Nach VfGH-Entscheid

Nun droht neue Prozesslawine bei Hypo & Co.

Österreich
02.04.2015 16:40
Schluss mit der gängigen Praxis, dass ein und derselbe Gerichtsgutachter zuerst den Staatsanwalt bei Ermittlungen und Anklage unterstützt - und dann als "unabhängiger Experte" den Richter bei der Urteilsfindung! Diese Regelung war verfassungswidrig - droht jetzt eine neue Prozesswelle in Großverfahren wie jenem um die Hypo?

"Waffengleichheit" vor Gericht, die gab es durch die bis 2014 geltende Regelung in der Strafprozessordnung nicht. Denn ein Angeklagter hatte überhaupt keine Möglichkeit, den von der Anklagebehörde (Staatsanwaltschaft) bestimmten Gutachter als befangen zu erklären, wenn ihm genau dieser Experte als "unabhängig und objektiv" im Strafprozess wieder begegnete.

Doch das Prinzip der Waffengleichheit ist im Artikel 6 der Menschenrechtskonvention geregelt - und hat daher umgesetzt zu werden, erklärte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger diese (alte) StPO-Bestimmung am Donnerstag für verfassungswidrig. Konkret bedeutet das, dass nun alle Verfahren, die bereits beim Obersten Gerichtshof anhängig sind, auf diese Bestimmung geprüft und vielleicht sogar komplett neu ausgetragen werden müssen!

Mehrere Verfahren betroffen
Betroffen wären unter anderem Hannes Kartnig in der Beurteilung von Spielertransfers (5 Jahre, 7 Monate), der Immofinanz-Prozess um Karl Petrikovics (6 Jahre), ein Großteil des Hypo-Strafverfahrens rund um Tilo Berlin (26 Monate) und der gesamten Telekom-Komplex mit Ex-Chef Rudolf Fischer (2 Verurteilungen, insgesamt 3 Jahre und 6 Monate) und Lobbyist Peter Hochegger (2 Jahre). Alle Verurteilungen sind genau aus diesem Grunde noch nicht rechtskräftig.

Doch für knallende Sektkorken bei den Betreffenden ist es zu früh. Präsident Holzinger nachdrücklich: "Es ist nicht generell ausgeschlossen, dass es zur Bestellung ein und desselben Gutachters kommen kann. Aber jetzt muss der OGH einmal jeden einzelnen Fall prüfen, ob Befangenheit vorliegt." Das bestätigte auch Kurt Kirchbacher vom Höchstgericht: "Es gibt viele Möglichkeiten, sie reichen von Bestätigung des Urteils bis zur Aufhebung."

Angeklagte haben Recht auf eigenen Gutachter
Pikanterweise gibt es dann auch noch Verfahren, die unter Anwaltsprotest in der Gutachterfrage starteten - und noch im Instanzenzug, also nicht rechtskräftig sind. Sie sind vom Erkenntnis aber vorerst ausgenommen. "Repariert" wurde das VfGH-Urteil per 1.1.2015 von Justizminister Wolfgang Brandstetter, selbst Anwalt. Nun haben Angeklagte das Recht auf einen eigenen Sachverständigen, wenn sie den gerichtlich Bestimmten für befangen halten.

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