lagers mit insgesamt 60 Zelten ist eine Reaktion des Innenministeriums auf die Forderung Bablers, die Zahl der Flüchtlinge im Erstaufnahmelager zu reduzieren. Demnach werden im Laufe des Mittwochs 160 unbegleitete Minderjährige aus dem Lager in andere Quartiere verlegt, zusätzlich werden 480 weitere Personen in dem Zeltlager untergebracht. Damit werde die Zahl der Flüchtlinge im Erstaufnahmelager um 640 Personen "in Richtung" der von Babler geforderten 1.400 Personen reduziert.

Doch mit der nunmehrigen Lösung ist der Stadtchef alles andere als zufrieden: Er bezeichnete sie als "rechtswidrig" und kündigte Gegenmaßnahmen an. ÖVP-Ministerin Mikl-Leitner warf er wörtlich eine "schäbige Politik" vor. Und seinem SPÖ-Parteifreund Werner Faymann richtete der Traiskirchner Stadtchef aus, dass dieser Verantwortung zu übernehmen habe, "wenn man feststellt, dass die Innenministerin scheitert. Dann muss man darüber nachdenken, ihr das Ressort zu entziehen." Damit legte er dem Kanzler nahe, Mikl-Leitner abzulösen.

Mehr als 100 Polizeischüler bauen Zelte auf
Indes hat der Aufbau des Zeltlagers in Traiskirchen durch mehr als 100 Polizeischüler am Mittwochmorgen um 9 Uhr reibungslos begonnen. Die Zelte aus einem Wiener Zentrallager werden auf dem Gelände der polizeilichen Sicherheitsakademie errichtet, konkret handle es sich um einen derzeit ungenützten Sportplatz, erklärte Generalmajor Arthur Reis. Man plane, bis 20 Uhr fertig zu sein. Das Gelände befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur chronisch überfüllten Asyl-Erstaufnahmestelle Traiskirchen.

Das fast idyllische Bild, das sich beim Lokalaugenschein bot, steht im krassen Gegensatz zum Thema der hitzigen Debatte: Bei strahlendem Sonnenschein und mit Blick auf die Weinberge der Thermenregion verbreiteten die jungen Menschen, schwer beschäftigt mit dem Zeltaufbau, fast einen Hauch von Ferienlagerstimmung. Dass nur wenige Meter entfernt über 2.000 Flüchtlinge einer ungewissen Zukunft im überfüllten Erstaufnahmelager entgegenblicken, davon war nichts zu bemerken.

Konzentration auf Dublin-Fälle soll Platz schaffen
Wie Mikl-Leitner bei der Pressekonferenz mittteilte, konzentriere sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ab sofort auf die sogenannten Dublin-Fälle, also jene, bei denen ein anderer Staat zuständig ist. Diese Maßnahme soll Platz schaffen für jene Flüchtlinge, für die Österreich tatsächlich zuständig ist. Anderenfalls werde der Betroffene in das jeweilige Land überstellt. Dies soll der "Schieflage" in Europa bei der Unterbringung entgegenwirken.

Laut Direktor Wolfgang Taucher handelt es sich bei rund einem Viertel der Antragsteller um potenzielle Dublin-Fälle. Vorrangig geht es um Charterflüge und Busse in die beiden Länder Ungarn und Bulgarien. Dennoch will Taucher nicht von "Massenabschiebungen" sprechen: Es werde jeder Einzelfall geprüft und mit den Staaten kommuniziert. Mikl-Leitner präzisierte, neuankommende Flüchtlinge werden bei ihrer Ankunft in Österreich weiterhin registriert und aufgenommen. Ihre Verfahren werden jedoch aufgrund der neuen Prioritätensetzung "befristet ausgesetzt" bis auf Widerruf - sofern es sich dabei nicht auch um Dublin-Fälle handelt.

"Die Antragszahlen erfordern entsprechende Maßnahmen", begründete Taucher. Er verwies darauf, dass das BFA auf 16.000 Statusentscheidungen pro Jahr ausgerichtet war, heuer geht er aber von 30.000 aus. Die Behörde erhält daher 2016 zusätzliche 125 Planstellen, und auch mit dem Verteidigungsressort gebe es eine Kooperation. Mikl-Leitner appellierte zudem einmal mehr an die Bundesländer und Gemeinden, alle verfügbaren Gebäude für eine Unterbringung zu prüfen: "Wir haben eine Ausnahmesituation, die aber gemeinsam lösbar ist."

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