Ottakringer Brauerei

José González erweiterte in Wien den Minimalismus

Musik
06.03.2015 10:48
Grüblerischer Sänger mit Gitarre: Was nach Klischee klingt, bringt der Schwede José González in ein durchaus spannendes Setting. Am Donnerstagabend stellte der 36-Jährige das in der Wiener Ottakringer Brauerei unter Beweis, wo er im Rahmen seiner aktuellen Tour ein ausverkauftes Konzert spielte. Hier erhielt die selbst auferlegte Reduktion eine Erweiterung und das Klischee eine Abfuhr.
(Bild: kmm)

Ihren Teil dazu beigetragen haben die vier Mitmusiker, die González an Schlagzeug, Percussion-Instrumenten und zweiter Gitarre begleiteten. Wo er auf dem soeben erschienen Album "Vestiges & Claws" außer einem Flötenmotiv von Anna Melander nur selbst Hand und Stimme anlegt, wurden folkige Miniaturen wie "Afterglow" live zu etwas Größerem. Es waren zwar nur kleine Details, ein Fingerschnippen hier, eine kleine Mehrstimmigkeit da, doch entfalteten diese große Wirkung.

Vergangenheit oder Gegenwart
Prinzipiell bietet die dritte Soloplatte aber José González in Reinkultur. "Ich habe viele Demos im Vorfeld aufgenommen und es waren auch einige dabei, die ganz anders geklungen haben", erzählte der Sänger und Gitarrist vor dem Auftritt. "Also stand ich vor der Entscheidung: Will ich wie früher klingen oder doch anders? Ich habe mich dann für die auf Gitarre basierenden Stücke entschieden." Was wäre die Alternative gewesen? "Mein Cover von Arthur Russells 'This Is How We Walk On The Moon' ist ein guter Indikator", schmunzelte Gonzalez. Hier erfährt sein Stil eine vor allem atmosphärische Ausdehnung. "Es wären auch mehr elektronische Elemente vorgekommen."

Eine Idee davon bekam man auch beim Konzert. Es waren nur wenige Momente, in denen die Kollegen rechts und links von González zu Tasteninstrumenten griffen, aber sogleich eröffnete sich ein neues Spektrum. Die Abwechslung machte entsprechend den besonderen Touch aus, wenn im nächsten Augenblick das The-Knife-Cover "Heartbeats" mit seinem Minimalismus das Publikum zu Jubel hinriss oder das ebenso verträumte wie sperrige "With The Ink Of A Ghost" surreale Bilder evozierte.

Beobachter des Seins
Überhaupt geht González in den neuen Tracks große, gesellschaftliche Themen an: die Fragilität der Natur, schmerzliche Abschiede, die Suche nach dem persönlichen Platz auf dieser Welt. "Wenn man es aus einer naturgeschichtlichen Perspektive betrachtet, leben wir in eigenartigen Zeiten", so der Songwriter. "Eine Spezies verändert die Erdgeschichte! Natürlich passierte das bereits zuvor, als etwa Mikroben die Atmosphäre beeinflussten. Aber bei uns ist das ein bewusster Schritt. Andererseits gibt es aktuell diese Informationsexplosion. Und dieser Ritt wird definitiv noch weiter gehen. Deshalb macht es mir Spaß, diese rhetorischen Fragen zu stellen. Was wird das Vermächtnis unserer Generation sein?"

Schade nur, dass die nicht einfache Akustik der Halle in der Ottakringer Brauerei Einzelheiten dieser lyrischen Ergüsse oft ebenso verschluckte wie zu zart aufgebaute Stücke. Da durfte man sich freuen, wenn das dynamische "Down The Line" mit Verve serviert wurde oder "What Will" dank eigenwilliger Struktur- und Rhythmuswechsel auch die dauerquatschenden Teile des Publikums zum Verstummen brachte. Als Folkmusiker hat man es ob dieser Gegebenheiten jedenfalls nicht ganz leicht.

Klische ade
Einer anderen Gefahr hat sich González für "Vestiges & Claws" bewusst ausgesetzt: "Bei gewissen Folknummern kann man leicht in die Kitschecke abdriften, da habe ich mich bisher meist zurückgehalten. Es ist oft ein schmaler Grat und dementsprechend nicht einfach, das so umzusetzen, dass es mir gefällt und entspricht." Konkret bezog er sich auf das klassisch konstruierte "Open Book". "Das fühlt sich dann wie Theater an, wenn man es schreibt und spielt. Aber im richtigen Kontext können diese Songs sehr kraftvoll sein. Das war letztlich mein Antrieb." Vorgeschwebt sind ihm dabei Nummern wie "Blackbird" oder Stücke von Paul Simon. "Natürlich stellt sich da die Frage: Sollte ich etwas machen, was andere viel besser können?", lachte der ruhige Schwede. "Aber ich hatte einfach Spaß dabei." Und so ging es wohl auch den Besuchern seines Konzerts, ganz ohne Klischee.

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