"Krone"-Rezension

Foo Fighters und ihr verklärtes Anspruchsdenken

Musik
14.11.2014 14:00
Mit "Sonic Highways" melden sich die Stadion-Rocker Foo Fighters endlich tatkräftig zurück. Das opulente Albumkonzept (acht Songs, aufgenommen in acht verschiedenen US-Bundesstaaten) ist aber leider nicht so spannend und innovativ geraten, wie es sich Dave Grohl gewünscht hätte. Die Band hat sich beim eigenen Anspruchsdenken überhoben.
(Bild: kmm)

Das Vorhaben als ambitioniert einzustufen, wäre noch zu bescheiden formuliert. Tatsächlich hatte sich Dave Grohl, der wohl weltweit einzige Musiker, der es vom braven, aber unscheinbaren Arbeiter in einer Kultband (Nirvana) zum Frontmann und Aushängeschild einer weiteren Kultband (Foo Fighters) gebracht hat, für den achten Studiorundling seiner Band unheimlich viel vorgenommen. Er wollte die musikalische Geschichte Amerikas widerspiegeln, ganz tief bis zu den Wurzeln der verschiedenen Sounds graben, sie für seine Band ummünzen und dann mithilfe seiner Mitstreiter in die Gegenwart tragen.

Die Mischung macht's
Grohl, schon seit Jahren neben Gitarren-Heroe Slash "Everybody's Darling" im Rock-Business, hat dafür auf jegliche Form von Bescheidenheit gepfiffen und die acht Songs in acht verschiedenen US-Staaten aufgenommen. Visionen braucht der Mensch eben, und mit einer Mischung aus ausreichend Budget, der nötigen Dosis Herzblut und viel Beharrlichkeit lässt sich auch ein solch umfangreiches Unterfangen in die Realität umsetzen. Die Anforderungen hat er schon im Vorfeld selbst sehr hochgesteckt. "Es ist ein typisches Foo-Fighers-Album, das man sofort als solches erkennen kann, aber irgendwie mit mehr Tiefgang und Musikalität."

Nun kann man dem Quintett, das den ruppigen Grunge-Zeiten längst entwachsen ist, schon seit mehreren Alben das Schielen auf Verkaufszahlen und höchstmögliche Eingängigkeit vorwerfen, allerdings haben es Grohl, Taylor Hawkins, Nate Mendel und Co. trotz aller Arenen- und Stadionkonzerte immer wieder geschafft, die "Underground-Fans" bei der Stange zu halten. "Sonic Highways" ist im Prinzip nichts anderes als der späte Versuch, sich noch einmal auf die Wurzeln zu besinnen, nicht an die grölenden Festival-Massen zu denken und sich ein Stück jugendliche Unbedarftheit in den Inspirationsfluss zurückzuholen. Merke: Versuch!

Fehlende Innovation
Dass ein derart opulentes Vorhaben nicht so einfach in die Realität umgesetzt werden kann, ist logisch. Auf dem Album fabrizieren die Foo Fighters zwar alles andere als eine Bruchlandung, nach innovativen Songkonzepten, neuartigen Ideen oder wirklich zündenden Passagen müssen Hörer aber mit der Lupe suchen. Dabei ist vor allem das Cover-Artwork detailverliebt und vielversprechend ausgefallen. Erkennbare Markenzeichen aus allen acht Städten, kombiniert mit der mehrfach sichtbaren Ziffer "8", die für das achte Studioalbum der Band steht. Begeben wir uns also mit der Band auf die Reise durch die USA:

"Something From Nothing"/Chicago: Die Blues-Note der Stadt wollte Grohl herausholen. Der Album-Opener und erste Single-Auskoppelung klingt dafür aber zu rockig, überrascht mit leichten Psychedelic/Funk-Anleihen und stiehlt schamlos das Gitarren-Riff des kultigen Ronnie James Dio-Hits "Holy Diver". Cheap-Trick-Gitarrist Rick Nielsen ist Gast des sanft einleitenden, dann aber kompromisslos nach vorne rockenden Tracks. Ein frühes Highlight, auch wenn man den Sound nicht in Chicago verorten würde.

"The Feast And The Famine"/Washington D.C.: In Washington D.C. wollte Grohl seine Wurzeln aus der dort ansässigen Punk/Hardcore-Szene hervorkramen und hat dafür mit den HC-Legenden Bad Brains kooperiert. Seine aggressive Stimme paart sich mit instrumentalen Up-Tempo-Passagen, dennoch schafft es Grohl nicht, die Kompromisslosigkeit der dortigen Musikkultur zu projizieren. Dafür sind Refrain und Riffs zu zaghaft und vorsichtig geraten. Die Durchschlagskraft fehlt in allen Momenten und das Handbremsendenken nervt zunehmend.

"Congregation"/Tennessee: Country-Sänger Zac Brown fungiert als Unterstützung für das vielleicht musikalischste Stück Erde, das in den USA liegt. "Congregation" versucht sich sehr bemüht an der reichhaltigen Country-Geschichte Nashvilles – den Riffs darf man das Ohrwurmpotenzial nicht absprechen, aber die Produktion ist viel zu glattgebügelt und emotionslos. Das anfangs feine Western-Feeling zieht sich leider nicht durch den ganzen Song, der mit Fortdauer an Qualität einbüßt.

"What Did I Do?/God As My Witness"/Texas: Der Soul aus Texas dringt vor allem zu Beginn durch die Gehörgänge und Grohl überzeugt mit einer intensiven Stimmlage, Stilverweigerer Gary Clark, Jr. ist für die prägnante Lead-Gitarre verantwortlich. Der opernhafte Song-Start wird recht schnell von melodischen Riff-Rock-Fragmenten abgelöst und wandelt sich wieder zurück zum Ursprung. Etwas unentschlossen, aber von durchaus hoher Qualität - die Aufteilung in zwei Song-Teile ist aber durchaus gelungen.

"Outside"/Kalifornien: Sommer, Sonne, Strandgefühl am fünften Albumtrack. Mit Surf-Punk hat die sonnige Nummer wenig zu tun, aber neben leichten Shoegaze-Anklängen und einer kaum merkbaren Lead-Gitarre von Eagles-Star Joe Walsh versuchen sich die Foo Fighters etwas ungelenk am College-Rock mit leichten Skate-Punk-Anleihen. Dass hier und da etwas Classic Rock mit sanften Stoner-Anleihen durchschimmert, tut dem Song gut und hält die Spannung hoch.

"In The Clear"/New Orleans: Die vielleicht größte Themenverfehlung – anstatt mit sumpfigem Swamp-Sound oder Jazz mit Dixieland-Atmosphäre im besten Louisiana-Stil langweilen die Foo Fighters mit einer Bombast-überladenen Pop/Rock-Palette, die in Teilen auch von den Imagine Dragons stammen könnte. Die Gitarren hämmern langweilige Dead Notes herunter und die Melodie nervt schon beim zweiten Hördurchlauf.

"Subterranean"/Seattle: Endlich, denkt sich der Hörer. Grohl geht zurück in seine alte Heimat, zu den Anfängen mit Nirvana und zelebriert die Hochzeiten des Grunge. Falsch gedacht! "Subterranean" ist eine mit Streichern versetzte Ballade, deren Akustikgitarrenklang ähnlich langweilig aus dem Äther rauscht wie die Stimme von Grohl. Der Song klingt wie ein frühes Rentenwerk einstmaliger Helden – Verve, Esprit und Seattle-Attitüde sind die drei Attribute, die man unter Garantie nicht findet. An der eigenen Jugend kratzt Grohl nur im Text.

"I Am A River"/New York: Die europäischste aller US-Städte weist natürlich eine Wagenladung Breitbeinigkeit in ihrem Rock auf und dementsprechend zügellos setzen auch die Foo Fighters in "I Am A River" auf einen episch-opulenten Albumabschluss. Getragen von endloser Monotonie, der immergleichen Refrain-Folge und Reminiszenzen an Breitwand-Rock-Bands wiederholen sich die Foos zumindest nicht selbst. Auch wenn das Ende fast schon zu kitschig ist, um wahr zu sein – das hier ist wirklich guter Bombast.

Selbst ein Weltenbürger wie Dave Grohl kann seinen unermesslichen US-Patriotismus nicht leugnen – das Hauptproblem auf "Sonic Highways" ist nicht ausschließlich die öfters zu hörende Stadt/Sound-Schere, sondern auch die viel zu glatte Produktion von Butch Vig und das repetitive Songwriting-Verhalten der Band. Einige wenige Highlights stehen einer Menge Durchschnittsmaterial gegenüber, vor allem in der zweiten Albumhälfte verlieren sich Grohl und Co. in der eigenen Mutlosigkeit, welche die durchaus guten Ideen stringent durchsetzt.

Zurück zum Wesentlichen
Ursprünglich überlegte Grohl übrigens, zum 20-Jahre-Jubiläum der Foo Fighters das Debütalbum aus dem Jahr 1995 noch einmal neu aufzulegen, weil er das einst ohne Band allein einspielte. Das wäre vielleicht keine so schlechte Entscheidung gewesen, denn von den musikalischen Glanztagen sind die Foo Fighters mittlerweile weit entfernt. Das leichte Scheitern sei ihnen ob des gewaltigen Projektes aber erlaubt – möglicherweise sollte sich das Quintett für das nächste Album aber doch wieder auf das Wesentliche beschränken: flotte Songs zu schreiben und dabei fokussiert bleiben. Das steht auch Dave Grohl besser zu Gesicht.

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