Ausnahmeerscheinung

Ägypten: Frauen radeln gegen Staus und Sexismus

Ausland
30.01.2015 06:02
Trotzig kämpft sich Yasmin Mahmoud auf ihrem Fahrrad durch die Staus von Kairo. Die 31-Jährige ist eine Ausnahmeerscheinung in den Straßen der ägyptischen Hauptstadt, denn Radfahrer leben gefährlich im Verkehrschaos der Metropole. Frauen werden zudem immer wieder sexuell belästigt.

"Leider ist es in Ägypten sozial inakzeptabel für ein Mädchen, auf der Straße Rad zu fahren", sagt die Verwaltungsangestellte, während sie sich in einem wohlhabenden Viertel von Kairo aufs Rad schwingt. Hier sind Frauen höchstens auf dem Sozius von Mofas oder auf Fahrrädern mit ihren Ehemännern oder Brüdern zu sehen, per Rad bewegen sich in Ägypten meist nur Männer aus der Arbeiterklasse, um tägliche Besorgungen erledigen.

Doch Mahmoud begann vor vier Jahren, Rad zu fahren - ohne dass ihre Eltern davon wussten. Erst mit der Zeit konnte sie sie davon überzeugen, wie praktisch das neue Fortbewegungsmittel ist. "Ein Fahrrad spart Zeit und das Geld fürs Benzin", sagt die junge Frau. Mit Blick auf den Stau vor einem Kreisverkehr betont sie: "Für diese Straße hätte ich sonst mindestens eine halbe Stunde gebraucht." Inzwischen nutzt sie ihr Auto nur noch für lange Strecken.

Belästigungen an der Tagesordnung
Wie viele Radfahrer wünscht sie sich separate Radspuren, um nicht von den rücksichtslosen Fahrern der Minibusse gefährdet zu werden. Neben der Anarchie auf den Straßen seien "verbale sexuelle Belästigungen und Spott von Passanten große Probleme", berichtet Mahmoud. Obszöne Bemerkungen oder Berührungen sind in Ägypten für Frauen an der Tagesordnung. Einmal habe ein junger Mann auf ihr Fahrrad aufspringen wollen, erzählt Mahmoud. "Ich ignoriere sie einfach und fahre weiter", wischt sie solche Vorkommnisse mit einem Lachen weg.

Nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak 2011 nahmen sexuelle Übergriffe nach Angaben von Bürgerrechtlern noch zu, doch Mahmoud lässt sich davon nicht abschrecken. Inzwischen ist sie Mitglied von "Go Bike", einer Radfahr-Lobbygruppe. Jeden Freitagmorgen organisiert Gründer Mohammed Sami Touren für Dutzende Mitfahrer, darunter auch Frauen, die das Radfahren erst einmal lernen müssen.

"Stelle mich der Herausforderung"
"Ich stelle mich der Herausforderung", sagt die Apothekerin Shaimaa Ahmed, während sie sich den Staub von den Kleidern klopft. Bei ihren ersten Fahrversuchen fiel die verschleierte 26-Jährige nach kurzer Zeit vom Rad. Auch die 50-jährige Wafaa Ahmed möchte sich für den Weg zur Arbeit eigentlich ein Rad kaufen, zögert aber noch. "Ich habe vor allem Angst vor Belästigungen, mehr als vor dem chaotischen Verkehr und dem Mangel an Sicherheit auf den Straßen", sagt die zweifache Mutter.

Nach dem Willen von Go-Bike-Gründer Sami sollen Räder bei Kurzstrecken zunehmend die Autos ersetzen. "Aber was wir brauchen, sind extra Radspuren", fordert auch er. Die Politik hat bisher nichts unternommen, obwohl Präsident Abdel Fattah al-Sisi nur Tage nach seinem Amtsantritt im vergangenen Juli samt Ministern an einem Radmarathon teilnahm.

Raus aus den starren Mustern und Sitten
"Ein wichtiges Ziel für uns ist es, die Wahrnehmung der Gesellschaft gegenüber der Frau auf dem Fahrrad zu verändern", erklärt Sami. "Wir wollen, dass Fahrräder ein Vehikel sind für ägyptische Mädchen, aus den starren Mustern von Sitten und Traditionen auszubrechen." Zweimal wöchentlich unterrichtet Mahmoud andere Frauen im Radfahren: "Versuche, keine Angst zu haben", rät sie einer Anfängerin. "Vergiss die Leute um dich herum, trau dir etwas zu und genieße es."

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