Der Pass(a)t

VW Passat: Präzise Eleganz meets Hightech

Motor
22.10.2014 10:12
Unglaublich eigentlich: VW spricht beim neuen Passat von Charisma, Exklusivität und Dynamik – und das hat nichts mit Selbstüberschätzung zu tun! Ist VWs Oberklasse Phaeton vielen seit je her zu "volkswagig", überholt der VW Passat das Flaggschiff nun in wesentlichen Belangen mit eleganter Großzügigkeit und Präzision auf der ganzen Linie.
(Bild: kmm)

Natürlich ist der neue VW Passat nicht ernsthaft ein Konkurrent des in die Jahre gekommenen Phaeton (Nachfolger kommt nicht vor 2016), aber auf den Premiummitbewerb aus Bayern und dem Schwabenland haben sie ihn durchaus angesetzt – und das nicht zu Unrecht.

Allein am Design gibt es wohl mehr zu entdecken als bei allen sieben Vorgängergenerationen zusammen: Der endlos lange Chrom-Kühlergrill etwa geht nahtlos in die Scheinwerfer über, aus denen wiederum die seitliche Charakterlinie erwächst, die – unterbrochen durch das kräftige vordere Radhaus - bis in die Heckleuchten reicht. Okay er hat nicht den Sex eines Alfa Romeo aus besseren Zeiten, aber er verstört auch nicht wie etwa ein Bangle-BMW, ohne jedoch langweilig zu wirken. Seine kühle Anmut zeichnet den Passat aus. Einziger Design-Fauxpas: Die Auspuff-Blenden sind keine Blenden, sondern wie bei der C-Klasse Attrappen.

Was den VW Passat so besonders macht
Doch es sind auch und vor allem die sachlichen Argumente, die den neuen VW Passat zu einer echten Empfehlung machen: Bis zu 85 kg leichter ist er geworden (ab 1.312 kg ohne Fahrer), bietet viel mehr Platz, ohne zum Raumtransporter zu mutieren, spannt sich zwischen komfortabel und agil auf und bietet in Sachen Assistenten nicht nur bekannte High-End-Systeme, sondern auch echte Weltneuheiten – darunter eine, die schon lange fällig ist. Aber der Reihe nach.

Luxus durch gelebte Größe
Der Passat ist zugleich größer und kleiner, seine neuen Proportionen lassen den Wolfsburger viel sportlicher dastehen. Mit 4,767 m ist er 2 mm kürzer als früher, zudem gut einen Zentimeter breiter und anderthalb Zentimeter flacher. Dennoch bietet er mehr Kopffreiheit, auch auf der Rückbank. Die Platzverhältnisse im Innenraum sind überhaupt noch großzügiger als früher, nicht zuletzt weil die Fahrgastzelle 33 mm an Länge gewonnen hat. 586 Liter (plus 21 Liter) fasst der Kofferraum der Limousine ganze 650 (plus 47) bis 1.780 Liter der des Variant. Gewachsen ist vor allem auch der Radstand (um acht Zentimeter auf 2,79 m), was die Räder weiter in die Ecken rücken lässt und den hinteren Türausschnitt geradezu riesig macht – ein Luxus, auf den man in einem BMW oder Mercedes schlichtweg verzichten muss.

Zehn Vierzylinder-Motoren, darunter echte Kracher
Das Motorenangebot wird vier Diesel, fünf Benziner und einen Plug-in-Hybrid umfassen. Wenn der Passat im November zum Händler kommt, hat man zunächst die Wahl zwischen einem 1.4-TSI-Benziner mit 125 PS, einem 1.6 TDI mit 120 PS und zwei 2.0 TDI mit 150 PS und 240 PS (BiTurbo). Es folgen nach und nach weitere Versionen, etwa der 280-PS-TSI und kurz danach der Plug-in-Hybrid namens GTE im Sommer 2015, der von einem 156-PS-Benziner und einem 115-PS-Elektromotor angetrieben wird (50 km rein elektrische Reichweite).

Drei von zehn im Fahrtest
Zum Testen standen auf Sardinien drei Antriebsvarianten bereit: zwei 150-PS-Motoren – ein 1.4 TSI mit 250 Nm ab 1.500/min. und ein 2.0 TDI mit 340 Nm ab 1.750/min. – sowie der 240 PS starke Zweiliter-Topdiesel mit kraftvollen 500 Nm bei 1.750/min. Schon die beiden schwächeren Triebwerke gehen munter und durchzugsstark zur Sache und unterstützen die Leichtfüßigkeit des relativ leichten Passat. Selbst Drehzahlen knapp über 1.000/min. werden nicht mit Murren quittiert.

Der Charakter des vorläufigen Topmodells ist ein etwas anderer. Es ist serienmäßig mit adaptivem Fahrwerk und Allradantrieb ausgestattet und unter anderem deshalb mit 1.660 kg (Variant) bzw. 1.646 kg (Limousine) das "Schwergewicht" der Baureihe. Dadurch wirkt es gesetzter, noch erwachsener und solider, aber auch eine Spur weniger agil, macht das aber durch den urgewaltigen Motor wett – und den Allradantrieb, der den Passat sportlich aus engen Kurven herausschießen lässt. 6,1 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h sprechen für sich, wobei auch die beiden anderen Motoren mit unter neun Sekunden auch Freude aufkommen lassen.

Schmankerl an der Topversion: Sie kann Anhänger bis 2,2 Tonnen ziehen, 400 kg mehr als früher.

Präzision im Fahrverhalten
Die kommt generell schon allein durch das sehr präzise Fahrwerk samt der hervorragenden Lenkung auf. Die adaptiven Dämpfer bieten ein breites Spektrum vom komfortablen Gleiten bis zu angemessener Härte für die sportlichen Momente. Dabei erreicht der Passat zwar nicht das Sänftenhafte einer Mercedes-C-Klasse, dürfte, was die Dynamik betrifft, durchaus auch BMW-Fahrern ein anerkennendes Nicken entlocken. Vor allem die Progressivlenkung bietet ein richtig gutes Gefühl für die Straße, sodass man auch schnelle Kurven korrekturlos umrunden kann.

Volle Assistenten-Breitseite
VW schöpft beim neuen Passat in Sachen Assistenzsysteme aus dem Vollen. Natürlich ist ein Adaptiv-Tempomat samt automatischem Spurhalter zu haben, doch VW hat hier weiter gedacht: Normalerweise schaltet ein Spurhalteassistent einfach ab, wenn der Fahrer das Lenkrad einige Zeit loslässt. Doch was ist, wenn er bewusstlos geworden ist und es nicht mehr halten kann? Dann kracht das Fahrzeug ungebremst irgendwo dagegen. Nicht so der Passat mit Emergency Assist. Er versucht die Aufmerksamkeit des Fahrers zu erlangen, indem er am Gurt zupft, warnt den nachfolgenden Verkehr mit Warnblinkanlage und leichtem Schlangenlinienfahren und hält dann sachte an.

Eine weitere bemerkenswerte Neuheit ist der Trailer Assist, der das für Ungeübte so herausfordernde Rückwärtsrangieren mit einem Anhänger zum Kinderspiel macht. Der Fahrer muss nicht mehr umdenken, also über den Lenkeinschlag den Anhänger dirigieren, sondern steuert diesen direkt mit dem Außenspiegelverstellknopf, der dazu die Funktion eines Joysticks übernimmt. Das Auto lenkt dann selbsttätig so, wie es nötig ist.

Darüber hinaus kann der Passat auf Wunsch parallel ein- und ausparken sowie quer rückwärts und jetzt auch vorwärts einparken. Diese Funktion kann man auch aktivieren, wenn man es zuerst selbst probiert hat und plötzlich nicht mehr weiterweiß. Wenn man dabei das Signal zum Bremsen ignoriert, bleibt das Auto in aller Regel von selbst stehen – beim Test hat das nur einmal aus unerfindlichen Gründen nicht geklappt. Gut, dass es sich um ein harmloses Hindernis gehandelt hat.

Und der Passat hat so ziemlich alles im Blick, was es zu (über)sehen gibt: herannahende Autos beim Ausparken, auf die Straße laufende Fußgänger (in solchen Fällen bremst er selber) und unzählige Kameraperspektiven, die beinahe vermuten lassen, er greift auf die Bilder einer Kameradrohne oder Satellitenbilder zurück. Allerdings ist die Darstellung bei aller Schärfe so klein, dass man nicht alles erkennt, was angezeigt wird.

Eleganter Innenraum, starkes Infotainment
Bei den Materialien muss sich der VW Passat sogar in einem Premiumumfeld nicht verstecken, wo gerne mal recht harter Kunststoff oder größere Klavierlackflächen, die durch ihre Empfindlichkeit gegenüber Kratzern und Fingertappern nerven, verbaut werden. Die über die ganze Breite reichenden Lüftungsausströmer lassen den Innenraum noch breiter wirken, als er ist, und holen praktisch den Kühlergrill auf die Konsole.

Ein Highlight ist das aufpreispflichtige Activ Info Display (ähnlich dem aus dem Audi TT), das z.B. die Navikarte großflächig hinter dem Lenkrad anzeigen kann und dazu Tacho und Drehzahlmesser verkleinert (sind aber immer noch groß genug).

Was die derzeit so aktuelle Konnektivität angeht, ist der VW auf einem sehr guten Weg, der ihn allerdings erst Mitte 2015 ans Ziel führt – nämlich dann, wenn die Tinte unter den Verträgen mit Apple trocken ist. Im Moment wird noch darum gefeilscht, wie viel Volkswagen springen lassen muss, um sich ans Appleversum anzuhängen und iPhones auf das Auto-Display zu spiegeln. Einstweilen gibt es eine Handvoll VW-eigene Apps, die sich – auf einem Android-Smartphone installiert – über das Passat-Display bedienen lassen.

Der erfolgreichste VW in seiner achten Generation
Der VW Passat war zuletzt das erfolgreichste Auto im VW-Konzern, fast 22 Millionen wurden seit seiner Markteinführung 1973 inklusive seiner Derivate gebaut – und er bleibt erste Wahl für Flotten, Geschäftsleute und Familien. Darüber hinaus könnte er auch als echtes Business-Class-Fahrzeug Karriere machen – schließlich gibt es sogar Vierstern-Hotels, die nur deshalb keinen fünften Stern haben wollen, weil das bei Budgetverantwortlichen zu luxuriös wirkt.

Zu haben ist er in Österreich als Variant ab 30.910 Euro (die Limousine kostet 1.670 Euro weniger), da ist z.B. schon der schlüssellose Motorstart dabei. Die Bandbreite ist allerdings groß: Das Topmodell mit 240-PS-BiTurbo-Diesel und Siebengang-DSG wird nur in der besten der drei Ausstattungsvarianten (Highline) angeboten und kostet mindestens 53.130 Euro – wobei sich hier immer noch eine Menge in der Aufpreisliste ankreuzen lässt. Geschmackssicherheit muss man hingegen nicht extra mitbestellen – die ist serienmäßig dabei.

Und der Phaeton? Welkt langsam vor sich hin. Sein Glück, dass der Passat weder Sechs- noch Achtzylinder bekommt.

Warum?

  • Rundum gelungenes Mittelklassefahrzeug
  • Großzügige Platzverhältnisse
  • Präzises, gefühlsechtes Fahrverhalten

Warum nicht?

Wenn das Image Premium braucht

Oder vielleicht ...

... Ford Mondeo, Opel Insignia, Hyundai i40, aber auch Audi A4, 3er-BMW und Mercedes C-Klasse

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(Bild: kmm)



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