"Krone"-Interview

Klug: “Wehtun ist keine politische Kategorie”

Österreich
04.10.2014 16:30
Brutales Sparpaket, katastrophales Image, und dann auch noch defekte Eurofighter: Verteidigungsminister Gerald Klug spricht mit Conny Bischofberger über die schwierigste Woche seines Lebens.

Es waren Schicksalstage für das österreichische Bundesheer. Erst wurde bekannt, dass die milliardenteuren Eurofighter schwere Mängel haben, dann gab es zu allem Unglück auch noch eine Notlandung am Innsbrucker Flughafen. Am Freitag präsentierte der Verteidigungsminister sein "Reformkonzept", das in Wahrheit ein brutales Sparpaket ist - Schließung von Kasernen und Streichung von Militärkapellen inklusive (siehe Infobox).

Am Samstag, zwischen dem Treffen mit der Eurofighter-Taskforce und dem Ö1-"Journal zu Gast", nimmt Gerald Klug sich trotzdem eine Stunde Zeit für das "Krone"-Interview. Er wirkt ernster als sonst, aber genauso aufgeräumt. Nur zweimal hellt sich seine Miene auf: als er mit einem Spruch unseres "Herrn Nimmerwurscht" über das Heer konfrontiert wird und aus sehr privaten Gründen. Der Steirer wird in wenigen Wochen das erste Mal Vater...

Hier gibt es Audio-Ausschnitte vom Interview mit Gerald Klug: über den "Luxus des Schmunzelns", über das Vater-Werden, über eine mögliche Väterkarenz.

"Krone": Herr Minister, hat es in Ihrem Leben eine Woche gegeben, die anstrengender war als die vergangene?
Gerald Klug: Während meines Jus-Studiums hat es auch sehr intensive Wochen gegeben, aber ich muss sagen, so intensiv wie die letzte war noch keine. Der Tag hat vor sechs Uhr früh begonnen und die letzten Telefonate hab' ich auch noch nach 22 Uhr geführt. Dabei ist mir der Generalstabschef, und dafür bin ich sehr dankbar, 24 Stunden zur Seite gestanden. Wenn ein Politiker sagt, er schafft so eine Situation alleine, dann lügt er.

"Krone": Was war der schwierigste Moment?
Klug: Ein Konzept präsentieren zu müssen, das für 20.000 Beschäftigte - niemand ist von den Folgen ausgenommen! - sehr schmerzhaft ist. Aber gleichzeitig mit dem Wissen, dass die Neuaufstellung inhaltlich richtig ist. Das ist eine besonders belastende Situation.

"Krone": "Der überforderte Herr Klug" hat eine Zeitung geschrieben. Hat Ihnen das wehgetan?
Klug: Ich habe sowas das erste Mal gelesen. Man hält einmal inne und überlegt sich, was die Fakten sind. Ich bin zum Ergebnis gekommen, dass wir uns gut auf die notwendigen Veränderungen vorbereitet haben. Wehtun ist keine politische Kategorie. Es sind Maßnahmen umzusetzen, auch wenn der Weg schwer ist.

"Krone": Geht Ihnen das alles nahe?
Klug: Selbstverständlich! Man muss sich ja vor Augen führen, dass hinter jeder Maßnahme Menschen stehen, die davon betroffen sind. Das ist eine immense Verantwortung.

"Krone": Also haben Sie sich nie gedacht: Jetzt reicht es, ich trete zurück?
Klug: Das war, ganz ehrlich, überhaupt kein Thema. In keiner Sekunde. Gerade wenn die Zeiten schwer sind, geht der Kapitän nicht von Bord.

"Krone": Fühlen sich die Menschen nicht betrogen? Erst sagt man ihnen, sie sollen für die Wehrpflicht stimmen, und dann wird das Heer kaputtgespart.
Klug: Die Bevölkerung hat sich zu 60 Prozent dafür entschieden, und deshalb ist für mich der Auftrag, obwohl meine Partei damals für das Berufsheer war, das umzusetzen. Was mir Kopfzerbrechen bereitet: Das Ansehen des Heeres leidet bei so schmerzlichen Maßnahmen natürlich. Zu Unrecht: Denn unsere Soldatinnen und Soldaten (Klug sagt nicht "Soldatna") machen täglich einen tollen Job.

"Krone": Wäre das Berufsheer aus heutiger Sicht nicht klüger gewesen?
Klug: Die Frage stellt sich nicht. Aber eines ist klar: An der Reform hätte kein Weg vorbeigeführt. Die Frage, wie die Armee ihre staatspolitischen und verfassungsrechtlichen Aufgaben wahrnimmt, hätte sich auch in einem anderen System gestellt.

"Krone": Unser "Herr Nimmerwurscht" hat am Samstag geschrieben: "Vier Giraffen übersiedeln von Schönbrunn in die Maria-Theresien-Kaserne. Gibt es beim Bundesheer nicht schon genügend hohe Tiere?" Finden Sie das lustig?
Klug: Also wenn ich mir in dieser Zeit den Luxus von zehn Sekunden Schmunzeln erlauben kann, dann gönne ich mir den. Der militärische Dienstbetrieb ist jedenfalls durch die Giraffen in keiner Weise eingeschränkt (lacht).Was die hohen Tiere betrifft, so ist eine Dienstgradreform Teil meines Reformkonzeptes.

"Krone": Das Bundesheer hat ja bald mehr Generäle und Offiziere als Soldaten. Wäre ein neues Dienstrecht nicht ein Gebot der Stunde gewesen?
Klug: Wir sind in einem ganz eindeutig nicht mehr zeitgemäßen Dienstrecht verkeilt, das dazu führt, dass die Personalkosten in unserer Armee sehr hoch sind. Mit unserer Dienstgradreform wird sich die Anzahl der Generäle aber erheblich reduzieren. Wichtig ist, dass sich die Bevölkerung weiterhin auf Schutz und Hilfe durch ihre Armee verlassen kann.

"Krone": Stimmt der Eindruck, dass die ÖVP Sie ein bisschen anrennen lässt?
Klug: Den Eindruck habe ich nicht. Ich habe mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in zwei sehr guten Gesprächen die Struktur besprochen - auch mit allen Landeshauptleuten. Da war einhelliges Verständnis für die finanziell angespannte Lage. Dem Bundesheer wurden zwei Milliarden Euro entzogen! Weil sich Kollege Wilfried Haslauer da stark geäußert hat: Er weiß natürlich auch, dass das Bundesheer keinen regionalpolitischen Auftrag hat. Der wesentliche Auftrag ist die Sicherheit der Bevölkerung.

"Krone": Unsere neue Kolumnistin Frieda Nagl schreibt: "Statt die Menschen auf dem Land, wo die Kasernen stehen, zu strafen, sollten sie die Flieger zurückgeben, und zwar rasch"...
Klug: Ich muss bei Frau Nagl um Verständnis werben: So einfach kann ich es mir leider nicht machen. Die SPÖ hatte ja nie eine Freude mit den Eurofightern. Sie wurden in der Ära Schüssel-Grasser angekauft. Aber jetzt sind die Jets da und sie sind Teil der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Luftraumüberwachung.

"Krone": Aber sie funktionieren ja nicht einmal.
Klug: Das ist stark übertrieben. Hier handelt es sich, davon gehen wir zur Stunde aus, um kleinere Mängel, die erst in 15 Jahren schlagend werden könnten. Ich bekomme demnächst einen Zwischenbericht der Luftstreitkräfte und Techniker, dann wissen wir mehr. Sollte uns das Vertragsrecht Möglichkeiten bieten, dann kann Frau Nagl aber sicher sein, dass ich das Beste für die Steuerzahler herausholen werde.

"Krone": Herr Minister, Sie werden demnächst Vater. Werden Sie da das Bundesheer Bundesheer sein lassen und für einige Zeit untertauchen?
Klug: Ich möchte das Privatleben eigentlich privat halten, aber ich weiß, dass ich mich da nicht zu 100 Prozent verweigern kann... Ich freue mich natürlich schon sehr darauf. Unser Kind wird in einigen Wochen auf die Welt kommen, wahrscheinlich rund um den Nationalfeiertag. Natürlich werde ich mich bemühen, in dieser Zeit besonders für meine Lebensgefährtin und für mein Kind da sein zu können. Aber es dürfte kein Geheimnis sein, dass der Spagat zwischen Spitzenpolitik und Familienleben schwierig ist.

"Krone": Sie könnten der erste Minister sein, der in Väterkarenz geht...
Klug:(denkt nach) Das ist leichter gesagt als es letztlich umsetzbar ist - unabhängig von der Frage, ob es rechtlich überhaupt möglich wäre. Die Verfassung sieht ja keine Minister-Stellvertretung vor.

"Krone": Haben Sie eigentlich einmal daran gedacht, sich einen von den Pinzgauern zuzulegen, die das Heer jetzt verkauft, als Erinnerung an Ihre Zeit ar auf 100 Kilometer! Und das Gerät ist überaltert.

"Krone": Schrott?
Klug: Der Pinzgauer ist genauso wenig Schrott wie der Eurofighter... Also ich nehme viele schöne Erinnerungen an eine herausfordernde Zeit mit, wenn es einmal soweit ist. Da bedarf es keines Pinzgauers. Aber ganz offen gesagt, wird das wohl noch eine lange Zeit dauern. Denn ich bin ja gerade erst angekommen.

Minister Zackig
Geboren am 13. November 1968 in Graz. Lehre als Dreher, Präsenzdienst, Jus-Studium im zweiten Bildungsweg. Ab 1990 Sekretär bei der Gewerkschaft, seit 1995 AK-Kammerrat. 2005 wechselt Klug in den Bundesrat. Am 11. März 2013 folgt er Norbert Darabos als Verteidigungsminister (drahtig, zackig, schnell entschlossen) nach. Ende Oktober erwartet der Steirer mit einer Journalistin sein erstes Kind.

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