"Krone"-Interview

Rokko Ramirez: “Ich bin DJ und keine Jukebox”

Musik
28.04.2015 17:00
Er nennt sich augenzwinkernd "Österreichs härtester DJ der Welt", fühlt sich in heimischen Beisln genauso wohl wie auf großen internationalen Festival-Bühnen und wird zwischen 30. April und 3. Mai insgesamt vier Mal im fernöstlichen China auflegen - der landesweit bekannte Promoter Gerold Haubner wird dort als sein Alter Ego Rokko Ramirez an den Turntables schrauben, um das asiatische Festival-Publikum mit vielfältigsten Hits zum Tanzen zu bringen. Grund genug, den Künstler zum Gespräch zu bitten. Darin erzählt er uns, warum politische Bildung essenziell ist, wieso die Parallelen von Ramirez zu Scooter enden wollend sind und weshalb man ihn durchaus mit dem Papst vergleichen darf.
(Bild: kmm)

"Krone": Rokko, von 30. April bis 3. Mai wirst du insgesamt vier Mal in China auflegen. Nachdem du bereits zu Silvester 2013 erstmals dort zu Gast warst, geht es dieses Mal nach Suzhou, Shanghai und Peking. Wie hat sich dieses weitere Engagement ergeben und inwiefern wird sich diese Reise für dich zur ersten unterscheiden?
Rokko Ramirez: Es waren gute Shows, damit war schon Silvester klar, dass man mich unbedingt wieder buchen möchte. Da es verschiedene Midi Festivals übers Jahr verteilt gibt, sind wir dieses Mal in Suzhou zu Gast, spielen aber auch zwei Indoor-Shows in Shanghai. In der größten Disco in Shenzhen, wo ich am Silverstermorgen unangekündigt aufgetreten bin, haben die Leute gesehen, dass mein Konzept auch indoor bestens funktioniert.

"Krone": Von diesen vier Gigs wirst du zweimal als eine Art "Late Night Act" nach den Metalcore-Helden Killswitch Engage auflegen. Fühlst du dich somit als eine Art österreichisch/chinesische Form von Scooter, die heuer beim Nova Rock ebenfalls als "Late Night Act" einheizen werden?
Ramirez: Das hat auch schon beim letzten Mal sehr gut funktioniert. Die Besucher freuen sich sehr, dass die Party, wenn die letzte Band abgedreht hat, noch nicht vorbei ist und ihnen noch etwas "Exotisches" geboten wird. Deswegen und nur deswegen kann man das im Ansatz mit Scooter vergleichen.

"Krone": Jetzt kann man natürlich sagen, wenn du so spät auflegst, sind ohnehin schon alle besoffen und in bester Laune. Hat man es als DJ wesentlich leichter, wenn man das musikalische Programm für Mitternacht zusammenstellt anstatt zum Beispiel für 21 Uhr?
Ramirez: Das sind, wie du richtig sagst, zwei verschiedene Paar Schuhe. Um 21 Uhr kann man noch mehr experimentieren, je später es wird, umso mehr "Hits" sind gefragt. Der Vorteil ist aber immer wieder, dass das Publikum in China so offen ist, dass Linkin Park auch auf Marduk passt.

"Krone": China ist gemeinhin ein Staat, der ob seiner kommunistischen Ausrichtung für viele Menschen in unseren Breitengraden ein Rätsel darstellt. Wie hast du dieses Land erlebt und wie erging es dir dort als internationaler Künstler?
Ramirez: Ich habe die Menschen als sehr offen und freundlich erlebt. Natürlich gibt es auf der ganzen Welt Schattenseiten. Davon habe ich aber nie etwas mitbekommen. Alle Leute vom Busfahrer über Hotelpersonal, Tontechniker bis hin zu Bandbetreuung und Veranstalter machen dort einen super Job und geben ihr Bestes, dass es dem Künstler richtig gut geht. Du solltest halt bei der Einreise keinen Schnupfen haben, das wird schnell zur Vogelgrippe. (lacht)

"Krone": Kann man die Reaktionen oder die Euphorie des Publikums zwischen Österreich und China vergleichen?
Ramirez: Nein. In China sind die Menschen viel hungriger und dankbarer, die geben dir dort das Gefühl, dass sie nur wegen dir gekommen sind und deine Performance schätzen. Man kann da Vergleiche mit dem Papst ziehen: Die Leute halten dir ihre Kinder hin, damit du sie berührst, weil das Glück bringt. Das muss man erst mal verdauen, ich finde das aber super und echt sympathisch. Es ist definitiv eine ganz andere Welt.

"Krone": Teilst du aus deiner künstlerischen Position heraus die Meinung, dass der Prophet im eigenen Land nichts zählt? Hast du selbst schon Erfahrungen damit gemacht?
Ramirez: Das ist doch immer so. Von Falco bis hin zu Christina Stürmer. Da braucht man kein Wahrsager sein, um das schnell festzustellen. Meine Songs sind in China ein Hit, in Österreich könnte das noch etwas dauern.

"Krone": Lass uns doch kurz deine bisherige Karriere resümieren. Wann entstand bei dir die Idee, eine Kunstfigur wie Rokko Ramirez zu erschaffen, und warum schlussendlich der Wechsel vom "handwerkenden" Musiker bei deiner alten Band Jesus Christ Smokes Holy Gasoline hinter's DJ-Pult zum Alleinunterhalter?
Ramirez: Am Anfang bin ich noch zweigleisig gefahren, raus aus dem Proberaum und ab zum DJ-Pult. Irgendwann stand ich mir selbst im Weg, da habe ich beschlossen, die beiden Figuren zu trennen, den Sänger/Gitarristen einer Band auf der einen und den Auflegeroboter auf der anderen Seite. Viele Leute glauben ja noch immer, du bist eine Jukebox, die nur darauf wartet, den heiligen Musikwunsch auf die Teller zu zelebrieren und dafür auch noch dankbar zu sein. Da braucht es eben gute Nerven und eine mexikanische Biografie. (lacht)

"Krone": Du bezeichnest dich selbst sehr gerne augenzwinkernd als "Österreichs härtesten DJ der Welt". Wie definiert sich Härte für dich und wie steht es um die DJ-Kultur in Österreich?
Ramirez: Es kann auch verdammt hart sein, um vier Uhr früh auf einmal Boney M. aus den Boxen kommen zu hören – zumindest für einige Leute. Die musikoffenen Menschen wissen das sehr zu schätzen, da freut sich meist der Metaller genauso wie der Indie-Nerd. Ich habe eigentlich immer versucht flexibel zu sein, da es für mich selber auch am Befriedigendsten ist, wenn die Leute auf der Tanzfläche eine gute Zeit haben. In der Rock-'n'-Roll-DJ-Kultur gibt es halt noch so richtige Urgesteine, wie meine Freunde DJ Elk, DJ Fly oder DJ Tschey und den DJ Manshee. Das ist gut so, weil diese Leute natürlich ein allumfassenderes Musikverständnis haben und nicht nur Kanye West oder David Guetta kennen. Dafür aber Flogging Molly, bis der Arzt kommt. (lacht)

"Krone": Nicht zu leugnen ist deine Affinität zu Mexiko und diversen karibischen Staaten und Inseln. Woher kommt diese Liebe zur Ferne und wie projiziert sich diese in deinem Sound?
Ramirez: Ich habe beim leider schon verstorbenen Dr. Manfred Kremser Ethnologie studiert. Wir sind in kürzester Zeit gute Freunde geworden und dadurch ist auch meine Liebe zur Karibik entstanden, da sich mein Spezialgebiet auf die afrikanische Diaspora beschränkt hat. Ich war immer schon fasziniert von den Kulturen und Religionen, die dort entstanden sind, und habe in St. Lucia auf den Westindischen Inseln sehr interessante Menschen kennengelernt, die meinen Fokus für die Welt sehr geschärft haben. Mexiko kommt über mein Faible für die Geschichte hinzu, hat natürlich auch einen karibischen Teil und tolle Maya-Tempel. So schließt sich der Kreis und was gibt es Schöneres, als zu Mariachi-Musik Tequila zu trinken? Nach dem dritten/vierten hören sich diese Bands fantastisch an, probiert das mal aus! Oder zieh dir mal Mariachi El Bronx rein, die laufen bei mir gerade. Soundtechnisch wirkt sich das eher weniger aus, aber ein bisschen - und ich verwende jetzt ein böses Wort - Folklore schadet nie, darum freut es mich auch sehr, dass einige internationale Künstler immer gerne mit mir zusammenarbeiten.

"Krone": In Österreich bist du auch immer wieder mal auf Charity-Events zu sehen, zudem bist du im realen Leben eine sehr politische Person. Hat Politik bei dir auch Platz auf der Bühne? Versuchst du mehr zu sein als "nur" der Stimmungsmacher eines Abends?
Ramirez: Ich helfe immer gerne, dass Menschen und Tiere es besser haben, der Wille zählt für das Werk. Politik und Party haben nur bedingte Anknüpfungspunkte. Auf irgendwelchen Wahlveranstaltungen diverser Parteien aufzulegen würde ich jetzt nicht als ein unbedingt erstrebenswertes Ziel ansehen. Richtig bitter wird's, wenn sich auch noch "Ewiggestrige" oder "Neue Vollkoffer" im Publikum herumtreiben und sich eventuell auch noch rechtsgerichtete Bands wünschen. Das macht absolut keinen Sinn, da kann man noch so offen sein. Blau und Orange ergibt einfach zusammen Braun, da braucht man in der Farbenlehre nicht allzu bewandert zu sein. Und eines darf man nicht vergessen: Es wird von den Radikalen immer noch versucht, die Jugend via Musik zu bekehren, da kommt dann schnell ein ziemlicher Schaß heraus, wenn man nicht aufpasst. Da sollten die Eltern im Kinderzimmer ruhig Alarm schlagen, wenn sie Störkraft- oder Endstufe-CDs bei ihren Schützlingen finden. Der Unterschied zwischen Bands, die gerne mal auf die Historie zurückgreifen und denen, die das schamlos ausnutzen, um hetzerische Propaganda zu betreiben, ist ja offensichtlich. Jeder halbwegs intelligente Mensch merkt das, von Südtirol bis Deutschland. Wie man nach mehr als 50 Millionen Toten noch Nazi sein kann oder so Bewegungen wie Pegida sind mir einfach schleierhaft. Und eure übertriebene "Heimatliebe" könnt ihr euch auch behalten!

"Krone": Musikalisch gehst du mitunter sehr nostalgisch vor und vermischt technoide Klänge mit großen Rock-Klassikern. Welchen musikalischen Zugang hat Rokko Ramirez selbst und inwieweit sind in Zukunft vermehrt Eigenkompositionen geplant?
Ramirez: Diese Frage klingt jetzt so, wie wenn ich DER Technokrat schlechthin wäre. Richtiger ist eher, dass ich ein sehr rhythmischer Mensch bin und das hat dann zur Folge, dass ich auch gerne hie und da harte Drum-'n'-Bass-Beats verwende. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich mich mit Leuten wie Rob Holliday und Zardonic gut verstehe.

"Krone": Dich kennt man mitunter auch als Journalist, Promoter und Mensch, der die Medienwelt kennt wie seine Westentasche. Haben all diese Tätigkeiten einen speziellen Einfluss auf das Werk von Rokko Ramirez?
Ramirez: Der Einfluss ist offensichtlich, sonst könnte ich wohl kaum so ein schönes Interview geben. Der RMRZ ist auch dazu da, aus dieser Arbeitswelt das eine oder andere Mal entfliehen zu können.

"Krone": Was waren deine bisherigen größten Highlights und was deine mit Abstand größte Enttäuschung in deiner Tätigkeit als "Österreichs härtester DJ der Welt"?
Ramirez: Ich hatte immer schon den Wunsch, mit meiner langjährigen Band im Gasometer und in der Wiener Stadthalle aufzutreten. Als Ramirez hab ich das geschafft, an richtige Enttäuschungen könnte ich mich nicht erinnern, so was gab es eigentlich noch nie.

"Krone": Du bist zum Beispiel im Vorprogramm von Marilyn Manson oder Rob Zombie aufgetreten und hast bereits mit Madsen-Schlagzeuger Sascha Madsen und Tattoo-Model Zombie Boy zusammengearbeitet. Wie wichtig sind Kooperationen für dich und welche Pläne/Wünsche hättest du dahingehend für die nähere Zukunft?
Ramirez: Das Manson/Zombie-Ding war schon heftig. Zwei Tage davor hatte ich noch einen netten Bandscheibenvorfall und konnte kaum stehen. Deshalb habe ich mir auch erstmalig eine Setlist gebastelt, um auf weitere Ausfälle reagieren zu können. Da hat die Manson-Crew schon schön geschaut. (lacht) Es war ja auch noch mein Freund FII dabei, MetalDJ feat. Beatboxer haben die meisten Leute auch noch nicht gekannt und eigentlich wirklich gut aufgenommen, und als dann noch Ines und Pili von Poledance Vienna ihre Künste gezeigt haben, ist allen im Publikum das Herz aufgegangen, sagen wir es mal so. Eine Show, nicht nur ein blöder DJ-Roboter. Sehr lustig war ja auch, dass für die Poledance-Stange anfangs kein Platz war. Da hatte aber der Tourmanager von Rob Zombie die richtige Ansage parat: "You have girls, we have space!" Rob Zombie hat sich übrigens die ganze Show angesehen und Marilyn Manson hat sein Set gekürzt, damit ich länger spielen kann. Ich werte das als sehr positiv.
Es ist immer schön, einerseits alte Freunde zu treffen und andererseits mit absoluten Topstars zu arbeiten. Es gibt natürlich auch Leute, die beide Seiten vereinen, so wie etwa Brian Pearl, mein Produzent Nenad Markov oder Sascha Madsen, da war es Liebe auf den ersten Blick, ein sensationeller Mensch und Top-Musiker. Mein Traum war es immer, eine Art Allstar-Band zusammenzustellen. Dieser Traum wird wohl bald in Erfüllung gehen. Mehr möchte ich jetzt noch nicht sagen, die Zeit wird das alles noch zeigen. Ich habe aber in Kürze jede Menge sensationeller Leute im Boot, das ist sicher.

"Krone": Abschlussfrage – aus welchem Grund sollte jemand sein hart Erspartes in einen Rokko-Ramirez-Gig investieren und was unterscheidet dich von anderen harten Underground-DJs?
Ramirez: Interessant ist das auf alle Fälle auf den Festivals, da biete ich immer eine neue Show mit diversen Gästen. Die Symbiose zwischen einem DJ-Set und einer ganzen Band. Die Leute können Spaß haben, tanzen, aber auch quasi einen Gig genießen – viel mehr Möglichkeiten einfach, als nur blöd herumzustehen. Und wenn der Veranstalter zusätzlich ein paar Eulen lockermacht, gibt es natürlich auch Pyroshow und und und… Auch im U4 beim "Addicted To Rock" ist es immer sehr genial. Jetzt wächst aber die Vorfreude nach den China-Gigs. Kaum auszuhalten!

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