"Krone"-Interview

Mighty Oaks: “Wir sollten nicht zu Deutsch sein”

Musik
30.12.2014 17:00
Mit ihrem Debütalbum "Howl" haben die Mighty Oaks in diesem Jahr in Österreich und Deutschland den Sprung in die Top-10 der Albumcharts geschafft - erst unlängst spielten sie ausverkaufte Shows im Wiener Flex und im Grazer ppc. Wir haben das internationale Trio Ian Hooper (USA), Craig Saunders (England) und Claudio Donzelli (Italien) vor der Flex-Show zum kurzen Plausch gebeten, um über den steilen Karrierestart, deutsche Wesenszüge und die ihre "Anti-Hippness" in Berlin zu sprechen.
(Bild: kmm)

"Krone": Ian, du bist in Washington geboren und von Seattle über Hamburg nach Berlin gekommen. Wäre nicht schon Seattle perfekt gewesen, um eine Karriere als Musiker zu starten?
Ian Hooper: Natürlich hätte es gepasst, aber ich wollte weg und etwas anderes erleben. Ich kam ja nicht wegen der Musik nach Deutschland – dass das so geklappt hat, war bei uns allen reiner Zufall. Natürlich ist Seattle an sich eine saugeile Stadt, auch wenn ich Portland noch etwas besser finde. Dort ist der Wettbewerb aber wirklich gewaltig und man braucht viele Ressourcen, um überhaupt den Durchbruch zu schaffen. Die deutsche Musikindustrie ist weltweit sehr stark und einflussreich und hier hatten wir die Möglichkeit, schneller entdeckt zu werden und die richtigen Leute kennenzulernen. Das war alles nicht durchdacht, ist aber glücklicherweise passiert.

"Krone": Berlin ist aber doch auch ein unglaublich umkämpfter Markt. Ist es hier wirklich einfacher für euch?
Hooper: Schon, weil es hier nicht so viele Leute gibt, die diese Art von Indie-Folk-Rock machen, die wir praktizieren. Die meisten Bands sind mit Electro oder der tiefen Indie-Szene in Berührung – das kreuzt uns ja nicht. Native-English-Speaking Folk-Bands sind aber schon selten hier. Berlin ist auch wirklich ein Dorf und die Musikindustrie ist umso kleiner, wenn man es mit den USA vergleicht. Wenn man sich bemüht und dranbleibt, kann man hier schon viel erreichen.

"Krone": Wie du schon gesagt hast, ist Berlin eher das Zentrum elektronischer Musik und hipper Gesellen. Hätte eure Art von Musik nicht auch in Hamburg geklappt?
Hooper: Claudio zog wegen seiner Doktorarbeit nach Berlin und ich wegen eines Jobs. Wir kannten uns von einem Festival in Hamburg und haben uns in Berlin wiedergefunden und uns wochenends oder abends mit Musik vom Alltag befreit. Das war einfach kreatives Rauslassen. Wir sind nicht wegen der Musik in Berlin geblieben, sondern weil wir die Stadt toll finden. Rein musikalisch geht in Berlin natürlich alles viel schneller als in Hamburg. Ich finde es toll, dass ich quasi ums Eck laufen kann und dort Mitarbeiter der Plattenfirma treffe.

"Krone": Für die Musik habt ihr auch einiges zurückgelassen.
Hooper: Claudio hat seine Doktorarbeit abgebrochen. Wir haben alle Jobs gekündigt und Craig ist mit seiner Familie aus Hamburg nach Berlin gezogen. Das war natürlich etwas stressig. Außerdem mussten wir ungefähr die Hälfte unserer Freundschaften aufgeben, weil wir ständig unterwegs waren. Wir waren schon happy, dass das unsere Mädels noch mitmachten. Wenn man es aber schaffen will, muss man 100 Prozent oder mehr geben, und da geht der eine oder andere wichtige Teil des Lebens etwas unter. Das gehört aber dazu und damit muss man leben. Anfangs habe ich bei Soundcloud gearbeitet und bei denen gesehen, wie sich mit dem Erfolg alles verändert hat. Das war schon radikal, aber es hat eben alles zwei Seiten. Du verlierst keine Freunde, aber den Kontakt zu ihnen.

"Krone": Ihr drei seid aus den USA, England und Italien und in Deutschland stationiert. Merkt ihr diese vielen unterschiedlichen Mentalitäten in eurem Arbeitsprozess oder dem Miteinander an sich?
Hooper: Wir wissen gar nicht mehr, wie das am Anfang war.
Claudio Donzelli: Wir haben schon so viel Zeit miteinander verbracht, dass wir darüber gar nicht mehr nachdenken. Ich würde sagen, wir sind keine üblichen Stereotypen und bedienen die Klischees unserer Heimat nicht so schnell.
Hooper: Es kommt darauf an, ob noch ein zweiter Engländer oder Italiener da ist. Dann kommen schon die Klischees raus. Unser Tour-Support Charlie Cunningham ist Brite und da merke ich schon, dass er und Craig Sprüche auspacken, die wir gar nicht so wirklich wahrnehmen. (lacht)
Craig Saunders: Man passt sich natürlich ein bisschen an. Der kleinste gemeinsame Nenner bei uns ist, dass wir alle Ausländer in Deutschland sind. Wir haben also eher immer die gleiche Meinung.
Donzelli: Als wir auf Tour in Mailand waren, war meine ganze Familie da und auch die Freunde kamen mit. Die Jungs haben vielleicht gemerkt, dass ich mehr italienische Wesenszüge angenommen habe. Ich habe mehr im Dialekt geredet.
Hooper: Ich kann sowieso kein Italienisch, insofern hat sich alles Italienisch angehört. (lacht)

"Krone": Habt ihr schon deutsche Wesenszüge angenommen?
Hooper: Auf jeden Fall die Pünktlichkeit. Ich war schon immer ziemlich ordentlich, aber das wurde noch besser.
Saunders: Ich gehe sonntags viel öfters spazieren. (lacht)
Hooper: Ich meckere auf viel höherem Niveau – auch oft wegen nichtigen Kleinigkeiten. Wenn ich das übertreibe sagt mein Vater immer zu mir: "Ian, chill out. Sei bitte nicht zu Deutsch." (lacht)
Saunders: Wenn ich in England bin, dann gehe ich auch bei Rot über die Straße, wenn nichts los ist. In Deutschland warten alle bis es grün wird – das war anfangs ungewohnt.
Hooper: Das sind erwachsene Menschen und die können für sich entscheiden. In Deutschland sind die Menschen viel schneller angepisst und regen sich über Dinge auf.

"Krone": In der Ruhe liegt ja die Kraft – das kann man auch gut auf den Sound von den Mighty Oaks ummünzen. Woher stammt die Liebe zu den ruhigen Indie-Folk-Rock-Klängen?
Hooper: Unsere Musik ist einfach das Ergebnis von uns allen, wenn wir zusammen Musik machen. Ich glaube, dass die zweite Platte uns viel besser widerspiegeln wird, viel geprägter von uns als Persönlichkeiten sein wird. "Howl" war halt mehr ein Versuch, da kamen die meisten Lieder von mir und der Akustikgitarre. Die nächste Platte wird mehr eine Band-Platte, viel erwachsener.

"Krone": Mit eurer Musik geht ihr bewusst gegen jegliche Trends, die der Markt den Hörern derzeit oktroyiert.
Hooper: Wir machen keinen Akustik-Electro, das ist gerade wirklich ziemlich trendig. Ich komme aber nicht von dieser Szene und kann mich nicht anpassen, wenn ich mich nicht wohlfühle. Ich mag Electro-Musik schon, aber die meiste Musik heutzutage hat keine Seele, und wir machen Musik, die unseren Meinungen entspricht und auf die wir stolz sein können. Wenn du nichts machst, was du selber gut findest, kannst du es nicht täglich spielen und darüber reden. Ich würde mich dann selber scheiße finden und das geht gar nicht. Der Markt ist heute sehr Single-basiert und das sind wir als Band überhaupt nicht. Klar, wir könnten mit einem kleinen Electro-Track wohl die schnelle Kohle machen, aber wo stehen wir dann in ein paar Jahren?

"Krone": Schließt du kategorisch aus, dass ihr mal auf den Electro-Zug aufspringen werdet?
Hooper: Nicht kategorisch. Ich könnte mir schon sehr gut vorstellen, dass wir mal mit Samples arbeiten und das bei unserer Musik probieren. Aber eine rein elektronische Folk-Rock-Platte werden wir nicht machen. Ich kann mir schwer vorstellen, dass wir überhaupt einen Rechner auf der Bühne haben. Ich kann aber nicht sagen, wie wir uns entwickeln werden, aber Voll-Playback mit Gesang drüber, das wird nicht passieren. Dafür lieben wir unsere Gitarren zu viel.

"Krone": Was sollen eure Fans fühlen, wenn sie mit der Musik der Mighty Oaks in Berührung kommen?
Saunders: Es soll emotionale Höhepunkte geben. Ich schließe beim Musikhören selber gerne die Augen und lasse mich treiben – so in etwa sollen sich auch unsere Hörer fühlen. Auch bei unseren Konzerten sind die Leute weg, haben geschlossene Augen, aber tief in unserer Musik. Manchmal sind wir ruhiger und manchmal rockiger.
Hooper: Es soll Euphorie und Tränen gleichermaßen geben. Ich selber möchte beim Muslich und natürlich passiert, keinen Trends folgt. Die Künstler sollen nicht nur über Clubs, Saufen und Ficken singen.
Donzelli: Es kommt immer darauf an, wie man sich fühlt. Ich höre mir sehr viele verschiedene Richtungen an und versuche, abwechslungsreich vorzugehen.
Hooper: Die Musik kann ruhig filmisch sein. Sie soll Atmosphäre und Energie vermitteln. Von mir aus auch etwas Nostalgie.

"Krone": Seid ihr eigentlich wirklich so naturverbunden, wie Bandname und Promofotos von euch vermitteln?
Hooper: Ich schon, ich bin ländlich großgezogen und ein Naturbursche. Ich bin mittlerweile seit fast einem Jahrzehnt davon entfernt, aber das kriegst du nie wieder aus dir raus. Das prägt auch die Musik, die wir machen. Claudio ist in Italien an der Küste aufgewachsen und Craig in den Feldern von Südostengland. Wir lieben es, aus der Stadt rauszukommen und Ausflüge zu machen. Bei uns ist jedenfalls nichts gefälscht – dann würden wir uns irgendwann selber scheiße finden.

"Krone": Was ihr nicht so gerne mögt, sind die Vergleiche mit Mumford & Sons.
Hooper: Nicht wirklich. Sie sind natürlich eine tolle Band, aber ihre Folkmusik deckt sich doch nicht mit unserer. Das ist ein etwas hohler Vergleich, der schon hinkt. Natürlich brauchen viele Leute Schubladen für neue Fans, um die Massen zu bedienen, aber die Ähnlichkeiten sind schon enden wollend. Vor allem sind unsere Liveshows viel heftiger und Rock-lastiger.
Donzelli: Was ich gar nicht mag ist, wenn Leute uns einreden wollen, wir würden diese Musik nur spielen, um auf den Zug von Mumford & Sons aufzuspringen. Das ist doch Bullshit, denn wir spielen einfach die Musik, die aus uns rausfließt. Aber gut – das passiert immer und besonders bei neuen Bands, um sie einzuordnen.
Hooper: Hoffentlich kommt der Zeitpunkt, wo die Leute sagen: "Ihr hört euch doch ein bisschen an wie die Mighty Oaks." Dass wir unseren ganz eigenen Sound kreieren.

"Krone": Viele Singer/Songwriter und Folk-Musiker haben vor Jahrzehnten bis zu drei oder vier Platten pro Jahr veröffentlicht. Wäre das für euch in kreativer Hinsicht überhaupt denkbar?
Hooper: Das kostet zu viel Geld. (lacht) Vom kreativen Standpunkt her schon. Das kann man aber nicht mehr vergleichen, denn die Bands mussten damals nicht so viel touren. Sie machten wirklich viel Geld mit Plattenverkäufen und da kommt bei uns fast gar nichts mehr rein, weshalb wir eben immer auf Tour sind. Wir lieben es zudem, live zu spielen, das ist einfach unersetzbar.
Saunders: Zudem wäre die Geduld in der Plattenindustrie dafür gar nicht mehr vorhanden. Du siehst es ja bei diesen Talent-Shows – du musst sofort erfolgreich sein und nach zwei Jahren bist du komplett vergessen.

"Krone": Ian, du hast Politik fertig studiert. Fließen diese Themen in deine Texte ein?
Hooper: Nein, ich versuche nicht zu politisch zu werden. Wenn ein Amerikaner in Europa über Politik singt, kotzen die Europäer wohl schon im Strahl. (lacht) Ich mache das nicht direkt. Der Song "The Golden Road" etwa hat mit Religion und der Politik dahinter zu tun. Aber auch dort gehe ich nicht direkt vor, weil das nicht meine Art ist. Wenn ich älter werde und immer noch Musik mache, werden meine Meinungen wahrscheinlich noch viel konkreter, aber dafür muss ich erst einmal Informationen, Erfahrungen und Ideen sammeln. Wenn du etwas aufnimmst, ist es für die Ewigkeit – dann kannst du es nicht mehr rückgängig machen. Dessen muss man sich immer gewahr sein.

"Krone": Könntet ihr euch vorstellen, in der jetzigen Situation noch andere Jobs zu machen?
Hooper: Mein Ziel war es eigentlich immer, Diplomat zu werden, und das klingt für mich immer noch sehr attraktiv. Dafür müsste ich mir wohl die Haare schneiden und den Bart abrasieren. (lacht) Aber mit der Musik erreiche ich viel mehr Leute.

"Krone": Du hast das nächste Album jetzt schon mehrmals angedeutet. Wann wird es kommen?
Hooper: Wir schreiben 2015 die Platte und hoffen, dass sie Anfang/Mitte 2016 rauskommt.

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