"Krone"-Interview

Hofburg-Kandidatin Griss? “Wäre achtes Weltwunder”

Österreich
27.12.2014 16:31
Sie ist die Frau des Jahres: Irmgard Griss (68) brachte Licht ins Dunkel des Hypo-Skandals. Vier Wochen danach zieht die Juristin im Interview mit Conny Bischofberger eine überraschende Bilanz.

"Krone": Frau des Jahres, wie klingt das für Sie, Frau Griss?
Irmgard Griss: Unverdient! Und zwar deshalb, weil das ein Gemeinschaftswerk war. Ohne die Arbeit der vier Kommissionsmitglieder und der beiden Assistenten wäre unser Bericht nie zustande gekommen. "Frau des Jahres" ist natürlich ein schöner Titel, aber mir alleine steht er nicht zu.

"Krone": Warum so bescheiden?
Griss: Ich würde nicht sagen, dass das bescheiden ist. So ist es einfach. Die Kommission war gut zusammengesetzt und es war auch viel Glück dabei.

Irmgard Griss kommt gerade vom Bauernmarkt am Grazer Kaiser-Josef-Platz, wo sie jeden Samstag einkauft. Noch heute gratulieren ihr dort die Standler zur Arbeit als Aufdeckerin der Hypo-Pleite. Bei unserem Gespräch sitzt sie im Wohnzimmer ihres Hauses und schaut aus dem Fenster. "Leider gibt es keinen Schnee. Nur die Temperatur - minus fünf Grad - ist winterlich."

Hier können Sie einige Audio-Ausschnitte vom Interview mit Irmgard Griss hören: Clip 1, Clip 2.

"Krone": Im Bericht stehen einige sehr unangenehme Wahrheiten, zum Beispiel dass es eigentlich für eine Verstaatlichung der Hypo keine Not gegeben hat. Welche auszusprechen ist Ihnen am schwersten gefallen?
Griss: Gar keine. Das ist eben herausgekommen. Wir hatten nicht im Blick, wie das auf die Betroffenen wirkt. Uns ist es darum gegangen, eine zusammenhängende, nachvollziehbare Darstellung zu geben.

"Krone": "Griechische Tragödie" - bleiben Sie bei diesem Bild für den Milliardenverlust?
Griss: Das kann man schon sagen. Es hätte ja Möglichkeiten gegeben, den Verlust zumindest zu vermindern, aber es ist einfach so weitergelaufen. In diesem Ablauf von Ereignissen, von Verhalten, von Unterlassungen bekommt man das Gefühl, da wären handelnde Personen einem Schicksal ausgeliefert gewesen. Wie in einer griechischen Tragödie, wo es kein Entrinnen gibt. Aber es hätte ein Entrinnen gegeben. Das war schon bestürzend.

Die Polemik gegen die Spitzenjuristin war am Anfang gewaltig: Das sei eine reine "Freunderl-Kommission", ein "Weißwaschungsrat". Griss stellte klar: "Ich höre sofort auf, wenn ich behindert werde." Umso größer ist jetzt die Anerkennung.

"Krone": Hat es während der sieben Monate wirklich keinen einzigen Versuch einer Intervention gegeben?
Griss: Nein. Aber wir haben öfter gehört: "Das haben wir jetzt nicht so, wie Sie das brauchen." Dann sind wir halt hartnäckig geblieben. Also: Es hat nie jemand gesagt: "Wir geben Ihnen das nicht."

"Krone": Aber freiwillig haben Sie die Unterlagen auch nicht bekommen?
Griss: Vielleicht haben diejenigen gedacht, dass das nicht so relevant für uns sei... (lacht).Wir hatten zum Glück noch andere Informanten.

"Krone": Welche?
Griss: Zum Beispiel hat mir beim Forum Alpbach ein Aufsichtsrat der Europäischen Bank für Entwicklung und Wiederaufbau erzählt, dass diese Bank nach der Verstaatlichung interessiert gewesen wäre, sich an der Sanierung der Südosteuropa-Töchter der Hypo zu beteiligen. Die Unterlagen dazu hätten wir ohne diesen Hinweis nicht verlangen können.

"Krone": Also war es nicht ganz so leicht?
Griss: Natürlich nicht. Aber wir haben es entsprechend betrieben.

"Krone": Bundeskanzler Werner Faymann und auch andere Politiker haben gemeint, Sie sollten doch sagen, welche Alternative es zur Verstaatlichung gegeben hätte. Finden Sie das nicht etwas dreist?
Griss: Es war nicht unsere Aufgabe, Alternativen aufzuzeigen. Aber ich sage Ihnen die einfachste Alternative: Das wäre gewesen, dass die Bayerische Landesbank in der Hypo und somit in der Verantwortung bleibt und dass Österreich noch einmal Partizipationskapital gibt. Mittlerweile wird ja gesagt, es habe eine ausformulierte Strategie gegeben. Wir haben aber kein Strategiepapier bekommen, und es ist auch jetzt nicht veröffentlicht worden.

"Krone": Die ehemaligen Finanzminister Josef Pröll und Maria Fekter schweigen zur Causa beharrlich. Verstehen Sie das?
Griss: Ich kann mir vorstellen, dass sie deshalb nicht Stellung nehmen, weil sie ohnehin im Untersuchungsausschuss aussagen müssen und sich nicht präjudizieren wollen.

"Krone": Hätten Sie sich nicht gefreut, wenn die beiden sich bei Ihnen gemeldet hätten?
Griss: Es ist nicht geschehen, und daher... Tilo Berlin hat das getan. Aber es ist ja nicht die Reaktion mir oder der Kommission gegenüber entscheidend, sondern der Öffentlichkeit gegenüber. Ich glaube, bei den Menschen gibt es schon das starke Bedürfnis nach einer Erklärung.

"Krone": Fürchten Sie eigentlich Nachteile durch den Bericht?
Griss: Ich wüsste nicht, welche das sein sollten (lacht).Das Imperium schlägt ja nur im Film zurück. Nein. Ich bin von niemandem abhängig, von gar niemandem. Ich will nichts und ich brauche nichts. Ich habe eine Pension und die werde ich weiterhin bekommen.

"Krone": Sind einige Personen verschnupft?
Griss: Mir gegenüber hat das niemand gezeigt.

"Krone": Wie begegnet Ihnen zum Beispiel Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny?
Griss: Er hat mir einen Brief geschrieben, in dem er noch einmal auf seine Gründe hingewiesen hat. Ich habe ihm geantwortet und noch einmal kurz unsere Position geschildert.

"Krone": Was wird der Untersuchungsausschuss bringen?
Griss: Ich hoffe, nicht nur gegenseitige Schuldzuweisungen. Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung das will. Die Reaktionen auf unseren Bericht haben gezeigt, dass die Menschen eine sachliche Darstellung wollen. Das sollte der Ausschuss beachten.

"Krone": Was könnten die politischen Konsequenzen sein?
Griss: Da der Amtsverlust nicht mehr möglich ist, kann man nur Prozesse aufsetzen, die in Zukunft eingehalten werden müssen, wenn schwierige Entscheidungen zu treffen sind. Und dadurch kann man vielleicht erreichen, dass man sich davon leiten lässt, was in der Sache notwendig ist, und nicht davon, wie man möglichst gut in der Öffentlichkeit ankommt.

"Krone": War die Leitung dieser Kommission der Höhepunkt Ihrer Karriere?
Griss: Nein. Mein Traumberuf war Richterin. Auch was ich jetzt mache, ist für mich eine sehr befriedigende Arbeit.

Die ehemalige Richterin ist seit drei Jahren in Pension. Sie leitet heute eine Schlichtungsstelle des Sozialministeriums für Verbrauchergeschäfte. "Ich mag es, wenn sich Beschwerdeführer verstanden und ernst genommen fühlen und wir so Konflikte schlichten können."

"Krone": In den sozialen Medien haben viele gefordert: "Griss for President!" Werden Sie die erste Bundespräsidentin?
Griss: Sie wissen doch, wie bei uns die politische Realität ist. Das ist doch außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit...

"Krone": Warum? 2016 dankt Heinz Fischer ab. Wenn die ÖVP Sie als Kandidatin aufstellen würde, wäre das keine Überlegung wert?
Griss: Das wird nicht eintreten, es wird anders laufen. Außerdem war ich nie Mitglied einer Partei. Als Richterin muss man sich aus der Politik ganz heraushalten.

"Krone": Und wenn sich beide Regierungsparteien auf Sie als unabhängige Kandidatin einigen würden?
Griss: Ja, wenn das achte Weltwunder einträte... Ja, dann würde ich darüber nStaates. Ist das nicht ein reizvoller Gedanke?
Griss: Ich war auch als OGH-Präsidentin die erste Frau in dem Amt. Das macht nicht so einen Unterschied. Wichtig ist, wie man sein Amt ausfüllt.

"Krone": Frau Griss, darf man Sie auch fragen, warum Sie sich die Haare nicht färben?
Griss: Das war mir einfach nie eine Überlegung wert. Ich schminke mich auch nicht. Mein Gesicht zeigt ja mein Alter, da finde ich, passt das graue Haar gut dazu. Das ist ein ganz natürlicher Prozess.

Die "Frau in Grau" mag es gerne reduziert. Nicht nur was ihr Äußeres betrifft, auch in der Sprache. Der 344 Seiten lange Bericht enthält weder Phrasen noch Worthülsen. "Vor allem die 16-seitige Kurzfassung ist so geschrieben, dass sie jeder versteht."

"Krone": Schauen Sie eigentlich noch ab und zu in den Bericht hinein?
Griss: Das letzte Mal habe ich darin gelesen, als wir ihn kopiert und in einem Copyshop gebunden haben - wir haben alles selbst gemacht, damit nichts vorzeitig rausgeht. Seither will ich nicht mehr reinschauen, sonst würde ich sicher noch irgendwo einen Fehler finden...

Ihre Karriere
Geboren am 13. Oktober 1946 in Bösenbach, Weststeiermark. Griss studiert Jus, 1978 macht sie die Anwaltsprüfung. 1987 wird sie Richterin am Oberlandesgericht Wien, 1993 Richterin am Obersten Gerichtshof, dem sie von 2007 bis 2011 als Präsidentin vorsteht. Die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen lebt in Graz, ihr Mann ist ebenfalls Anwalt und Honorarkonsul von Brasilien.

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