Westenthaler-Prozess

Schüssel: “Lese keine Mails, das ist ein Prinzip”

Österreich
13.11.2014 11:13
Altbundeskanzler Wolfgang Schüssel hat am Donnerstag als prominenter Zeuge im Prozess gegen den früheren BZÖ-Chef und Fußballmanager Peter Westenthaler ausgesagt. Er verteidigte die Jugendförderung des Bundes für die Bundesliga in Höhe von einer Million Euro, die laut Anklage zweckwidrig zur Tilgung einer Schuldnerklage verwendet worden sein soll. Dabei gab Schüssel unter anderem zu Protokoll, E-Mails "aus Prinzip" nicht zu lesen.

Schüssel, mittlerweile Pensionist, zeigte nur wenig Verständnis dafür, dass es überhaupt zu einem Strafverfahren gekommen ist. "Es gibt offensichtlich Menschen, die Interesse haben, solche Großereignisse im Nachhinein zu kriminalisieren", verteidigte er die beschlossene Zusatzförderung für junge Fußballer, die im Vorfeld der EURO 2008 von der Regierung veranlasst worden war: "Wir wollten die Europameisterschaft fördern, damit wir uns nicht blamieren."

Bei "Katastrophenfußball" versteht Schüssel keinen Spaß
Auch die gebotene Eile der damaligen Koalition, die Förderung via Budgetüberschreitungsgesetz Jahre im Vorfeld des Großereignisses zu beschließen, rechtfertigte Schüssel als gängige politische Praxis. Der Vergleich dieses Vorgehens mit Maßnahmen etwa im Katastrophenschutz veranlasste den Richter zu einem Scherz, der auf Unverständnis beim Altkanzler stieß: "Also Sie sehen jetzt den Zustand des österreichischen Fußball 2003 ähnlich wie eine Hochwasserkatastrophe?" - "Diese Scherze verbitte ich mir!"

Auch Jahre nach dem Ende der politischen Zusammenarbeit steht der Ex-ÖVP-Obmann ganz zum ehemaligen Koalitionspartner in Person des damaligen Fraktionschefs Westenthaler. Dass dieser nun auf der Anklagebank sitze, könne er nicht nachvollziehen, so Schüssel. Der Prozess koste mittlerweile mehr als die gesamte Förderung, um die es gehe. "So ist das in einem Rechtsstaat, sonst müssen wir die Tätigkeit einstellen", konterte der Richter.

Keine Kenntnis von Verwendung der Fördermillion
Von der Bereinigung einer Drittschuldnerklage mit der Bundes-Million wusste Schüssel laut eigener Aussage nichts - die Finanz hatte gegenüber der Liga eine offene Forderung von mehr als 1,6 Millionen Euro geltend gemacht. Auch dass der damalige Sportstaatssekretär Karl Schweitzer die Förderung eigentlich gar nicht zusagen habe wollen und ein entsprechender Vertrag schließlich vom Sektionschef im Kanzleramt unterschrieben worden sein soll, nachdem das Papier mit Lackstift verändert worden war, habe der Ex-Kanzler nicht gewusst.

Schüssel könne sich nicht vorstellen, dass Schweitzer etwas gegen Profi-Fußball gehabt haben könnte. Dieser habe selbst Fußball gespielt - "ich auch". Er gab seinem einstigen Sportstaatssekretär sowie der damaligen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer die Verantwortung für die Abwicklung der Vorbereitungen zur EURO 2008 und lobte deren Einsatz. Damalige Zweifel der SPÖ an diversen Förderungen sieht Schüssel auch Jahre danach gelassen: "Also, da habe ich schon härtere Kritik von der Opposition gehört." Und auch vom Rechnungshof festgestellte Mängel müsse man differenziert sehen: "Es gibt viele Rechnungshofberichte, die ich großartig finde, und es gibt viele, wo ich mich gewundert habe", resümierte Schüssel.

Aufschluss über seine Kommunikationspraxis gab der 69-Jährige auf eine Verteidiger-Frage zur Korrespondenz in der Causa, die aber nicht ihn betraf: "Ich lese keine Mails, das ist ein Prinzip bei mir."

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