"Ernstes Problem"

Angst vor Dschihadismus-Entfaltung in Gefängnissen

Österreich
23.04.2015 14:51
33 mutmaßliche Dschihadisten sitzen gegenwärtig in österreichischen Gefängnissen. Somit ist auch die Angst vor zunehmendem Einfluss radikaler Islamisten und ihrem Radikalisierungspotenzial im Strafvollzug angekommen. "Noch halte ich das Problem für überschaubar", versuchte Justizminister Wolfgang Brandstetter zu beruhigen, lud am Donnerstag aber dennoch zu einem Symposium zu dem "sehr ernsten und internationalen Problem".

Wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder wegen ähnlichen mit Terrorismus verbundenen Vorwürfen sitzen derzeit 33 Personen in insgesamt sechs österreichischen Justizanstalten. Der Großteil, nämlich 30 von ihnen, in Untersuchungshaft, viele in der Wiener Josefsstadt oder in Graz-Jakomini, vier von ihnen sind weiblich.

Wie ernst man das Problem des Dschihadismus nehmen müsse, zeigten die Zahlen jener, die Österreich verlassen hätten, um sich radikalislamistischen Gruppen im Irak und in Syrien anzuschließen, sagte Karin Dotter-Schiller von der Abteilung für Straf- und Maßnahmenvollzug des Justizministeriums. 200 Personen seien laut offiziellen Angaben des Innenministeriums ausgereist, "inoffizielle Quellen" gingen sogar vom "bis zum Dreifachen dieser Zahl aus". Im Europa-Vergleich liege Österreich, gemessen an der Einwohnerzahl, damit an zweiter Stelle nach Dänemark und vor Belgien.

Wer "orientierungslos" ist, ist gefährdet
Einmal in Haft, seien jedoch nicht nur bereits des Terrorismus beschuldigte Personen ein Problem, die dort andere für ihre Ideologie gewinnen könnten, erklärte Alexander Brammann vom deutschen "Violence Prevention Network" im Vorfeld des Symposiums vor Journalisten. Gefährdet seien vor allem auch die, die im Gefängnis "orientierungslos" und "auf der Suche nach Identität" seien und daher leicht auf die Seite gewaltbereiter Ideologien gezogen werden könnten. Mit seinem Verein versucht er seit 2001 bei Rechtsextremen und seit 2007 auch bei Dschihadisten in Gruppen- und Einzeltherapien Anti-Gewaltarbeit zu leisten und Verständnis für Demokratie zu entwickeln.

"Deradikalisierungsarbeit muss in der Schule beginnen"
Das Problem - sowohl in Haft als auch außerhalb - sei, dass "Salafisten die besseren Sozialarbeiter sind", gab der muslimische Diplompsychologe und Islam-Experte Ahmad Mansour zu bedenken. Sie seien immer dort, wo Jugendliche nichts mit ihrer Zeit anzufangen wüssten: an der Bushaltestelle, vor Spielhallen - oder eben im Gefängnis. Dort würden sie Jugendlichen, die aufgrund verschiedener Faktoren - etwa Problemen in der Familie oder der Schule, Lebenskrisen, Depression - empfänglich für Radikalisierung seien, Halt geben. Daher müsste Deradikalisierungsarbeit primär in der Schule beginnen.

Auch Mansour, der zu den prominentesten deutschen Islam-Kritikern zählt, nahm die islamische Gemeinschaft in die Pflicht: "Die Imame haben jahrelang über Themen gepredigt, die nur ihre Eltern interessierten, in einer Sprache, die sie nicht verstanden. Salafisten bieten Antworten an, die auf Facebook leicht zugänglich und zudem noch auf Deutsch sind." Der radikale Islam sei online "überrepräsentiert", es sei Aufgabe der toleranteren Strömungen Gegennarrative - auch im Internet - anzubieten.

"Gewissenhafte Auswahl von Gefängnisseelsorgern"
Vor diesem Hintergrund und weil auch ein nicht gewaltbereiter Salafismus Nährboden für Dschihadismus sein könne, sei eine "gewissenhafte Auswahl von Gefängnisseelsorgern" zentral, mahnte Mansour. Diese würden "sehr genau", in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ausgewählt, hatte Justizminister Brandstetter erklärt.

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