Land voller Schätze

Kambodscha: Wo ein Lächeln die Wunden heilt

Reisen & Urlaub
24.11.2017 07:30

Langsam wächst Kambodscha einer besseren Zukunft entgegen. Immer mehr Touristen strömen hierher, um die sagenhaften Tempelanlagen von Angkor und die anderen Schätze des kleinen Landes zu entdecken. Mit dem Aufschwung verblassen die Narben der schrecklichen Vergangenheit ...

Grimmig blicken die steinernen Dämonen auf die Touristenkarawane, die sich langsam durch das mächtige Südtor von Angkor Thom schiebt. In einer Reihe wachen sie auf der Brücke, die hinein in die einstige "Große Hauptstadt" (so die Übersetzung) eines im späten zwölften Jahrhundert so blühenden Reiches führte. Weit gastfreundlicher lächelt die Götterschar, die den dunklen Dämonen gegenüber aufgereiht ist, den Gästen entgegen - es ist ein frisch poliertes, restauriertes Lächeln, denn es ist noch gar nicht so lange her, dass kein Mensch den Weg in diesen Abenteuerpark der Geschichte fand.

Dämonen und Götter, Gut und Böse stehen in Kambodscha meist nah beieinander. Kein Licht ohne Dunkelheit - das verstehen die Khmer, die Bewohner Kambodschas, wohl besser als viele andere. Und so muss man sich eigentlich erst den Dämonen der nahen Vergangenheit stellen, um zu erkennen, wie sehr dieses kleine Land zwischen Thailand und Vietnam zu leuchten beginnt.

Schatten auf dem Lächeln
Die schwärzeste Dunkelheit des Landes holt einen in der Gedenkstätte Tuol Sleng in der Hauptstadt Phnom Penh ein. Die frühere Schule wurde unter dem Gewaltregime der Roten Khmer in ein Lager für politische Gefangene umfunktioniert, Codename "S 21": Wer hierher gebracht wurde, musste unvorstellbare Foltermethoden über sich ergehen lassen. Zum Sterben trieb man die Opfer auf die "Killing Fields", die nur 15 Kilometer vom Zentrum der Stadt entfernt noch immer Überreste Tausender Getöteter verbergen. Penibel haben die Folterschergen ihre Gräueltaten mit Fotos dokumentiert, die angsterfüllten Augen der Gefangenen verfolgen noch heute die erschütterten Besucher durch die Räume von Tuol Sleng.

Ein Schatten legt sich auch über das immer freundliche Lächeln unserer Reiseführerin Meta. Sie war erst 14, als die Roten Khmer 1975 das Land unterjochten. "Sie haben meine Familie auseinandergerissen, mich in den Dschungel getrieben, wir mussten in den Bäumen schlafen, um vor Schlangen und Tigern in Sicherheit zu sein", erinnert sie sich mit leiser Stimme. "Alle wurden zur Zwangsarbeit genötigt. Zum Essen bekamen wir nur eine Schale mit dünner Reissuppe, die Reiskörner konnte man an einer Hand abzählen." Von ihren acht Geschwistern sind drei in der fast vierjährigen Schreckensherrschaft Pol Pots verhungert. Fast jede Familie trägt die Wunden dieser Jahre immer noch in sich.

Brodelndes Leben
Vor den totenstillen Mauern von Tuol Sleng wird man sofort wieder eingesaugt in das brodelnde Leben der asiatischen Metropole. Tuktuks, Autos und unzählige Motor- und Fahrräder folgen ihren ganz eigenen Regeln durch den Verkehrstumult, das Hupkonzert vermischt sich mit den krachenden Lautsprechern der Garküchen, die mit ihren köstlichen Gerüchen gegen das Abgasmeer ankämpfen. Und dennoch ist Phnom Penh im Gegensatz zu großen Nachbarn wie Thailands Bangkok ein gemütliches Städtchen - die Häuser im Zentrum dürfen den prächtigen Königspalast nicht überragen.

In einer der Prachtpagoden (die meisten können besichtigt werden) haust König Norodom Sihamoni. Der Repräsentant des Volkes, der seine Kindheit und Jugend in Prag verbrachte, ist zwar nicht besonders beliebt bei den meisten Kambodschanern - seine Ausbildung als Tänzer und die Weigerung, eine Frau zu nehmen, machen ihn in vieler Augen zu wenig "männlich" für die Königswürde -, doch er symbolisiert eine Zeit vor dem Schrecken.

"Es tut sich so viel"
Außerhalb des Zentrums, das sich noch etwas vom eleganten Charme der französischen Kolonialzeit bewahrt hat, wachsen die Wolkenkratzer in die Höhe, immer mehr moderne Bars, Restaurants und Clubs öffnen ihre Pforten. "Man kommt gar nicht mehr mit, was gerade in ist, es tut sich so viel", schwärmt die Deutsch-Französin Natalie. Ihr Vater war einst deutscher Botschafter - und die in Phnom Penh aufgewachsene Marketing-Managerin des mondänen, brandneuen Sofitels, in dem die mehr und mehr ins Land strömenden Geschäftsleute absteigen, liebt den unaufhaltsamen Fortschritt ihrer Stadt.

Meisterwerke inmitten des Dschungels
Der ist auch in Siem Reap nicht mehr aufzuhalten. Vier Millionen Touristen kommen mittlerweile in das nördliche Städtchen, um die reichste Schatzkammer des Landes zu entdecken. Siem Reap mit seinen fröhlichen Nachtmärkten und Lokalmeilen ist der Ausgangspunkt für Erkundungstouren der Tempelanlagen von Angkor. Allen voran Angkor Wat, der größte sakrale Bau der Welt. Sogar die Zerstörungswut der Roten Khmer machte vor diesem Meisterwerk inmitten des Dschungels halt - auch sie waren stolz auf das architektonische Erbe der einst so mächtigen Khmer.

Am Ufer des Wassergrabens, der die Anlage umgibt, picknicken an den Wochenenden die Einheimischen - mit Blick auf ihre stolze Geschichte. Hinter dem dicken Schutzwall wandelt man zwischen filigransten Steinmetz-Kunstwerken - 800 Meter lange Flachreliefs erzählen die Geschichte des Reiches und abenteuerliche Hindu-Epen. In jeder Ecke, an jeder Säule rekeln sich steinerne Apsara-Tänzerinnen in graziösen Posen - mehr als 1800 verschiedene sind über das gesamte Areal verstreut. Zum Leben erwachen sie abends in kleinen Theatern in Siem Reap. Fast wäre die Tradition der zarten Tänzerinnen in den dunklen Jahren verloren gegangen, doch mittlerweile lernen wieder viele von Kindheit an, die Finger und Zehen kunstvoll zu verrenken.

"Indiana Jones"-Romantik
Um alle Tempel von Angkor zu sehen, müsste man viele Tage einplanen, weniger als drei sollten es auf keinen Fall sein. Wie riesige 3D-Puzzles haben Archäologen aus aller Welt die Khmer-Architektur wieder zusammengefügt. Der mystischste Tempel ist wohl Ta Prohm, der fast so belassen wurde, wie die Archäologen ihn einst vorgefunden hatten. Die Natur hat sich ihren Weg zurück in den Tempel gebahnt, die Wurzeln gigantischer Baumriesen haben die steinernen Überreste fest im Griff. Die urige "Indiana Jones"-Romantik nutzte schon Angelina Jolie für einen starken Auftritt im Film "Tomb Raider".

Buddhisten zieht es vor allem zum Bayon, dem atemberaubenden Tempelberg in Angkor Thom. Hunderte Gesichter blicken von den unzähligen Türmen in alle vier Himmelsrichtungen. Ein Buddha trägt ein berührend sanftes Lächeln auf seinen Lippen - mit ihm lassen sich die Touristen gerne fotografieren. Es ist ein Lächeln, das die dunkle Vergangenheit nicht zerstören konnte - und das nun in eine bessere Zukunft strahlt.

Franziska Trost, Kronen Zeitung

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