Sternentstehung

Wiener Astrophysiker beobachten Materie-Lawinen

Wissenschaft
27.10.2014 09:58
Mithilfe des "XMM-Newton"-Röntgenobservatoriums der ESA sowie des NASA-Satelliten "Chandra" haben Astrophysiker an der Universität Wien erstmals bis dato nur indirekt nachgewiesene Masseströme auf einen jungen Stern beobachten können. Dabei zeigte sich, dass dies kein langsamer, stetiger Prozess ist. Vielmehr stürzen lawinengleich in verhältnismäßig kurzer Zeit gewaltige Mengen an Material auf den sich bildenden Stern, so die Forscher.

Rund um einen gerade entstehenden Stern bilden sich riesige Gas- und Staubscheiben (sogenannte protoplanetare Scheiben; Bild), von denen der junge Stern laufend Materie bezieht. "Seit Langem wird spekuliert, dass gelegentliche gewaltige Instabilitäten in den Scheiben sehr große Mengen an Material in kurzer Zeit auf den Stern hinunterstürzen lassen", erklärte Manuel Güdel vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Denn Berechnungen zeigen, dass etwa die Entstehung eines Sterns von der Größe unserer Sonne durch einen stetigen Massestrom bis zu zehn Millionen Jahre bräuchte. Tatsächlich bilden sich diese Sterne aber innerhalb weniger als einer Million Jahre und die Scheiben verschwinden erfahrungsgemäß bereits nach wenigen Millionen Jahren.

Gewaltige Materialstürze dauern Jahrzehnte an
In den vergangenen 80 Jahren wurden bei einem knappen Dutzend Sternen je einmal solche gewaltigen Materialstürze beobachtet, jedes Ereignis dauert Jahrzehnte an. Sie werden nach dem 1937 ausgebrochenen Prototypen auch "FU Orionis-Ausbrüche" (kurz "FUors") genannt.

Dabei wird die ganze Sternumgebung verändert und die sonst kühlen Scheiben auf Temperaturen, wie sie auf der Sonnenoberfläche herrschen, aufgeheizt. Die Objekte strahlen dadurch mit einem mindestens zehn bis 100 Mal helleren Licht als zuvor. Aber nicht nur der Stern gewinnt durch diese Vorgänge an Masse, auch die in den Scheiben vor sich gehende Entstehung von Planeten wird dadurch erheblich beeinflusst.

Sternbildung mit Röntgenobservatorien beobachtet
Im Jahr 2010 wurde der bisher jüngste "FUor" entdeckt, bei einem sich bildenden Stern namens HBC 722 im Gebiet des Nordamerikanebels im Sternbild Schwan. Um ohne Verzögerung den Stern schon in seiner Anfangsphase beobachten zu können, holten sich Güdel und sein Doktorand Armin Liebhart in den Jahren 2010 und 2011 Extra-Beobachtungszeit beim Röntgensatelliten "XMM-Newton" der Europäischen Weltraumagentur ESA. Schließlich konnten sie 2013 mit dem Röntgenobservatorium "Chandra" (kleines Bild) die Vorgänge ein weiteres Mal beobachten.

Erstmals konnten die Forscher damit die bewegte Anfangsphase eines Ausbruchs im Röntgenlicht aufnehmen. "Wir sahen zum ersten Mal, wie sich das Objekt in den Röntgeneigenschaften und in den Gasströmen ändert", sagte Güdel im Gespräch. Sie stießen dabei auf völlig unvorhergesehene Eigenschaften, wie sie im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" berichten.

Erste Beobachtung war eine Enttäuschung
Gleich die erste Beobachtung während des anfänglichen raschen Ausbruchs war eine Enttäuschung, denn im Röntgenbereich war nichts zu sehen. Möglicherweise gab es massereiche Gasströme zwischen Stern und Scheibe, die alles Röntgenlicht vom Stern absorbierten, lautet die Erklärung der Astrophysiker. Ein halbes Jahr später zeigte sich dagegen eine Röntgenquelle, wie man sie für einen derartigen Stern erwartet - nämlich eine heiße Röntgenkorona ähnlich der Sonnenkorona. Die Gasströme waren anscheinend bereits abgeklungen.

Zwei Jahre später jedoch hatte sich der Ausbruch erneut verstärkt. Die jetzt zehnmal stärkere Röntgenquelle wurde aber durch eine im Vergleich zu vorher bis zu hundertfach größere Menge an Gas sehr stark abgeschwächt. Die Beobachtung zeigte zusätzlich, dass das Gas sehr heiß sein musste, weil der üblicherweise enthaltene Staub verdampft war. Durch die Abschattung des Röntgenlichts konnten die Wissenschaftler die vorausgesagten Masseströme von der Scheibe auf den Stern direkt nachweisen.

Die neuen Erkenntnisse sind nicht nur bedeutend für das Verständnis der Entstehung neuer Sterne, sondern auch der Planeten in den Gas- und Staubscheiben. Da der Ausbruch über viele Jahre weiter andauern dürfte, haben die Wissenschaftler bereits wieder neue Beobachtungszeit für "XMM-Newton" beantragt.

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