In Wien ausprobiert

Google Glass: So fühlt sich die Datenbrille an

Elektronik
04.07.2014 09:34
Der US-Internetkonzern Google hat am Rande seiner Leistungsschau Google House in Wien einige Exemplare seiner kommenden Datenbrille Glass demonstriert. krone.at hat eines der Geräte ausprobiert und Funktionen, Bedienung und Hardware der Datenbrille unter die Lupe genommen. Hier erfahren Sie, was wir von der noch nicht finalen Explorer-Edition der Datenbrille halten – und wo Google vor Markteinführung noch nachbessern sollte.

Der Markteinführungsprozess bei Googles Datenbrille Glass wirkt für Außenstehende zweifellos eigenartig. Obwohl noch kein offizieller Veröffentlichungstermin feststeht und die Datenbrillen-Hardware derzeit noch nicht in der endgültigen Version vorliegt, wurde das Gadget in den USA und Großbritannien vereinzelt bereits verkauft.

Allerdings nicht an jedermann, sondern lediglich an sogenannte "Explorer", welche die Brille testen, Apps dafür entwickeln – und Google so helfen, sie in Richtung Marktreife zu bringen. Eine dieser Explorer-Versionen konnte krone.at bei Google in Wien ausprobieren. Es sei also ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in diesem Artikel die unfertige Hardware diskutiert wird und es sich bei unserem Ersteindruck um eine Momentaufnahme handelt.

Schon jetzt relativ brauchbare Hardware
Obwohl die Datenbrille noch nicht am Ende ihres Entwicklungsprozesses angelangt ist, machte die Hardware beim Probieren doch schon einen recht brauchbaren Eindruck. Mit einem Gewicht von gut 50 Gramm ohne Brillengläser ist die Datenbrille ziemlich leicht und kein unnötig großer Ballast im Gesicht. Die Hardware ist im rechten Brillenbügel verbaut, während der filigrane linke Bügel die Brille lediglich in Position hält.

Im hinteren Teil des Bügels befinden sich der Akku und ein Audiomodul, welches Töne über den Schädelknochen ans Gehörorgan überträgt. Der Mittelteil des Bügels mit der Hardware (CPU, RAM, Flash-Speicher) im Inneren ist berührungsempfindlich und kann zur Steuerung verwendet werden. Ein Wisch nach unten führt etwa auf die Glass-Startseite. Wischt man nach vorne oder hinten, scrollt man durch die eingeblendeten Infos.

Im vorderen Teil der Datenbrille dient ein durchsichtiges Prisma, auf das die Bilder über einen Mikroprojektor projiziert werden, als Display. Eine 5-Megapixel-Kamera hat Google in diesem Teil der Datenbrille ebenfalls eingebaut. Alles in allem ist das ziemlich viel Technik in so einem kleinen Gerät, was an sich schon eine beachtliche Leistung ist. So ausgereift wie aktuelle Smartphones ist die Datenbrille aber naturgemäß noch nicht.

Display könnte heller und hochauflösender sein
Das merkt man beim Ausprobieren etwa am transparenten Display, das zwar durchaus Inhalte erkennen lässt, aber sowohl in puncto Schärfe als auch in puncto Helligkeit bis zur Markteinführung besser werden sollte. Die geringe Schärfe stört in der Praxis weniger, schließlich geht es vor allem darum, dass der Nutzer überhaupt Informationen erkennt.

Weil das transparente Display aber auch vergleichsweise dunkel ist, kommt es beim Ablesen mitunter zu Problemen – beispielsweise, wenn man in besonders hell ausgeleuchteten Räumen oder im direkten Sonnenlicht unterwegs ist. Aufgefallen ist uns beim Testen auch, dass die Datenbrille in der aktuellen Form schon nach kurzer Benutzung an jenem Bügel, der die ganze Technik beherbergt, spürbar warm wird.

Positiv überrascht hat uns hingegen die mit der integrierten Kamera erzielbare Bildqualität. Die 5-Megapixel-Kamera ist zwar nicht über jeden Zweifel erhaben, für schnelle Schnappschüsse und die anschließende Betrachtung der Bilder am Handy-Display scheint sie aber ausreichend zu sein.

Nicken, Wischen und Selbstgespräche
Noch nicht optimal ist aus unserer Sicht allerdings die Bedienung der Datenbrille gelöst. Nach dem einige Minuten dauernden Kurztest möchten wir noch kein endgültiges Fazit ziehen, aktuell dürfte man bei der Bedienung von Google Glass für Außenstehende allerdings noch wie ein Fall für die Nervenheilanstalt aussehen.

Der Grund: Glass wird auf gleich drei verschiedene Arten bedient. Aktiviert wird die Datenbrille, indem man damit nach oben sieht und das Haupt anschließend wieder senkt. Zusätzlich wischt man mit dem Finger über das Brillengestell, um durch die anzeigten Infos zu navigieren. Unpraktisch: Wischt man über das Brillengestell, bewegt sich mitunter die gesamte Datenbrille mit, und das transparente Display vor dem Auge wackelt. Das dürfte mit der Zeit nerven, weil diese Wischgesten relativ oft verwendet werden, etwa um auf den Home-Bildschirm zu kommen, wo man dann die dritte verfügbare Eingabetechnik nutzt: Selbstgespräche.

Mit "Okay, Glass!" wird die Datenbrille aktiviert, anschließend folgen - momentan noch englische - Sprachbefehle wie "Take a Photo", um ein Foto zu knipsen, oder "Navigate to St. Stephen's Cathedral", um sich zum Stephansdom führen zu lassen. Als Radfahrer-Navi stellen wir uns Glass spannend vor.

"Translate" wirft den Google-Übersetzer an, der – das hat uns ziemlich beeindruckt – Text in fremder Sprache abfotografiert, erkennt, übersetzt und anschließend auf dem Foto mit dem fremdsprachigen Text den Ursprungstext entfernt und stattdessen den übersetzten Text einblendet. All das dauert in der Praxis nur wenige Sekunden. Vor allem bei Reisen dürfte das ein ziemlich nützliches Feature werden.

Spracherkennung gut, aber nicht unfehlbar
Die Spracherkennung selbst funktioniert schon relativ zuverlässig, Wunder sollte man sich von ihr aber nicht erwarten. Die von uns getestete Datenbrille erkannte sauber ausgesprochene englische Sätze, verstand aber nicht jedes Mal jedes Wort. Die Folge: Mit etwas Pech braucht es einige Sekunden des Wischens und mehrere Wiederholungen des Gesprochenen, bevor die Brille tatsächlich tut, was man ihr auftragen will. Es ist zu erwarten, dass die Spracherkennung auch auf Deutsch ein gewisses Entgegenkommen vom Nutzer verlangen wird. Dialekt und Nuscheln dürften bei der Bedienung von Google Glass eher kontraproduktiv sein.

Der Funktionsumfang der Datenbrille ist aktuell noch eingeschränkt. Google-Basisfunktionen wie die Internetsuche, Maps und der Übersetzer funktionieren zwar bereits relativ gut. Sehr viel mehr konnte man uns beim Kurzbesuch bei Google aber nicht demonstrieren. Der Grund: Noch ist die Zahl der Apps für die Datenbrille überschaubar, was angesichts dessen, dass es sich ja nicht um ein fertiges Produkt handelt, nicht weiter verwundert.

Wie schnell sich das nach Markteinführung ändern wird, muss sich erst zeigen. Für App-Entwickler dürften die eher komplizierte Nick-Wisch-Sprach-Bedienung und der Umstand, dass das Glass-Display nur eine begrenzte Menge an Informationen anzeigen kann, dem Machbaren aber relativ enge Grenzen setzen.

Ersteindruck: Google Glass ist eine beeindruckende Demonstration des Machbaren, die bis zur Massentauglichkeit allerdings noch einen langen Weg vor sich haben dürfte. Auf der Hardwareseite wirkt das Gadget schon vergleichsweise brauchbar, wenngleich wir uns bis zur endgültigen Version von Google Glass noch Verbesserungen beim Display wünschen würden. Auch die Wärmeentwicklung während der Benutzung könnte geringer sein. Auf der Bedienungsseite hat Google mit dem eigenwilligen Mix aus Kopfbewegungen, Wischgesten und Spracherkennung zwar bereits einen funktionierenden Ansatz anzubieten. Alles in allem scheinen die Möglichkeiten der Datenbrille aber durch Limitierungen bei der Hardware und der Bedienung recht eingeschränkt zu sein. Man darf gespannt sein, welche Fortschritte Glass bis zur tatsächlichen Markteinführung noch macht.

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