"Krone"-Interview

“Österreich ist Hinterland des politischen Islam”

Österreich
14.06.2014 16:00
Alarmstufe Rot herrscht vor dem Auftritt des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan vor Tausenden jubelnden Anhängern am kommenden Fronleichnams-Tag in Wien: Mit Conny Bischofberger sprach Efgani Dönmez, türkischstämmiger Bundesrat der Grünen, über feige Politiker, falsch verstandene Toleranz und Gewalt im Netz.

Er muss gleich zur Hochzeit seines Bruders an den Attersee, aber ein Interview am Telefon geht sich trotzdem aus. "Ich habe mit meiner Tochter vereinbart, dass sie in dieser Zeit allein spielen muss", erzählt Efgani Dönmez. Die Vierjährige sitzt bei ihm am Tisch und sticht bunte Kekse aus Plastillin aus. Nur einmal ist ihr Stimmchen kurz zu hören. "Papa, ich muss aufs Klo." Da unterbricht der Grün-Politiker kurz das Gespräch, bei dem immer wieder die oberösterreichische Sprachmelodie durchklingt.

Drei Monate stand der 37-Jährige letzten Sommer unter Polizeischutz, weil er den Erdogan-Anhängern über Facebook ausrichtete, sie hätten in Österreich nichts verloren. Auch zum Erdogan-Besuch nächste Woche findet der streitbare Bundesrat sehr klare Worte.

"Krone": "5.000 One-Way-Tickets, und keiner würde denen nachweinen" - mit diesem Satz über Pro-Erdogan-Demonstranten haben Sie vor einem Jahr Furore gemacht. Würden Sie es noch einmal so sagen?
Efgani Dönmez: Vielleicht nicht in diesen Worten, aber der Kern der Botschaft wäre der gleiche: Wer in einer islamistischen Gesellschaft leben möchte, kann dies gerne tun. Aber nicht bei uns in Österreich.

"Krone": Was werfen Sie den Austro-Türken, die Erdogan zujubeln, vor?
Dönmez: Viele leben physisch zwar in unserem Land, aber in den Köpfen sind sie hier nicht angekommen. Sie haben sich für eine archaische Lebensweise entschieden, die jedes Bemühen um ein gutes Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen unmöglich macht.

"Krone": Integrations- und Außenminister Kurz hat den türkischen Premier gewarnt: Er dürfe keinen Keil in die österreichische Gesellschaft treiben. War das in Ihren Augen ein respektabler Schritt?
Dönmez: Das ist sicher zu honorieren, aber es ist auch ein bisschen scheinheilig. Denn gerade die ÖVP hat bei den letzten Nationalratswahlen einen Kandidaten der AKP (Anm.: Erdogans Regierungspartei), Hasan Vural, aufgestellt. Spindelegger und Kurz waren sogar mit ihm plakatiert. Ihre Dialogpartner sind also rückwärtsgerichtete Kräfte. Da werden die eigenen Werte am Altar der politischen Macht und Orientierungslosigkeit geopfert.

"Krone": Warum muss man Angst vor einer Rede Erdogans haben?
Dönmez: Seine Absicht ist ganz klar: Er kommt nach Österreich, um Wahlwerbung bei seinen Landsleuten zu machen - immerhin leben in Österreich ca. 120.000 türkische Staatsbürger und noch einmal so viele eingebürgerte Türken. Man braucht sich vor ihm nicht zu fürchten, aber die offiziellen Vertreter der Republik sollten ihn auch nicht willkommen heißen. Warum argumentieren sie, dass der Herr Bundespräsident im Ausland ist und der Herr Bundeskanzler andere Termine hat? Richtig wäre festzuhalten, dass Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Österreich nichts verloren haben! Wir haben ja in Köln gesehen, wohin das führt: Dort hat Erdogan vor "Assimilierung" gewarnt und die Staatsspitze verunglimpft. Dabei ist es genau das, was der türkische Premier von seinem eigenen Volk sehr wohl verlangt.

"Krone": Auf krone.at findet eine Mehrheit, man sollte seinen Wien-Besuch absagen. Soll Erdogan Ihrer Meinung nach zu Hause bleiben?
Dönmez: Unsere Demokratie wird seinen Besuch aushalten. Wir können das nicht verbieten und uns auf dieselbe Stufe stellen wie Erdogan. Aber glaubt jemand ernsthaft daran, dass mit Erdogan-Wahlpropaganda, wehenden AKP-Fahnen auf den Straßen von Wien und Autokonvois mit islamistisch-nationalistischen Symbolen die Sympathie gegenüber den hier lebenden Türken steigen wird? Und wenn man sich anschaut, was im Netz los ist, dann wird klar, welche Kräfte da am Werk sind.

"Krone": Worauf spielen Sie an?
Dönmez: Auf die brandgefährliche Diskussion in den sozialen Netzwerken: Da droht eine wild gewordene Meute Andersdenkenden offen mit Gewalt, es sind massivste Diffamierungen und wüste Beschimpfungen zu lesen. Da die Diskussion ja leider Gottes nicht nur eine virtuelle ist, setzt sie sich natürlich am Arbeitsplatz fort und spaltet die türkische Community. Es betrifft aber unsere Gesellschaft als Ganzes, das ist nicht etwas, was sich die Türken untereinander ausmachen sollen, das verlangt nach einer klaren Haltung, ohne Kompromisse und auch ohne falsch verstandene Toleranz.

"Krone": Wem werfen Sie das vor?
Dönmez: Es gibt in Österreich eine Reihe von Verbänden mit konservativ-islamistischer Agenda, unter anderen UETD und ATIB, deren Netzwerke bis in die Türkei reichen. Insofern ist Österreich heute mit seinen vielen Kultur- und Moschee-Vereinen das Hinterland des politischen Islam. Und die Politik schaut nicht nur zu, sondern unterstützt diese Vereine auch noch.

"Krone": Sie sind selber in der Türkei geboren. Werden Sie mit Ihrer Haltung nicht als Verräter beschimpft?
Dönmez: Es kommt nicht auf die Herkunft an oder auf die Religionszugehörigkeit! Wichtig ist allein die Einstellung, die ein Mensch hat. Mit meiner Einstellung vertrete ich nicht alle Türkischstämmigen, genauso wenig wie der türkische Ministerpräsident. Ich habe eine säkular-liberale Grundeinstellung und für diese Menschen bin ich auch das Sprachrohr.

"Krone": "Fuck you" schrieb ein Partei-Kollege, als Sie vor einem Jahr die One-Way-Tickets für Erdogan-Fans in den Raum stellten. Sind die Grünen nach wie vor Ihre politische Heimat?
Dönmez: Ja! Und ich glaube, sie würden gut daran tun, so hinter mir zu stehen wie die deutschen Grünen hinter Cem Özdemir. Mittlerweile haben, so glaube ich, auch meine Kritiker erkannt, dass das, was ich sage und vertrete, richtig ist. Ich habe auf diese Entwicklungen schon vor Jahren hingewiesen und jetzt liegen die Folgen so deutlich vor uns, dass man sie nicht mehr negieren kann. Ich bin auf dem richtigen Dampfer, und über 90 Prozent der Österreicher stehen hinter mir.

"Krone": Verstehen Sie das häufigste Argument gegen die Erdogan-Wahlkampfrede? Nämlich: "Das kann sich unsereiner in Istanbul auch nicht erlauben."
Dönmez: Ja, die Minderheiten in der Türkei können ein Lied davon singen. Wer so eine Rede, wie sie der türkische Ministerpräsident in Köln gehalten hat, in der Türkei halten würde, dem Gnade Gott.

"Krone": Was würde passieren?
Dönmez: Na wie würden Erdogan und seine Anhängerschaft wohl reagieren? Verwüstete Privatwohnungen, Geschäftslokale und niedergebrannte Objekte von Deutschen und Österreichern könnten nicht ausgeschlossen werden. Da würden sich dramatische Szenen abspielen.

"Krone": Haben Sie selber keine Angst?
Dönmez: Ich bekam letzten Sommer Morddrohungen und musste Polizeischutz beantragen. Das ist natürlich nicht angenehm, aber bestärkt mich in meiner Haltung. Alles andere wäre ein Kniefall vor diesen Gruppierungen. Wo wären wir angelangt, wenn man nicht mehr das sagen darf, was man für wichtig und richtig hält? Wer aufsteht und den Leuten sagt: Hey, da gibt es eine bedenkliche Entwicklung! - der muss auch damit rechnen, dass er angegriffen wird...

"Krone": Machen Sie sich mit Ihren Aussagen nicht zum Partner der Rechtsparteien, die genau aus dieser Polarisierung Kapital schlagen?
Dönmez: Man darf diese Thematik eben nicht nur den rechten Gruppierungen in Österreich überlassen und den Kopf in den Sand stecken.

"Krone": "Mehr Mut in der Politik" haben Sie als Slogan für Ihre Homepage gewählt: Woher kommt dieser Mut?
Dönmez: Mein Vater war Gastarbeiter auf Baustellen, meine Mutter Putzfrau. Sie haben mich als Baby nach Österreich geholt. Vielleicht haben sie mir den Mut in die Wiege gelegt, denn unser Familienname - Dönmez - heißt übersetzt: "Einer, der sich nicht vom Weg abbringen lässt".

zum Blog von Efgani Dönmez

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