Nach Recherchen der deutschen Sender NDR und WDR spähte die NSA einen Studenten aus dem bayrischen Erlangen aus, der sich mit Privatsphäre im Internet beschäftigt. Der Mann mit dem Namen Sebastian Hahn betreibe einen Server für das Anonymisierungsnetzwerk Tor, mit dem Nutzer ihre Spuren im Internet verwischen können. Er sei nach Kanzlerin Angela Merkel das zweite namentlich bekannte Opfer der NSA in Deutschland.
Hunderttausende Nutzer, die täglich allein auf den von Hahn bereitgestellten Server zugreifen, würden von der NSA speziell markiert und ihre Verbindungen gespeichert, berichteten die Sender am Donnerstag. Die NSA filtere damit die Nutzer des Anonymisierungsnetzwerks heraus. Diese landeten dann in einer speziellen NSA-Datenbank.
Das Ziel der Spähaktion sei es, "potenzielle Tor-Clients zu finden", also mögliche Nutzer des Anonymisierungsdienstes. Das ist in einem Auszug aus dem Programmcode zu lesen, der im ARD-Morgenmagazin gezeigt wurde. Aus einem Kommentar des Quelltextes geht auch hervor, was die NSA von Menschen, die um ihre Privatsphäre besorgt sind, hält: Sie werden offiziell als "Extremisten" tituliert, wie die ARD schreibt.
Betroffener schockiert
Hahn nannte die Ausspähung "schockierend". "Es ist ein Rieseneingriff in meine Privatsphäre", sagte er. Alle Verbindungen von dem Server, den er in Deutschland betreibe, würden von einem ausländischen Geheimdienst mitgeschnitten. Auch eine weitere IP-Adresse findet sich demnach unter den Ausspähzielen. Sie gehöre dem deutschen Hackerverein Chaos Computer Club. Beide IP-Adressen fänden sich im Code der NSA-Spionagesoftware XKeyscore.
"Das ist pervers und verrückt"
Der Grünen-Obmann im deutschen NSA-Untersuchungsausschuss, Konstantin von Notz, bezeichnete den Vorgang am Donnerstag " als "verheerend". Die einzige Antwort der deutschen Bundesregierung auf die NSA-Affäre laute, die Bürger sollten sich im Internet selbst schützen und ihre Daten verschlüsseln. "Und nun stellen wir fest, dass gerade die, die verschlüsseln und das nutzen, überwacht werden. Das ist pervers und verrückt."
Allerdings hatte es in der Vergangenheit schon mehrfach Hinweise darauf gegeben, dass die NSA gezielt das Tor-Netzwerk ins Auge fasst. Der Geheimdienst habe versucht, die Software selbst zu knacken, sei damit aber gescheitert, berichtete der britische "Guardian" im vergangenen Herbst. Es sei der NSA nicht gelungen, alle Nutzer von Tor zu identifizieren. Durch die Analyse der Datenströme könnten lediglich "ein kleiner Teil" der Nutzer kenntlich gemacht werden, schrieb die Zeitung.
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