"Krone"-Rezension

Neil Young und das wiedergefundene Lebensglück

Musik
06.11.2014 14:51
Der kanadische Grantler Neil Young hat dieser Tage mit "Storytone" sein zweites Album in diesem Jahr veröffentlicht, er hatte sich dafür ein 92-köpfiges Orchester zur musikalischen Untermalung geholt. Am eindrucksvollsten klingt der 68-Jährige aber noch immer, wenn er sich auf das Wesentliche beschränkt.
(Bild: kmm)

Nein, Faulheit darf man dem alten Grantler tatsächlich nicht vorwerfen. Neil Young, mittlerweile fast 69 Jahre alt und vermutlich noch mehr Hippie als er früher jemals war, veröffentlicht mit "Storytone" bereits das zweite Album innerhalb eines Jahres. Die Erinnerung an das erste, "A Letter Home", ist noch frisch. Eine aufs äußerste Minimum reduzierte Produktion, jedermanns Liebling Jack White als Co-Star und fast schon egozentrisch mühsame Gitarrenklänge fallen einem dazu noch heute als Erstes ein. Kein Bauchfleck des Kanadiers, aber alles andere als ein Ruhmesblatt.

Peace, Love & Life
"Storytone" hingegen scheint das ideale Gegenstück zum dunklen Vorgänger zu sein. Schon das wunderbar gemalte Cover-Artwork im biologisch abbaubaren Karton riecht förmlich nach Aufbruch und Positivismus. Der alte Mann mit Hut lehnt an seinem Cadillac, "Peace, Love & Life" am Kennzeichen und das weite, unnahbare Feld vor sich. Freiheit, Schönheit, Sanftmut. Damit könnte man auch die Platte beschreiben, für die Young im kalifornischen Hollywood nicht nur auf sein Herzblut, sondern auch auf ein 92-köpfiges Orchester zurückgegriffen hat.

Doch etwas Größenwahn in der bescheidenen Aufmachung? Jein – die Kombination Orchester und Young gab es schon des Öfteren in der Vergangenheit, und auch auf "Storytone" überlädt der Querkopf den Hörer nicht mit ausladenden Bombast-Arrangements, sondern achtet gewissenhaft darauf, auf dem schmalen Grat zwischen Zurückhaltung und Offensive zu tänzeln. In vielerlei Bereichen ist "Storytone" eine Momentaufnahme des privaten Neil Young. Schon beim Opener "Plastic Flowers" verarbeitet Young die Scheidung von Gattin Pegi nach 35 Jahren, "I'm Glad I Found You" am anderen Ende des Albums signalisiert dafür die späte Aufbruchsstimmung gen neue Gefilde.

Changieren zwischen Genres
Immer wieder ertappt man den Meister mit dem bösen Blick und der sanften Fistelstimme beim lustvollen Changieren zwischen verschiedenen Genres. Der einfach gestrickte Highway-Song "I Want To Drive My Car" suhlt sich im knackigen Blues Rock, auf "Say Hello To Chicago" überzeugt er als Bigband-Dompteur im bester Frank-Sinatra-Manier und das mit sanften Streichern versetzte "Tumbleweed" ist eine elegische Hippie-Hymne in bester '68er-Manier. Wie bei Young seit jeher üblich, sind es vor allem die sanften und entspannten Momente, die für lang anhaltendes Hörvergnügen sorgen.

Die Mundharmonika in "Like You Used To Do" besitzt dadurch etwa mehr Durchschlagskraft als das opulente "Glimmer". Ebenfalls auf "Storytone" zu hören: die bereits von Livekonzerten bekannte Anti-Fracking-Vertonung "Who's Gonna Stand Up?" mit unzweideutiger "Rettet die Welt"-Botschaft. Er gibt die Hoffnung eben nicht auf und appelliert an uns, es ebensowenig zu tun.

Ausflug in die Natur
So lange Neil Young noch Lust auf handgemachte Musik mit wichtigen Botschaften und instrumentaler Experimentierfreudigkeit besitzt, so lange wird auch die Welt da draußen eine gute sein. Und wer weiß? Vielleicht klingt das nächste Album schon wieder wie schlecht produzierter Kellerramsch. Genießen wir also den herbstlich-bunten Ausflug in die unendlichen Weiten der Natur. Es zahlt sich aus!

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