"Habe Tat verdrängt"

“Tante Anni” für Drogen getötet: 18 Jahre Haft

Österreich
08.10.2014 18:45
Wegen Raubmordes ist ein 37 Jahre alter Mann am Mittwoch in Wien zu 18 Jahren Haft verurteilt worden. Der Angeklagte hatte im Dezember des Vorjahres seine Nachbarin, die 59-jährige Annemarie H., in deren Wohnung im Bezirk Meidling erstochen, nachdem sich die Frau geweigert hatte, ihm – wie bereits öfter zuvor – Geld für seine Drogensucht zu leihen. Der Angeklagte bekannte sich des Raubes schuldig, bestritt aber die Tötungsabsicht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Witwe war in dem Wohnhaus sehr beliebt und wurde von einigen Mietern "Tante Anni" gerufen. Auch der Angeklagte nannte sie bei diesem Namen. Der 37-Jährige, der nie einen Beruf erlernt hat und eigenen Angaben zufolge seit seinem 13. Lebensjahr drogenabhängig ist, hatte sich von der Pensionistin immer wieder finanziell aushelfen lassen. Auch am Abend des 4. Dezember habe er bei ihr an die Türe geklopft: "Ich hatte Entzugserscheinungen. Sie machte die Tür auf und bat mich rein. Weil ich solche Schweißausbrüche hatte, hat sie mir ein Glas Wasser gegeben."

"Wollte sie ein bissl pieksen, nicht umbringen"
Seine Bitte um 50 Euro habe sie allerdings abgeschlagen: "Sie hat 'Nein, ich hab' kein Geld' gesagt. Ich hab' gesagt 'Bitte, Tante Anni, nur zehn, 20 Euro'." Die Frau sei jedoch bei ihrem Nein geblieben: "Da hab' ich das Messer in der Küche gesehen. Ich weiß nicht, wie ich auf die Idee gekommen bin. Ich wollte sie ein bisschen verletzen und schauen, ob sie wirklich kein Geld hat."

Der 37-Jährige stach der Frau das Messer von oben in den Körper. Die Klinge eröffnete einen 15 Zentimeter langen Stichkanal und beschädigte Herz und Lunge. Er habe sie "ein bissl pieksen, nicht umbringen" wollen, insistierte der Angeklagte. Annemarie H. habe ihn nach dem Messerstich "schockiert" angeschaut: "Als ich gegangen bin, ist sie noch gestanden. Ich dachte, sie wird weiterleben."

"Habe die Tat verdrängt"
Mit dem Messer, der Brieftasche und dem Handy der Sterbenden verließ der Mann die Wohnung. In der Börse hätten sich "nur ein paar Münzen" befunden, weshalb der Angeklagte mit dem Handy zur als Drogenumschlagplatz bekannten U-Bahn-Station Gumpendorfer Straße marschierte und es für elf Euro an den Mann brachte. Davon habe er sich "einen Schuss gekauft", sagte der 37-Jährige. Am nächsten Tag habe er bei "Tante Anni" geklopft, "um mich zu entschuldigen". Sie habe nicht aufgemacht. Er habe "die Tat verdrängt. Ich wollte nicht wahrhaben, dass ich zu so etwas fähig bin."

Am Abend des 5. Dezember entdeckte dann die Tochter die Leiche ihrer Mutter. Die beiden hatten ein ausgesprochen enges Verhältnis und telefonierten täglich. Als sie die 59-Jährige zwei Tage hintereinander telefonisch nicht erreichen konnte, schrillten die Alarmglocken, weshalb sie sich von ihrem Lebensgefährten zur Wohnung fahren ließ. Dort stieß sie dann auf die Tote.

Da der Angeklagte in der Wohnung Fingerabdrücke und an dem Glas DNA-Spuren hinterlassen hatte, konnte er nach kurzer Zeit als Mordverdächtiger von der Polizei festgenommen werden.

Lebensgefährte: "Die Mutter war ihr Ein und Alles"
Im Zeugenstand machte die 40 Jahre alte Tochter einen gebrochenen Eindruck. Ihre Mutter habe eine Invaliditätspension von 460 Euro monatlich bezogen und teilweise Schmuck versetzt, "um über die Runden zu kommen". Sie könne sich daher nicht vorstellen, dass die 59-Jährige einem Nachbarn regelmäßig mit Geld aushalf. Sie habe auch nie davon erzählt. Die Tochter ging außerdem davon aus, dass sich zum Todeszeitpunkt zumindest noch 150 Euro im Besitz ihrer Mutter befanden, da sich diese erst kurz zuvor bei ihrer Bank Geld besorgt hatte.

Auf die Frage, wie es seiner Freundin zehn Monate nach der Bluttat psychisch gehe, erwiderte der Lebensgefährte der 40-Jährigen vor Gericht: "Sie ist zweimal die Woche in Behandlung. Verkraftet hat sie es bis heute nicht. Die Mutter war ihr Ein und Alles."

Der 37-Jährige wurde schließlich zu 18 Jahren Haft verurteilt. Der Angeklagte nahm das Urteil sofort an, die Staatsanwaltschaft gab vorerst keine Erklärung ab.

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