"Krone"-Interview

Glenn Hughes: “Ich bin Hippie, kein Punkrocker”

Musik
21.12.2014 17:00
Zu wenig Selbstbewusstsein kann man ihm ebenso wenig vorwerfen wie mangelnde Kreativität. Glenn Hughes, legendärer Sänger und Bassist von Trapeze, Deep Purple und Black Country Communion war mit seiner neuesten Spielwiese California Breed in der Wiener Arena zu Gast und stand der "Krone" Rede und Antwort. Dabei sprach er nicht nur bereitwillig über seine schwere Herz-OP und die einstige Drogensucht, sondern auch über die großen Pläne für die Zukunft, warum er trotzdem sehr gerne in der Vergangenheit lebt und weshalb der bandinterne Generationenkonflikt erfrischend ist.
(Bild: kmm)

"Krone": Glenn, es ist sehr interessant, dass du dein neuestes Projekt California Breed genannt hast, weil niemand der drei Gründungsmitglieder aus Kalifornien stammt. Du bist aus England, Gitarrist Andrew Watt aus New York und Ex-Drummer Jason Bonham kommt auch aus Großbritannien.
Glenn Hughes: Ich lebe seit mittlerweile 41 Jahren in Kalifornien und habe England schon als Kind verlassen, war schon vor meiner Zeit bei Deep Purple hier wohnhaft. Spirituell und auch vom Stammbaum her lebe ich schon seit Hunderten von Jahren in den USA und ich fühlte schon immer, dass dieses Land mein wahres Zuhause ist. Viele Briten werden das wahrscheinlich nicht verstehen, aber so ist es nun einmal. Ich liebe alle Menschen auf diesem Planeten, aber in L.A. bin ich daheim.

"Krone": Gestartet hast du die Band mit dem jungen Andrew Watt, anfangs war das nicht viel mehr als eine Jam-Session. Wie seid ihr dann zur Band geworden?
Hughes: Das stimmt. Die Plattenfirma wollte, dass ich ein Soloalbum mache und ich wollte aber eine neue Band formen. Sie wollten im Prinzip nur etwas, wo ich singe, deshalb ging das okay. Durch meinen Freund Julian Lennon kam ich zu Andrew, er hat ihn mir ans Herz gelegt. Er hat mir ein paar Songs auf mein Smartphone geschickt und es war wirklich gut – mit mir zusammengemischt ergab das Sinn. Die moderne Note von Andrew mit dem klassischen Zugang von mir.

"Krone": Im Gegensatz zu deiner letzten Band Black Country Communion hast du hier auf Keyboards verzichtet. Absichtlich?
Hughes: Als mein guter Freund Jon Lord starb, wollte ich davon Abstand nehmen. Das habe ich auch unserem ehemaligen Black Country Communion-Keyboarder Derek Sherinian gesagt. Ich wollte keine Keyboards haben.

"Krone": War es nie ein Thema, direkt mit Julian Lennon ein Projekt zu gründen?
Hughes: Lustig, das hat mich noch niemand gefragt. Wir haben bei einer Party zusammen gesungen und ich hatte ihn auch gefragt. Aber er ist ein gut gebuchter Fotograf und hatte einfach keine Zeit dafür. Ich denke, er fühlte sich aber sehr geehrt über meine Anfrage. Mich würde es nicht wundern, würden wir künftig vielleicht etwas anderes auf die Beine stellen. Das ist ein klarer Hinweis! (lacht)

"Krone": Wenn du und der erst 23-jährige Andrew Watt an Songs schreibt – gibt es da keinen Generationenkonflikt?
Hughes: (lacht) Ich würde dir gerne nein sagen, aber natürlich gab es den. Einfach deswegen, weil ich ein totaler 70s-Songschreiber bin. Ich bin Glenn Hughes und kann das nicht verstecken. Er ist 1991 geboren und mit Alice In Chains und meinem Freund Jerry Cantrell aufgewachsen. Er hat nie wirklich viel von Deep Purple gehört. Er ist vom Songschreiben her sehr Pop-orientiert. Damit meine ich jetzt nicht Pop als solches, sondern Pop im Sinne von populär – eben sehr Hit-lastig. Ich denke er liebt es aber, mit mir zu spielen. (lacht) Ich bin 40 Jahre älter als er, konnte aber auch viel von ihm lernen. Er hingegen lernt meine Gesangs- und Atemtechniken. Wir kommen wesentlich besser miteinander zurecht als noch vor einem Jahr, wir haben auch eine Zeit lang zusammen gewohnt. Er ist ein verdammtes Kind in einer Rockband. Er war vorher noch nie in einer Band. Meine Fans sind ziemlich Deep-Purple-orientiert und das hier ist einfach total anders.

"Krone": Bist du jemand, der ihm mit Ratschlägen zur Seite steht?
Hughes: Natürlich, aber ich predige ihm nichts vor. Er ist ein guter und sehr kluger Junge. Außerdem habe ich noch nie jemanden gesehen, der so ambitioniert wie er ist.

"Krone": Im August musstest du den Abgang von Drummer Jason Bonham verkraften, er wurde durch Joey Castillo ersetzt, den man unter anderem von Queens Of The Stone Age kennt. War er die erste Wahl?
Hughes: Lass mich mal ausholen: Mit Jason habe ich das Album aufgenommen und wollte auch Touren, aber plötzlich wollte er das Touren auf 2015 verschieben. Ich sagte sofort nein. Ich bin älter als er, ich bin organisierter und gehe gerne nach einem Plan vor. Wir mussten nach seinem Ausstieg im Sommer ohnehin schon viele Shows streichen. Ich kenne Jason, seit er ein Kind ist. Ich wollte im Sommer nicht herumsitzen und nach etwa einem Monat habe ich Joey gefunden, der auch in L.A. lebt. California Breed ist eine Band, die von den Songs, die ich und Gitarrist Andrew Watt geschrieben haben, lebt, Jason hatte sie vollendet, aber ich wollte nach seinem Ausstieg keine Bandauflösung. Ich wollte die Songs unbedingt spielen, das war kein Ego-Ding.

"Krone": In einem Interview hast du betont, dass die Türen für eine Rückkehr von Bonham geschlossen seien.
Hughes: Die Türen sind deshalb geschlossen, weil er sie zugemacht hat. Ich war das nicht.

"Krone": Wird Joey Castillo nach dieser Tour Bestandteil der Band bleiben?
Hughes: Eine weitere Frage, die ich dir ehrlich beantworten werde. Ich habe für das nächste Jahr viele verschiedene Pläne, die mich persönlich sehr stark interessieren. Ich werde auch nicht mehr jünger und habe für mich beschlossen, nur mehr Sachen zu machen, die aufregend sind und mich glücklich machen. Bei California Breed fühle ich mich auch gut, aber da ging auch schon einiges daneben. Ich will stärker kontrollieren, was ich mache. Die Dinge sind nicht schlecht, aber manchmal etwas schwierig. Wird sich California Breed auflösen? Ich weiß es nicht.

"Krone": Kannst du dann etwas genauer ins Detail gehen bezüglich deiner Pläne für 2015?
Hughes: Ich will keinem Journalisten von meinen Plänen erzählen, denn dann habe ich ein Problem, wenn doch nichts daraus wird. Ich will gerne Sachen mit anderen berühmten Menschen machen. Ich denke, für mich und viele berühmte Musiker der 70er-Jahre ist es wichtiger, was wir damals gemacht haben als das, was wir jetzt tun. Die Fans wollen die großen Klassiker hören, ich spiele ja selber immer noch viele Deep-Purple- und Trapeze-Songs. Der Glenn Hughes, dem du gegenübersitzt, ist sehr modern. Ich schreibe unheimlich viel neue Musik, will die Türen zu meiner Vergangenheit aber nicht schließen.

"Krone": Auf deiner Facebook-Seite hast du ja selbst viele Gerüchte angefeuert, weil es ein Bild mit dir und Deep-Purple-Gitarrenlegende Ritchie Blackmore gibt – samt kryptischer Botschaft.
Hughes: Ich will da jetzt nichts andeuten, aber es werden immer wieder Freundschaften aufgefrischt und Beziehungen wieder neu belebt. Es wird über viele alte Sachen gesprochen. Leute von Deep Purple, Led Zeppelin oder The Who werden eben älter – und wir alle wollen diese Kapitel in unserer Karriere würdig beenden.

"Krone": Kommen wir zu deinen Texten – du greifst dabei immer auf die Realität zurück. Fällt es dir schwer, über fiktionale Themen zu singen?
Hughes: In meinen Teen-Jahren habe ich über griechische Mythologie gesungen. (Hughes' Handy läutet – eine SMS kommt an) Oh, das ist Slash.

"Krone": Er war gestern hier in der Stadthalle zu Gast.
Hughes: Ja, das hat er mir erzählt. (lacht) Als ich damals mein Rockstar-Leben mit den Drogen, dem Alkohol, den Mädchen und den langen Haaren lebte, begann ich über Beziehungen zu singen. Da ich seit etwa 25 Jahren nüchtern bin, habe ich auch über die Genesung gesungen. Ich will dich jetzt nicht mit der Bibel schlagen, aber ich bin ein Christ. Ich singe auch über den Tod, über Versuchungen oder über den Glauben und die sieben Todsünden, die wichtig für die Seele sind. Das sind Themen, die mich interessieren. Ronnie James Dio sang über Hobbits und man hat es ihm abgenommen. Würde ich das machen, würde mir keiner glauben, weil ich nicht der Typ dafür bin. Ich singe über Schmerz und intensive Emotionen.

Hughes: Ja, das stimmt. 2013 war ein hartes Jahr für mich. Ich hatte eine Herzoperation und wäre fast gestorben – natürlich habe ich viel davon auf "California Breed" abgehandelt. Bis 1991 habe ich Drogen, Autounfälle und Brände überlebt. Die meisten Menschen wären in solchen Situationen gestorben, aber ich hatte viel Glück. Du kannst auch kaum mit einem glücklicheren Menschen als mir sprechen. Wenn morgen alles enden würde – ich habe alles so gemacht, wie Gott es von mir verlangt hat. Ich brauche keine Sachen, die ich nicht verdiene. Ich bin ein Übermittler von Botschaften, das manifestiert sich durch meine Musik. Ich bringe die Botschaft der Liebe. Ich bin ein Hippie, kein Punkrocker. Ich bin ein großer Fan der Liebe.

"Krone": Bist du nach deiner Operation ein paar Schritte zurück getreten?
Hughes: Ganz wenig. Die Albumaufnahmen für California Breed musste ich natürlich um ein halbes Jahr verschieben. Ich konnte also die Lyrics noch an meine aktuelle Situation anpassen. Viele Menschen sagen, dies wäre mein bestes Live-Vocal-Album. Ich habe jede Note live im Studio eingesungen und den Bass erst später hinzugefügt. Ich bin für das Singen gemacht und kann das nur so, wie es sich für mich richtig anfühlt. Ich habe auch einige Metal-Freunde wie Bruce Dickinson oder Rob Halford, aber ich bin mehr der Steven-Tyler-Typ.

"Krone": Fühlst du dich beim Musikmachen immer noch gleich gut wie vor etwa 30 Jahren?
Hughes: Es ist mein Job, immer einen sehr hohen professionellen Level des Künstlerischen aufrechtzuerhalten, wenn ich auf der Bühne stehe und auch alte Songs performe. Ich sehe viele Künstler, die dabei gelangweilt sind – das ist bei mir nicht der Fall. Wenn die Leute Tickets für meine Shows kaufen, will ich, dass sie zufrieden nach Hause gehen. Sie sollen Sachen sagen wie "Hast du das gehört? Er singt 'Burn' heute so, wie er 'Burn' 1973 gesungen hat" oder "Er hat noch immer eine sehr gute, emotionale Stimme". So soll man sich an mich erinnern.

"Krone": Was ist denn das Geheimnis deiner immerwährenden Stimmkraft? Viele Rocksänger in deinem Alter haben damit erhebliche Probleme.
Hughes: Ich erzähle dir das Geheimnis. Ich trinke seit 25 Jahren nicht mehr. Ich nehme keine Drogen, rauche keine Zigaretten, trinke keine Milch, achte darauf, nicht zu viel Zucker zu konsumieren, und ich laufe sehr viel. Das klingt jetzt wahrscheinlich egoistisch, ist es aber nicht – wenn ich vor dem Mikrofon stehe, fürchte ich mich kein bisschen. Wenn ich so mit dir hier sitze, bin ich oft etwas zurückgezogen und eingeschüchtert, aber auf der Bühne passiert das nicht. Vielen Sängern merkst du die Unsicherheit an, ich bin keiner von denen. Ich liebe das Singen über alles.

"Krone": Du hast davon gesprochen, dass du gerne ein gutes Feedback vom Publikum hast. Jetzt wirst aber natürlich auch du schlechte Tage haben – wie motivierst du dich dann?
Hughes: Ich habe meine Alltagsprobleme niemals auf die Bühne mitgenommen. Ich kenne genug Videos von anderen Bands, die das Publikum anpissen und schlecht drauf sind – das wird euch mit mir niemals passieren. Jeder, der auch nur einen Penny für ein Ticket für mich ausgibt, soll absolut zufrieden heimgehen. Ich habe hier eine große Verantwortung.

"Krone": War es nicht zeitweise schwierig nüchtern zu bleiben, nachdem im Rock-Business Alkohol und Drogen praktisch griffbereit sind?
Hughes: Ich erzähle dir jetzt eine lustige Geschichte. Vor etwa 15 oder 16 Jahren war ich mit einem wirklich sehr berühmten Musiker zusammen. Und er sagte zu mir: "Ich muss einfach trinken, denn die Leute erwarten dass ich trinke, weil ich eben derjenige bin. Ich sehe großartig aus, wenn ich trinke." Ich habe ihm dann erklärt, dass Gott den Alkohol nicht für ihn erfunden hat, um gut spielen und singen zu können. Ein paar Jahre später hat es geklappt und er war weg davon. Er hat fast geweint vor Freude. Wenn du von dem ganzen Zeug runterkommst, ist es verdammt schwierig, die Gitarre in die Hand zu nehmen. Falls du mein Buch gelesen hast – ich kann mich so gut wie gar nicht an die 80er-Jahre erinnern. Ich habe damals glaube ich im ganzen Jahrzehnt vielleicht acht oder neun Songs geschrieben. Jetzt schreibe ich drei bis vier in der Woche.

"Krone": Aus diesem Zirkel auszubrechen muss ziemlich hart gewesen sein.
Hughes: Alles im Leben ist schwierig. Wenn alles normal wäre, wäre es ja langweilig. Ich habe wirklich regelmäßig Fehler gemacht, aber ich habe immer daraus gelernt. Ich habe mich immer kurz darüber geärgert, aber was nutzt das schon? Ich habe einfach immer versucht, daraus zu lernen. Das ist verdammt wichtig, denn niemand ist perfekt.

"Krone": Bist du heute eine glücklichere Person als früher in den berauschten 70er-Jahren?
Hughes: Auf jeden Fall. Als ich während meiner Zeit bei Deep Purple das erste Mal Kokain nahm, war ich der glücklichste Mensch auf Erden. Im Prinzip bist du aber nur ein Zombie, getrieben von diesen Aufputschmitteln. Du wirst irgendwann paranoid und du glaubst, die Menschen würden dich jagen und töten wollen. Dann wird der Spaß zur Hölle. Ich habe mit nüchternen Musikern gearbeitet und einer sagte zu mir: "Wenn du wirklich damit aufhörst, garantiere ich dir, dass du in zwei bis drei Jahren die beste Musik deines Lebens schreiben wirst." Ich habe ihm das nicht geglaubt, aber natürlich hatte er verdammt noch mal recht. Bei Black Country Communion habe ich Awards gewonnen für die beste Stimme, die beste neue Band und die besten Songs. Eigentlich sollte ich tot sein – ich hatte eine verdammte Herzattacke. Jetzt bin 63 und fühle mich wie 25. Ich würde nichts ändern.

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