Live im Gasometer

Element Of Crime brachten die Romantik nach Wien

Musik
22.02.2015 10:00
Zwei ausverkaufte Shows im Wiener Gasometer - die deutsche Poeten-Pop-Band Element Of Crime befindet sich 30 Jahre nach ihrer Bandgründung an der kommerziellen Spitze ihrer Karriere. Zum Auftakt tränkten Sven Regener und Co. Wien Samstagabend in betörend-romantische Melancholie. Ein Fest für alle Sinne.
(Bild: kmm)

Wer Sven Regener kennt oder sich zumindest schon genauer mit ihm befasst hat, weiß, wie sehr er das schnöde Abfeiern von Jubiläen hasst. Zum 20-Jährigen sträubten sich Element Of Crime vehement und erfolgreich gegen die Veröffentlichung einer herkömmlichen Best-of-Scheibe, und so ist es auch wenig verwunderlich, dass vor den mehr als 3.000 begeisterten Anwesenden in der ersten von zwei aufeinanderfolgenden, restlos ausverkauften Wiener-Gasometer-Shows nicht ein Wort zum Jubeljahr 2015 fällt. Heuer feiert die Band ihr 30-jähriges Bestehen, aber Regener weiß: Geburtstage sind keine Leistung, Songs schon. Und so ist es nur schlüssig und recht, dass sich der charismatische Bremer ganz und gar auf die Musik konzentriert.

Seelensprecher des Alltags
Diese ist mit dem aktuellen Album "Lieblingsfarben und Tiere" kommerziell so erfolgreich wie nie zuvor. In Österreich gelang sogar der unglaubliche erste Platz in den Albumcharts – eine der größten Sensationen des Jahres 2014. Der Erfolg gibt Regener und seinem treuen Gefolge Recht, denn Element Of Crime schaffen es wie niemand anderes, künstlerisch anspruchsvolle Popmusik mit melancholischen Zwischentönen und der wehmütigen Sehnsucht nach einem Ausbruch aus der gängigen Gesellschaft zu verknüpfen. Regener ist aber keine Identifikationsfigur für die Unzufriedenen oder Ausgestoßenen, sondern spricht mit seinen poetischen Texten aus den Seelen des Alltags, ist eine Art intellektuelles, aber keinesfalls anbiederndes Sprachrohr für den Durchschnittsbürger.

Zu Unrecht sagt man Regener oft eine verschlossene Schrulligkeit nach, denn auch im Gasometer erweist sich der Mittfünfziger als Charismatiker vor dem Herrn, genießt sichtlich das Bad in der jubelnden Menge und ist auch um keinen Schmäh verlegen. Es passt zur Unangepasstheit der Band, dass das Set nicht mit einem neuen Song, sondern mit "Damals hinterm Mond" vom ersten deutschsprachigen Album aus dem Jahr 1991 begonnen wird. Schema F interessiert nicht, dazu ist die Band zu selbstsicher und kreativ. Wie gut sich aber die Kompositionen des aktuellen Erfolgsalbums in das wuchtige Gesamtwerk der Norddeutschen kombinieren lässt, merkt man des Öfteren an den nahtlosen Übergängen zwischen den Songs. Da leitet ein "Rette mich (vor mich selber)" mühelos auf "Mehr als sie erlaubt" über oder schwappt der von Rainer Werner Fassbinder inspirierte Titel "Liebe ist kälter als der Tod" auf das englischsprachige Frühwerk "Nightmare". Davon gibt es mit dem Stimmungs-Song "Love And Happiness" noch eine Draufgabe, ansonsten bleibt man Deutsch.

Stärke in der Gemütlichkeit
Auch wenn Regener verschmitzt bemerkt, dass seiner Band auch fröhliche Sounds gut zu Gesicht stehen, entfalten Element Of Crime immer dann ihre volle Schlagkraft, wenn sie sich genüsslich in der behutsamen Gemütlichkeit wälzen. "Alles wie immer und doch neu" gilt als Credo und Mantra für das Crime'sche Schaffen der Gegenwart und reflektiert damit die bekömmliche Verbindung aus den ungestümeren Nummern der Frühzeit und den hervorragend austarierten Hits der jüngeren Vergangenheit. So wühlt sich das balladeske "Gelohnt hat es sich nicht" unnachahmlich direkt unter die Haut des Hörers, sind die flackernden Stroboskop-Effekte ein visueller Zusatz für das intensive Mitfühlen der Fans mit der Bühnenperformance und erweisen sich vor allem die Trompeten- und Saxofon-Soli genauso wie die lockeren Mariachi-Sounds als absoluter Gewinn für die schlüssige Liveshow.

Dazwischen stecken viele kleine Highlights, welche die fast zweistündige Show erst richtig besonders machen. So zum Beispiel die Verwendung des live sehr lang unter Verschluss gehaltenen Songs "Immer nur geliebt", dessen Titel vom mit der Band befreundeten Regisseurs Leander Haußmann stammt, die reale Bestandsaufnahme in "Straßenbahn des Todes" oder der knochentrockene Blues-Rock als Unterlage von "Immer da wo du bist bin ich nie", der sich musikalisch völlig von den eher chansonartigen und mit diversen Filmzitaten durchtränkten Songs unterscheidet. Die Experimentierfreudigkeit innerhalb der Band ist längst zu einem Marken- und Wertezeichen geworden.

Wider die Pop-Plattheiten
Noch bevor im dreifachen Zugabenblock Hits wie "Weißes Papier" oder "Delmenhorst" feilgeboten werden, durchtränken Element Of Crime das Gasometer mit massenhaft Hits und viel Romantik, wie auch Regener immer wieder freudig betont. Das ganz große Highlight kommt aber am Ende und hat schon mehr als zwei Dekaden auf dem Buckel – die nostalgische Top-Ballade "Alten Resten eine Chance" verinnerlicht sämtliche Stärken der Band. Betörende Melancholie, ein durchdachter Text, sanfte Instrumentierung und Gänsehaut-Atmosphäre von der ersten bis zur letzten Sekunde. Mit "Dieselben Sterne" entlässt Regener das Publikum dann zwar mit fröhlicheren Tönen, doch den Erfolg dieses Samstagabends hat er schon lange davor geschmiedet. Als romantischer Geschichtenerzähler, der gegen die Plattheit des herkömmlichen Pop-Genres ankämpft. Auch dafür: danke!

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