Herausgeber getötet

“Besser aufrecht sterben, als auf Knien leben!”

Ausland
08.01.2015 13:41
"Besser aufrecht sterben, als auf den Knien leben!": Nach diesem Credo, ein Zitat des mexikanischen Revolutionsführers Emiliano Zapata, lebte der Chefredakteur und Herausgeber der französischen Satire-Zeitung "Charlie Hebdo", Stephane Charbonnier, genannt Charb, - bis er am Mittwoch von Dschihadisten kaltblütig erschossen wurde. Die Zeitung soll trotz des Anschlags in der kommenden Woche erscheinen. "Charb hat immer gesagt, dass die Zeitung erscheinen müsse, koste es, was es wolle", sagte der Autor Patrick Pelloux am Donnerstag.

"Wir werden weitermachen", sagte Pelloux der Nachrichtenagentur AFP. "Wir haben uns entschieden, kommende Woche eine Ausgabe herauszugeben. Wir sind alle einverstanden." Die Mitarbeiter der Zeitung würden demnach von zu Hause aus arbeiten, da die Redaktionsräume wegen der laufenden Ermittlungen nicht genutzt werden könnten. "Wir werden zurechtkommen", sagte Pelloux.

Der Autor betonte, die Zeitung werde sich nicht unterkriegen lassen. "Das ist sehr hart, wir alle sind voller Leid, Schmerz, Angst", sagte er. "Aber wir machen es trotzdem, denn die Dummheit wird nicht gewinnen."

Herausgeber ein unerbitterlicher Verfechter der Pressefreiheit
Der 47-Jährige war ein unerbittlicher Verfechter der Pressefreiheit, mit seinem Zeichenstift hat er religiöse Fanatiker aller Konfessionen ebenso angegriffen wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz. Seit 2009 leitete der am 21. August 1967 in der Normandie geborene Journalist und Karikaturist das Wochenblatt "Charlie Hebdo".

Er zeichnete aber auch für andere Satireblätter und die kommunistische Tageszeitung "L'Humanite". Politisch stand Charbonnier, genannt Charb, klar links, während der Präsidentschaftswahl 2012 engagierte er sich für die Linksfront "Front de Gauche".

Mit seinem Zeichenstift unterstützte er auch Anti-Rassismusorganisationen. Eine seiner Karikaturen für die französische "Bewegung gegen Rassismus und für die Freundschaft unter Völkern" zeigt einen weißen Chef, der einem schwarzen Bewerber eine Abfuhr erteilt. "Ich würde Sie ja gerne einstellen, aber ich mag die Farbe Ihrer... eh... Krawatte nicht", hieß es dazu.

"Schrecke vor keinem geschmacklosen Witz zurück"
In Interviews verteidigte Charb bissigen, oft auch derben und respektlosen Karikaturen, mit denen sich "Charlie Hebdo" immer wieder zornige Reaktionen und Klagen einhandelte. Er schrecke vor keinem geschmacklosen Witz zurück, wenn es darum gehe, "die Geschmacklosigkeit der Aktualität anzuprangern", sagte er einmal.

Ihm und seinen Kollegen wurde oft vorgeworfen, zu weit zu gehen. "Wir gehen so weit, wie es das Gesetz erlaubt." Viele Journalisten in Frankreich wagten es nicht, die Pressefreiheit voll auszuschöpfen - aus Angst vor einem Prozess, kritisierte Charbonnier die Medienberichterstattung.

Streitbarer Herausgeber ohne Angst vor Prozessen
Charb hatte keine Angst vor Prozessen - und meistens wurde er freigesprochen. Etwa, als eine rechtsextreme Organisation 2010 gegen eine Sonderausgabe zum Thema Papst vor Gericht zog. Auch Klagen der Pariser Moschee und einer islamischen Organisation gegen die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen, die "Charlie Hebdo" von der dänischen Zeitung Jyllands-Posten übernommen hatte, wurden abgewiesen.

Die Übernahme dieser Karikaturen im September 2011 hatte wütende Proteste von Muslimen ausgelöst, es gab damals auch Morddrohungen gegen Charbonnier. Presseberichten zufolge gehörte der Franzose zu elf Menschen, zu deren Tötung wegen "Verbrechen gegen den Islam" die Terrororganisation Al-Kaida aufgerufen hatte.

Karikatur von IS-Terrorchef war letzter Magazin-Tweet
Auch der letzte Tweet, den das Magazin auf seiner Twitter-Seite noch kurz vor dem Anschlag gepostet hat, nahm den Islamismus ins Visier: Die Karikatur zeigt den IS-Kalifen Abu Bakr al-Bahgdadi. Eine weitere Karikatur, die diese Woche veröffentlicht wurde, erlangt angesichts des Überfalls von Mittwoch, bei dem insgesamt zwölf Menschen ums Leben kamen, weitere blutige Brisanz: Die Zeichnung zeigt einen bewaffneten Islamisten. Über dem Bild steht: "Immer noch keine Attentate in Frankreich." In einer Sprechblase heißt es: "Wartet. Man hat bis Ende Jänner, um seine Wünsche zu äußern."

Charbonnier und seine Kollegen hätten seit Jahren mit Drohungen leben müssen, bestätigte der Anwalt von "Charlie Hebdo", Richard Malka. Das Pariser Innenministerium habe sie daher unter Polizeischutz gestellt. Doch "gegen Barbaren, die mit Kalaschnikows kommen, ist nichts zu machen".

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