Einblick in den IS

Ex-Geisel: “Versuche niemals, um Gnade zu bitten”

Ausland
10.03.2015 18:08
Nicolas Henin war zehn Monate lang in den Händen der Terrormiliz Islamischer Staat. Dann kamen er und drei andere französische Geiseln frei - dem Vernehmen nach, weil Paris Lösegeld für sie zahlte. Bestätigt wurde das jedoch nie. Jetzt sprach Henin erstmals über seine Erlebnisse als Gefangener der Dschihadisten.

Zehn Monate lang musste der Fotojournalist Nicolas Henin fürchten, wie viele andere Geiseln brutal von den IS-Henkern ermordet zu werden. Doch er überlebte die Gefangenschaft. Gegenüber der BBC erzählt der Franzose von jener Zeit, in der er jeden Tag um sein Leben bangen musste: "Um Gnade zu bitten ist das Schlimmste, was man machen kann", so Henin: "Das ist dumm, versuche es nie!"

Im Sommer 2013 war Henin entführt worden. Sieben Monate seiner Gefangenschaft verbrachte er gemeinsam mit dem US-Reporter James Foley, der schließlich von dem als "Jihadi John" bekannten Islamisten enthauptet wurde. Diesem Schicksal entging der Franzose - angeblich, weil die Regierung in Paris ein Lösegeld in Millionenhöhe zahlte.

Henin will nicht über "Jihadi John" sprechen
In dem Interview vermeidet es der 40-Jährige, direkt über "Jihadi John" zu sprechen, um die noch in den Händen des IS befindlichen Geiseln nicht zu gefährden. Dafür berichtet Henin von seiner Abhängigkeit von den Terroristen: "Als Geisel bist du nur eine Marionette", sagt er. Um zu überleben, musste er zu den Geiselnehmern eine Verbindung aufbauen. Diese Beziehungen seien wichtig gewesen, um mit ausreichend Nahrung und Medizin versorgt zu werden, so der Journalist.

Durch Gespräche sei es ihm zudem möglich gewesen, einiges über die persönlichen Hintergründe der Dschihadisten zu erfahren. Die Kämpfer hätten nur wenig mit den lokalen arabischen und muslimischen Kulturen zu tun. "Sie sprechen unsere Sprache", berichtet Henin. "Sie schauen dieselben Filme wie wir, spielen dieselben Videospiele wie unsere Kinder." Die Terroristen hätten sich alles Mögliche angesehen, von den "Teletubbies" bis "Game of Thrones", offenbart der Journalist.

"Dschihadisten sind Produkt unserer Kultur"
Henins Erkenntnis regt zum Nachdenken an: "Sie sind Produkte unserer Kultur, unserer Welt." Viele der Dschihadisten seien ursprünglich nach Syrien gekommen, um in dem seit vier Jahren wütenden Bürgerkrieg zu helfen, glaubt der Franzose. Manche der IS-Anhänger aus dem Westen seien "zerbrechliche Menschen", so Henin: "Kurz nach ihrer Ankunft stiften ihre Rekrutierer sie zu schweren Verbrechen an und dann gibt es für sie keinen Weg mehr zurück."

Auch wenn er seine Geiselhaft überlebte - viele Gräueltaten des IS musste Henin miterleben. Um diese Eindrücke zu verarbeiten und nicht zu seinem Alltag werden zu lassen, begann der Franzose gemeinsam mit seinem ebenfalls gefangen genommenen französischen Kollegen Pierre Torres, ein Kinderbuch für seine fünfjährige Tochter zu schreiben. Das Buch mit dem Titel "Wird Papa Igel jemals heimkehren?" wurde nun veröffentlicht. Er habe sich selbst während seiner Zeit in Syrien oft gewünscht, ein Igel zu sein, erklärt Henin: "Ich mochte die Idee, einen guten Schutz zu haben - auch wenn der Schutz eines Igels vollkommen nutzlos ist."

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