"GamerGate"

Sexismus in Spielen: Jetzt schlagen Frauen zurück

Spiele
08.09.2014 16:25
Starke, selbstbewusste Frauen, die mehr sind als bloß optischer Aufputz - das gibt es in Computer- und Videospielen nur selten. Daran stößt sich zunehmend eine immer größere Käuferschicht, nämlich die der Frauen. Sie kritisieren offen den vorherrschenden Sexismus in Spielen - und werden dafür oft heftigst angefeindet und bedroht. Inzwischen haben sogar Hunderte Entwicklerinnen und Entwickler in einem offenen Brief zu mehr Respekt in der Gamer-Gemeinschaft aufgerufen, um Mobbing mit Vergewaltigungs- und Morddrohungen entgegenzutreten.

Computer- und Videospiele waren in den Anfangstagen eine eher männliche Angelegenheit. Die Entwickler waren männlich, das Publikum auch und die Fachpresse, die darüber berichtete, ebenso. Dementsprechend testosterondurchtränkt waren die Inhalte: Echte Kerle mit großen Muskeln und noch größeren Schießprügeln zogen darin nicht selten blutrünstig mordend los, um die holde und vor allem wehrlose Maid aus den Fängen ihrer Peiniger zu befreien. Der Erfolg ganzer Serien beruhte und beruht zum Teil noch immer auf diesem Konzept. Bestes, wenn auch deutlich weniger brutales Beispiel: Nintendos "Super Mario"-Reihe, in der sich Prinzessin Peach, erkennbar am rosa Kleidchen und dem funkelnden Krönchen im blonden Haar, immer wieder aufs Neue entführen und retten lässt.

Frauen als Gamer
Doch inzwischen sind Spiele, bedingt durch Online-Blockbuster wie "World of Warcraft" und den Boom von Browser-Games und sogenannten Casual Games auf Smartphones und Tablets, längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und somit auch bei den Frauen, die sich liebend gern diesem Zeitvertreib widmen. Doch die Freude ist getrübt. Denn obwohl laut einer anlässlich der Gamescom im August veröffentlichten Studie des Branchenverbandes Bitkom mittlerweile jedes Mädchen zwischen zehn und 18 Jahren täglich durchschnittlich 82 Minuten lang spielt (Burschen: 122 Minuten) und der Anteil der spielenden Frauen insgesamt von 30 Prozent im Jahr 2013 auf zuletzt 39 Prozent zulegen konnte, bedienen Games nach wie vor viel zu oft ausschließlich männliche Klischees - sehr zum Missfallen vieler Frauen.

Starke, selbstbewusste Heldinnen wie Lara Croft aus "Tomb Raider" haben nämlich nach wie vor Seltenheitswert. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Frauen wie die US-Bloggerin Anita Sarkeesian dagegen anschreiben. In ihrer Videoserie "Tropes vs. Women in Video Games" (etwa: "Klischees vs. Frauen in Videospielen") kritisiert sie den in Computer- und Videospielen öffentlich zur Schau gestellten Sexismus (siehe Video oben). Frauen seien oft nicht mehr als "leere Hüllen" oder "Hintergrunddekoration", bemängelt sie – und wurde dafür selbst zur Zielscheibe sexistischer Angriffe.

Sexobjekte trotz Vergewaltigung und Mord
Besonders Sarkeesians letztes Video (oben ansehen) sorgte für gewaltigen Wirbel. Darin zeichnet sie deutlich anhand zahlreicher aktueller Beispiele - etwa "WatchDogs", "Red Dead Redemption", "Far Cry 3", Serien wie "Witcher", "Bioshock" "GTA" und "Assassin's Creed", und vielen Games mehr - nach, wie virtuelle Frauen dargestellt werden: Viel zu oft werden sie fast oder tatsächlich vergewaltigt, Gewalt gegen Frauen ist normal und wird womöglich sogar noch als witzig dargestellt, sie sind wehrlose Opfer und müssen - wenn das überhaupt möglich ist - von Männern gerettet werden.

Doch in vielen Fällen kann der Gamer auch einfach nur zusehen, wie eine Frau verprügelt und sogar ermordet wird - und das nicht nur einmal in einem Spiel, sondern Dutzende Male, etwa in "Red Dead Redemption" oder "WatchDogs". (Beinahe-)Vergewaltigung und Mord dienen lediglich als belanglose Handlungen, um einem Bösewicht hinterher zu jagen. Die Auswirkungen auf die Opfer werden - außer einem toten Körper - weder gezeigt noch hinterfragt. Selbst brutalst ermordete, blutüberströmte Frauen, in denen noch eine Machete oder Kugel steckt, werden sexualisiert dargestellt, mit nackten Brüsten und hochgeschobenen kurzen Röcken. Zwar werden auch Männer virtuell getötet, doch nie hat das irgendeinen Bezug zu Sexualität, wie Sarkeesian deutlich darlegt. Nur Frauen dienen als Sexobjekt - auch wenn sie gerade virtuell verprügelt, vergewaltigt oder ermordet wurden.

Online-Mobber: "Werde dich zu Tode vergewaltigen"
Diese Wahrheit über ihre Lieblingsbeschäftigng wollen einige Gamer offensichtlich nicht wahrhaben oder sich damit auseinandersetzen. Nachdem sie bereits in einem (inzwischen verbotenen) Spiel namens "Beat Up Anita Sarkeesian" virtuell verprügelt worden war, erhielt die US-Bloggerin sogar Morddrohungen, die sie auf Twitter veröffentlichte: "Ich werde in deine Wohnung kommen und dich zu Tode vergewaltigen", hieß es dort unter anderem. Sarkeesian sah sich daraufhin veranlasst, ihr Haus zu verlassen. Die Drohungen und Belästigungen dauerten jedoch an und beträfen längst nicht nur mehr sie selbst, sondern auch ihre Familie.

Und das alles nur, weil sich ein paar Gamer offensichtlich in ihrem männlichen Stolz verletzt fühlen. Die Angreifer sähen sich meist "als Opfer einer feministischen Verschwörung, die ihnen den Spaß an Computerspielen nehmen will", beschreibt "Der Spiegel" das Problem, das mittlerweile die gesamte Branche erfasst hat. Von einem "GamerGate" ist in sozialen Netzwerken sogar schon die Rede.

Entwickler fordern in offenem Brief Respekt
Immerhin: Ein Anfang ist gemacht, die öffentliche Debatte am Laufen – auch, weil sich in einem offenen Brief an die Gaming-Community Hunderte Entwickler und Entwicklerinnen kleinerer und größerer Studios zwar nicht unbedingt für eine Gleichberechtigung der Frau in Spielen, so doch aber zumindest für einen respektvollen Umgang untereinander stark gemacht haben.

"Wir glauben, dass jeder Mensch unabhängig von seinem Geschlecht, der sexuellen Orientierung, Ethnie oder Religion das Recht hat, Spiele zu spielen, zu kritisieren und zu entwickeln, ohne dafür belästigt oder bedroht zu werden. Es ist die Vielfalt unserer Gemeinschaft, die Spiele gedeihen lässt", heißt es darin. Wer Zeuge von Belästigungen und Bedrohungen im Internet werde, solle diese melden und öffentlich dagegen einstehen, um die Gaming-Community "zu einem angenehmeren Ort zu machen".

Aufgabe der Publisher und Entwickler wird es nun jedoch sein, den Worten auch Taten folgen zu lassen und die Frau im Spiel nicht länger nur als hübsches Beiwerk zu begreifen, sondern als elementaren Bestandteil. Dass das auch bei Männern durchaus ankommen und erfolgreich sein kann, haben Heldinnen wie Lara Croft, Ellie ("The Last of Us"), Jodie ("Beyond: Two Souls") oder Elizabeth ("BioShock Infinite") bereits bewiesen.

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