"Leichen-Management"

Ebola: Einsatz zwischen Toten und Kranken

Ausland
09.09.2014 16:48
Fatimah Jakemah war hochschwanger, als sie an Ebola starb. Jetzt ziehen Mitarbeiter des Roten Kreuzes in Schutzanzügen den Reißverschluss ihres Leichensacks zu, desinfizieren ihr Haus und ziehen weiter zum nächsten Opfer der Epidemie, die in Westafrika bereits mehr als 2.000 Menschen tötete - die Hälfte davon in Liberia. Auch die EU hilft nun im Kampf gegen die Krankheit mit fünf Millionen Euro.

In Banjor, einem Vorort der liberianischen Hauptstadt Monrovia, gehen die Rot-Kreuz-Helfer von Tür zu Tür und sammeln die Leichen von Ebola-Opfern ein. Fatimah Jakemah war allein, als sie starb. "Sie war 20 Jahre alt und das erste Mal schwanger", sagt Gaimu Paul, ein Nachbar. "Als sie krank wurde, sind die Nachbarn weggelaufen." Die junge Frau habe tagelang um Hilfe gerufen, bis ihre Schreie verstummt seien. "Sie verlangte nach Trinken und Essen, aber wir hatten Angst, uns ihr zu nähern. Wer sich einem Kranken nähert, um ihm zu helfen, wird von der Gemeinschaft verstoßen."

"Vor Anruf prüfen, ob der Mensch tatsächlich tot ist"
Eigentlich sollte das Team unter der Leitung von Kiyea Friday in Banjor nur zwei Ebola-Tote bergen. Doch unausweichlich werden die Helfer mit dem gesamten Ausmaß der Epidemie konfrontiert. Kaum haben sie Fatimah fortgeschafft, führt Ortsvorsteher John Yarngroble sie zu einer anderen Hütte.

Ein etwa 40-jähriger Mann, Fatoma Amadu, liegt davor und atmet schwer - auch er ist krank. Zwei Helfer in Ganzkörperanzügen gehen in die Hütte, weil sie glauben, dort eine verstorbene alte Frau vorzufinden. Doch die Frau lebt. Die Helfer treten vor die Hütte und beschweren sich über den falschen Alarm: "Wir sind hier, um Leichen zu bergen. Bevor Sie uns rufen, prüfen Sie, ob der Mensch tatsächlich tot ist. Um die Kranken kümmern sich andere", kanzelt Teamchef Friday den Ortsversteher ab. "Ja, mein Herr. Wir werden uns wieder melden, wenn sie tot sind. Danke, dass Sie gekommen sind", antwortet Yarngroble höflich, während ihm Tränen über die Wangen rinnen.

Mission "Leichen-Management"
Das Elend vor Augen greift Teamchef Friday zu seinem Mobiltelefon. "Ich habe hier zwei todkranke Menschen", sagt er ruhig, aber mit Nachdruck. "Können Sie einen Krankenwagen schicken? Ich brauche außerdem sechs weitere Leichensäcke. Es gibt so viele Tote. Ich fühle mich schlecht. Die Zahl der Opfer ist zu hoch."

Laut Friday bergen die Teams des Roten Kreuzes täglich 30 bis 50 Ebola-Tote. Die Missionen werden "Leichen-Management" genannt - eine Untertreibung, denn die Helfer betreiben zugleich Aufklärung und Prävention. Die schnelle und hygienische Bergung der Leichen ist entscheidend dafür, weitere Ansteckungen der Ebola-Epidemie zu verhindern. Gerade unmittelbar nach ihrem Tod sind Ebola-Opfer besonders ansteckend. Die Waschung des Leichnams, wie sie in den traditionellen Beerdigungszeremonien üblich ist, ist in den Ebola-Gebieten verboten.

Kontakt mit Kranken endet meist tödlich
In einem Haus bergen Friday und seine Leute die Leichen eines Mannes und seines Sohnes. Der Vater habe jüngst eines seiner Kinder, das in einer anderen Stadt lebt, an Ebola verloren, sagt ein Freund der Familie, Mohamed Barbar. Als Muslim sei der Vater dort zur Waschung des Leichnams hingefahren. Nach seiner Rückkehr seien weitere Familienmitglieder an Ebola erkrankt, fünf seien gestorben. Barbar stellt zwei Söhne des verstorbenen Mannes vor, einer ist acht Jahre alt, der andere 20. "Sie waren im Kontakt mit den Kranken", sagt er.

Friday fordert die Söhne auf, sich einem Ebola-Test zu unterziehen, doch die beiden hören kaum hin. Der Rot-Kreuz-Helfer schüttelt den Kopf und flüstert: "Sie sehen auch sehr krank aus. Sie brauchen Hilfe." Als die beiden die Leichensäcke erblicken, in denen ihr Bruder und ihr Vater fortgetragen werden, brechen sie in Tränen aus.

Fünf Millionen Euro von der EU für den Kampf gegen Ebola
Die EU unterstützt die Afrikanische Union (AU) in ihrem Kampf gegen Ebola mit fünf Millionen Euro. Das Geld soll einer neuen AU-Mission zur Eindämmung der Epidemie zugutekommen, wie die EU-Kommission am Dienstag in Brüssel mitteilte. Zwei Millionen Euro davon gehörten zu einem schon vergangene Woche angekündigten Paket von Hilfszahlungen für Afrika.

Die Mission mit der Abkürzung ASEOWA soll mindestens hundert Mitarbeiter stark sein, ihr Hauptquartier in Liberia aufschlagen und sechs Monate dauern, teilte die Kommission mit. ASEOWA setze neben medizinischer Hilfe unter anderem auf die Beratung lokaler Behörden beim Kampf gegen die Seuche.

Insgesamt hat die EU nach eigenen Angaben seit Beginn der Krise den betroffenen Länder mit knapp 150 Millionen Euro sowie mit Experten geholfen.

Lage verschlimmert sich weiter
Derweil wird die Lage aus Sicht der EU immer dramatischer. "Die Krise verschlimmert sich weiter, mit Ebola-Fällen auch an Orten, wo sie vorher unter Kontrolle gebracht worden war", warnte die zuständige EU-Kommissarin Kristalina Georgieva.

Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation wird in den kommenden drei Wochen alleine in Liberia mit Tausenden neuen Ebola-Fällen zu rechnen sein. Die Zahl der Infizierten steige "exponentiell" an, warnte die WHO am Montag in Genf und forderte eine deutliche Aufstockung der Hilfen.

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