Stadthalle live

Legende Eric Clapton ließ die Gitarre heulen

Musik
27.06.2014 05:00
Seltene Audienz in der Wiener Stadthalle: Fast genau ein Jahr nach der gesundheitlich bedingten Absage gastierte Bluesrock-Gitarrenlegende Eric Clapton Donnerstagabend in einer fast ausverkauften Wiener Stadthalle. Der 69-Jährige ging in seinem wohl letzten Österreich-Konzert zwar niemals an seine Grenzen, bot aber eine grundsolide Show mit Nostalgie-Effekten und vereinzelten Highlights.
(Bild: kmm)

Ja darf man denn das? Eric Clapton – unter anderem 20-facher Grammy-Gewinner, als einziger Musiker der Welt dreifaches Mitglied der "Rock And Roll Hall Of Fame" und einer der wichtigsten Gitarristen der Rockgeschichte, wurde für sein einziges Deutschlandkonzert in Mannheim von den Medien ordentlich angepatzt. Er sei zu erschöpft, zu lethargisch und sowieso weit weg davon, offensives Interesse an seinen Auftritten zu zeigen. "Ich werde nicht aufhören zu spielen und gebe auch noch einzelne Konzerte, aber ich werde nicht mehr auf Tour gehen", so sein Tenor in einem Interview vor zwei Jahren.

Sprachrohr des Selbst
Den mehr als 11.000 Fans in der fast ausverkauften Wiener Stadthalle ist das freilich egal. Fast exakt ein Jahr nach seinem wegen eines akuten Bandscheibenvorfalls abgesagten Konzerts zeigt sich der 69-Jährige physisch fit und durchaus gewillt, seinen womöglich wirklich letzten Österreich-Auftritt bestmöglich über die Bühne zu bringen. Das bedeutet bei "Mr. Slowhand" natürlich nicht, mit krachenden Songs und möglichst viel Energie zu glänzen, sondern die Musik über das Auditorium zu gießen und die Gitarre zum Sprachrohr des Selbst gedeihen zu lassen.

Dazu gibt es massenhaft Gelegenheit. Besonders gut gelingt dem Briten dieses Vorhaben immer dann, wenn er in seinen ausufernden Soloeinlagen aufgehen kann und sich mit seinem sechssaitigen besten Freund in einen Rausch aus Riffs, Akkorden und Melodielinien spielt. Beim Opener "Somebody's Knocking" etwa spürt man im Publikum diese magische Zweisamkeit, auch das Robert-Johnson-Cover "Little Queen Of Spades" und "How Long" sind prädestiniert, um der ruhigen, aber keinesfalls grimmigen Legende ehrwürdig Tribut zu zollen.

Nachbar im Vorruhestand
Dass ihm eine fünfstellige Anzahl an Leuten zujubelt, spürt der Entertainer auf der Bühne kaum. Mit legerem Jeanshemd, kruden Haaren und seiner markanten Brille lebt der millionenschwere Top-Star das Image des hemdsärmeligen Nachbarn im Vorruhestand. Eine Rolle, die er ohne Peinlichkeit auszuführen weiß. Klar, die Stimme dringt nicht mehr so durch wie früher und vor allem der Beginn hat mit Songs wie "Key To The Highway" und "Tell The Truth" seine Längen, aber spätestens als Clapton im fünfteiligen Akustikteil auf seine Hits "Tears In Heaven" und "Layla" zurückgreift, steigt auch der Lautstärkepegel in der Stadthalle.

Dass er dabei beide Songs in sitzender Position etwas zu gemächlich vorträgt und gar nicht daran denkt, auch einmal ein Riff der Ursprungsversion einzubauen, vermag nicht jeden in Begeisterungsstürme zu versetzen. Doch Clapton sind etwaige Wünsche der Anwesenden genauso egal wie eine vernünftige Interaktion mit ebenjenen. Mehrfach eingestreute (und ehrlich gemeinte) "Thank Yous" sind das Höchste der Gefühle. Von ausufernden Privatgeschichten oder unehrlich gemeinten Liebesbekundungen an Land und Leute hält der Brite weniger als so manch anderer Künstler. Die Bühne ist dabei gleich spartanisch eingerichtet wie das Stageacting des Top-Stars.

Musikalische Ungleichgewichtung
Ein großer Pluspunkt ist aber die Backing-Band. Das fünfköpfige Ensemble überzeugt mit partiellen Soloeinlagen (Chris Stainton und Paul Carrack an den Keyboards bei "Little Queen Of Spades"), perfekt akzentuierter Rhythmik und einem angenehm reduzierten Spielverständnis. So manche Länge und die Ungleichgewichtung zwischen (zu viel) Blues und (zu wenig) Rock können nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein vertrautes "Wonderful Tonight" oder ein fetziges "Cocaine" Hymnen für die Ewigkeit sind.

Dass Clapton mit dem flotten "High Time We Went" nach nur eineinhalb Stunden wortlos von der Bühne trabt, mag angesichts der Fitness eines Mick Jagger bei den Rolling Stones befremdlich anmuten. Clapton ist aber auch kein Hampelmann für gängige Rockklischees, sondern ein Feinmotoriker mit dem Gespür für das Besondere.

Glasvitrine statt Bühne
Darf man nun eine Legende wie ihn anpatzen? Natürlich, aber nur wenn es nötig ist. In der Stadthalle war das nicht der Fall, und deshalb wird den Besuchern auch eine kurze, aber wohlige Erinnerung an einen Kapazunder seines Fachs übrig bleiben. Künftig werden wir nämlich mit den entstaubten Platten aus unseren Glasvitrinen auskommen müssen.

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