Tschetschene gestand

Fall Nemzow: Putins Polizei führt Verdächtige vor

Ausland
08.03.2015 16:57
Einer der insgesamt fünf am Wochenende festgenommenen Verdächtigen im Mordfall des Kreml-Kritikers Boris Nemzow hat eine Beteiligung an der Tat zugegeben. Die Männer mit Verbindungen in den Nordkaukasus wurden am Sonntag in Moskau einer Haftrichterin sowie der Presse vorgeführt (Bilder). Der Tschetschene Saur Dadajew habe ein "Geständnis" unterzeichnet, sagte Richterin Natalja Muschnikowa. Er und ein weiterer Tschetschene wurden wegen Mordes angeklagt und müssen in Untersuchungshaft bleiben.

Dadajew und Ansor Gubatschew waren am Samstag in der Kaukasusrepublik Inguschetien festgenommen worden. Dadajew war laut Medienberichten früher stellvertretender Chef einer tschetschenischen Polizeieinheit. Seine Beteiligung an dem Mord an Nemzow sei durch sein Geständnis "bestätigt", sagte Richterin Muschnikowa.

Gubatschew soll für einen privaten Sicherheitsdienst in Moskau gearbeitet haben. Er erklärte sich für unschuldig, wurde aber ebenso wie Dadajew wegen Mordes angeklagt. Auch Gubatschews Bruder und zwei weitere Männer wurden festgenommen und stehen unter Verdacht, sie wurden aber zunächst nicht angeklagt. "Es gibt Beweise für ihre Beteiligung", sagte dessen ungeachtet ein Vertreter der Staatsanwaltschaft.

Sechster Verdächtiger soll sich in die Luft gesprengt haben
Die Nachrichtenagentur Interfax berichtete unter Berufung auf Ermittlungskreise, ein sechster Verdächtiger habe offenbar mit einer Granatenexplosion Suizid begangen, als Sicherheitskräfte seine Wohnung in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny umstellt hätten.

Getötet wegen Solidarität für "Charlie Hebdo"-Opfer?
Eine der Theorien der Behörden zum Motiv für die Ermordung Nemzows ist ein islamisch-extremistischer Hintergrund. Der Oppositionspolitiker soll Drohungen aus diesem Milieu erhalten haben, weil er sich nach dem Anschlag auf die Pariser Satirezeitung "Charlie Hebdo" im Jänner solidarisch mit den Opfern gezeigt hatte. Der tschetschenische Präsident Ramsam Kadyrow meinte zu dieser Theorie: "Alle, die Saur kennen, erklärten, dass er tief gläubig ist und wie alle Muslime von den Aktivitäten von 'Charlie Hebdo' erschüttert war."

Mitten in Moskau hinterrücks erschossen
Der 55-jährige frühere Vizeministerpräsident Nemzow war am 27. Februar unweit des Kremls im Zentrum Moskaus von einem Unbekannten hinterrücks erschossen worden. Die Ermordung des Regierungsgegners löste in Russland und weltweit Bestürzung aus. Er war einer der prominentesten Kritiker von Staatschef Wladimir Putin und ein entschiedener Kritiker der russischen Ukraine-Politik. Laut Weggefährten arbeitete er an einem Bericht, der die Unterstützung der prorussischen Rebellen in der Ostukraine durch das russische Militär beweisen sollte. Moskau hat eine derartige Unterstützung stets bestritten.

Der frühere Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und heutige Abgeordnete Nikolai Kowalew sagte nach den nunmehrigen Festnahmen, bei den Verdächtigen handle es sich womöglich um Auftragsmörder. Entscheidend sei, die Hintermänner des Verbrechens ausfindig zu machen. Der Kreml hatte die Tat als eine gegen die Regierung gerichtete "Provokation" bezeichnet. Das Ermittlungskomitee nannte den Mord einen "Versuch zur Destabilisierung der politischen Lage im Land".

Nemzow-Tochter sieht Kreml als Drahtzieher
Oppositionelle hingegen beschuldigen die Staatsführung, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Auch Nemzows älteste Tochter Schanna vermutet den Kreml hinter dem Verbrechen. "Ich bin mir sicher, es war ein politisch motivierter Mord", sagte die 30-Jährige der deutschen "Bild am Sonntag". Sie sei überzeugt, dass das Attentat "mit voller Unterstützung der Machthaber begangen wurde, dass die Täter sicher waren, dass sie nicht bestraft werden". An eine Aufklärung des Verbrechens glaubt die Frau nicht: "Irgendjemand wird bestraft werden, aber nicht der wirklich Schuldige."

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