U-Ausschuss in D

Ex-NSA-Mitarbeiter: Überwachung ist total

Web
04.07.2014 06:09
Der US-Geheimdienst NSA sammelt laut Insider-Aussagen weltweit alle verfügbaren Daten zu Kontrollzwecken - und späht nach neuen Berichten weitere Deutsche aus. "Leider ist dieses Überwachungsregime zu einem System gewachsen, das die Welt abwürgt", sagte Ex-NSA-Mitarbeiter Thomas Drake bei der ersten Zeugenbefragung des NSA-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag.

Die US-Regierung übe eine ultimative Form der Kontrolle aus, sagte Drake in aufrüttelnden Worten am Donnerstagabend in Berlin. Quasi alle Daten, die Deutschland durchqueren, würden durch die National Security Agency und den Bundesnachrichtendienst aufgegriffen - oder auch von der NSA allein. "Das Schweigen des BND ist schrecklich, die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, was die NSA macht", sagte Drake. Die Internetsicherheit weltweit werde geschwächt, das Privatleben werde immer mehr zum Eigentum des Staates. "Jetzt kommen wir bald zu einem echten Überwachungsstaat in den Vereinigten Staaten."

"Das ist wirklich ein totalitärer Ansatz"
Zuvor hatte der frühere NSA-Mitarbeiter William Binney über fünf Stunden lang erläutert, dass die NSA die Kommunikationsdaten weltweit erfassen könne. Der Geheimdienst speichere sie demnach auf Dauer. Niemand in Deutschland sei davor geschützt. "Das ist wirklich ein totalitärer Ansatz, den man bisher nur bei Diktatoren gesehen hat." Ziel sei die Kontrolle der Menschen. "Sie wollen Informationen über alles haben", sagte der frühere NSA-Technik-Direktor. Binney schied 2001 nach über 30 Jahren aus der NSA aus, Drake war von 2001 bis 2008 dort angestellt.

Fatal sei die Entwicklung nach den Terroranschlägen von 2001 gewesen, nicht nur Daten von Gruppen unter Terror- oder Kriminalitätsverdacht zu sammeln. "Wir haben uns wegbewegt von der Sammlung dieser Daten hin zur Sammlung von Daten der sieben Milliarden Menschen unseres Planeten", sagte Binney.

Tor-Nutzer im Visier der NSA
Nach Recherchen der deutschen TV-Sender NDR und WDR spähte die NSA einen Studenten aus Erlangen aus, um über ihn an Nutzer eines Netzwerkes zu kommen, das vor der Überwachung im Internet schützen soll (siehe Infobox). Er ist nach Bundeskanzlerin Angela Merkel das zweite namentlich bekannte Opfer der NSA in Deutschland. Der Betroffene, Sebastian Hahn, betreibe einen Server für das Anonymisierungsnetzwerk Tor. Dessen Nutzer landeten in einer speziellen NSA-Datenbank. Täglich griffen Hunderttausende Nutzer allein auf Hahns Server zu - auch viele Anwälte und Ärzte mit sensiblen Daten.

"Ein Rieseneingriff in meine Privatsphäre"
Hahn sagte der ARD: "Es ist ein Rieseneingriff in meine Privatsphäre." Er sei schockiert. Alle Verbindungen von seinem Server würden von dem Geheimdienst mitgeschnitten. Auch der Hackerverein "Chaos Computer Club" ist laut den Berichten Ziel von Ausspähungen. Der SPD-Obmann im U-Ausschuss, Christian Flisek, forderte Generalbundesanwalt Harald Range zu Ermittlungen wegen massenhafter Datenüberwachung auf. Range solle handeln, "und zwar möglichst schnell". Es gebe nun keinen Grund mehr, gegen die NSA nur wegen des Verdachts des Abhörens des Handys von Kanzlerin Merkel zu ermitteln.

Vor einem Jahr war das massenhafte Abschöpfen auch deutscher Daten durch die National Security Agency aufgeflogen. Der Untersuchungsausschuss arbeitet diese Aktionen auf und untersucht auch die Rolle deutscher Dienste. Binney sagte, er habe den Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden, der die weltweite Enthüllungswelle angestoßen hatte, nicht mehr kennengelernt. Dessen Unterlagen habe er aber angesehen: "Das sind alles echte Dokumente." Von einer Rückkehr in die USA rät Binney dem NSA-Enthüller Snowden ab: "In den USA würde er gegenwärtig keinen fairen Prozess bekommen." Snowden solle deshalb besser bleiben, wo er derzeit sei.

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