Bitte um Verzeihung

Scolari: “Schlimmste Niederlage aller Zeiten”

Sport
09.07.2014 10:00
In seiner bittersten Stunde hatte Luiz Felipe Scolari rote und feuchte Augen, aber Brasiliens Teamchef wahrte die Fassung - und zeigte Größe. "Das ist die schlimmste Niederlage aller Zeiten. Das Ergebnis fällt auf mich zurück, ich bin der Verantwortliche", betonte der 65-Jährige nach dem 1:7-Halbfinal-Desaster des WM-Gastgebers in Belo Horizonte gegen Deutschland. Gleichzeitig bat Scolari seine Landsleute um Verzeihung: "Dem brasilianischen Volk möchte ich sagen: Bitte entschuldigt diese Niederlage!"

Selten hat der Herr mit dem grauen Schnauzer und der blauen Trainingsjacke so verloren ausgesehen am Spielfeldrand wie am Dienstagabend im Estadio Mineirao, als seine Mannschaft ins historische Debakel schlitterte.

Scolari wurde nach dem Abpfiff von deutschen Spielern wie Bastian Schweinsteiger getröstet, und schon in diesem Moment wusste "Felipao", der "große Felipe", genau, was die Brasilianer künftig mit seinem Namen verbinden würden. Den WM-Triumph von 2002, natürlich, aber jetzt erst einmal für viele Jahre das "Mineirazo" von Belo Horizonte, das neben dem "Maracanazo" in die Historie des fußballverrücktesten Landes der Welt eingehen wird.

Schock über "schlimmste Niederlage aller Zeiten"
Vergleichbar mit dieser Pleite wird nur die WM 1950 sein, als Brasilien mit dem 1:2 gegen Uruguay in der letzten Partie zu Hause den Titel verspielte. "Vielleicht wird es in die Geschichte eingehen, dass ich die schlimmste Niederlage für Brasilien zu verantworten habe", erklärte Scolari. "Es war eine fürchterliche, eine katastrophale Niederlage, die schlimmste Niederlage aller Zeiten. Aber wir müssen lernen, damit umzugehen."

Die Superlative für das Desaster lieferte der Chefcoach selbst, wohlwissend, dass in den nächsten Tagen einiges auf ihn und sein Team einprasseln wird. Eine große Erklärung suchte er erst gar nicht. Nach dem frühen 0:1 und dann vier Toren in sieben Minuten - "da hatten wir die Kontrolle verloren". Welche Rolle es gespielt habe, dass Neymar fehlte? Scolari schüttelte den Kopf. "Es gibt nicht irgendeinen Grund zu glauben, dass mit Neymar alles anders gewesen wäre. Der ist Stürmer, der ist nicht hinten."

Statt 200 Millionen Brasilianern den Traum vom sechsten WM-Titel, vom "Hexacampeao", zu erfüllen, geriet der Abend zu einem einzigen Albtraum für den WM-Gastgeber. "Wenn ich zurückblicke auf mein Leben als Fußballspieler, als Trainer und als Sportlehrer, dann war das der schlimmste Tag meines Lebens."

So bleibt Vittorio Pozzo, der 1934 und 1938 mit Italien triumphierte, weiter der einzige Chefcoach, der zweimal mit einer Mannschaft Weltmeister wurde. Eineinhalb Jahre hatte Scolari standhaft und humorvoll die enormen Erwartungen Brasiliens für die Heim-WM getragen, einmal sogar im Scherz gesagt: "Wer war der letzte Trainer, der mit Brasilien die Weltmeisterschaft gewonnen hat? Ich. Wenn ich die WM diesmal nicht gewinne, dann werde das noch immer ich sein."

Scolaris Mission ist beendet
Auch wenn Brasilien am Samstag in Brasilia noch um den dritten Platz spielt: Scolaris Mission ist beendet. Sein Vertrag läuft - wie es beim brasilianischen Fußball-Verband mittlerweile üblich ist - nach dem Endrundenturnier aus. Carlos Alberto Parreira, Weltmeistermacher von 1994, Technischer Direktor und Scolaris enger Vertrauter, glaubt nicht, dass dieser danach wieder ein Traineramt übernimmt. Er werde sich künftig wohl seiner Familie widmen. Scolaris Schwiegertochter erwartet den ersten Enkel für "Felipao". Zu seiner Zukunft äußerte sich Scolari nicht. "Das Leben geht weiter, auch mein Leben geht weiter", meinte er.

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(Bild: KMM)



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