"Blind", "unehrlich"

Steuerreform: Kanzler und Vize weiter im Clinch

Österreich
02.06.2014 14:05
Bundeskanzler Werner Faymann wehrt sich gegen die Vorwürfe von Vizekanzler Michael Spindelegger in der Steuerdebatte. "Diese Steuerreform muss kommen", bekräftigte der SPÖ-Chef am Montag. Österreich sei Schlusslicht bei den Vermögensteuern: "Wer das nicht sieht, ist auf einem Auge blind", richtete er dem Koalitionspartner aus. Spindelegger wiederum hatte Faymann zuvor vorgeworfen, in der Causa "unehrlich und unverantwortlich" zu agieren (siehe Infobox).

Der Bundeskanzler wies dies am Montag zurück: "Verantwortungslos wäre es, und das sage ich auch dem Herrn Vizekanzler, wenn man die Millionäre schützt, aber die Arbeitnehmer nicht entlastet." Die Steuerreformkommission soll noch diese Woche ihre Arbeit aufnehmen. Ein Konzept will der SPÖ-Chef bis Ende 2014, die Umsetzung im Laufe des Jahres 2015 - allenfalls etappenweise.

Abstimmung in der Infobox: Zerbricht die Koalition am Steuerstreit?

Faymann fordert Entlastung von bis zu sechs Milliarden Euro
Inhaltlich plädierte der Kanzler neuerlich für eine Entlastung zwischen vier und sechs Milliarden Euro. Zur Gegenfinanzierung will Faymann die Erbschafts- und Schenkungssteuer wieder einführen. Außerdem denkt er eine höhere Grundsteuer für nicht als Hauptwohnsitz genutzte Immobilien an. Auch die Millionärsabgabe müsse "ernsthaft durchgerechnet werden".

Einen Teil der Kosten würde aus Faymanns Sicht auch eine durch die Steuerreform bewirkte Konjunkturbelebung wieder hereinspielen. Nötig seien zudem die von Spindelegger geforderten Strukturreformen, gestand Faymann ein. Hier habe die Regierung aber schon vieles im Budget eingestellt, was kurzfristig machbar sei. Andere Reformen bräuchten laut dem Kanzler Zeit, um wirksam zu werden.

Spindelegger: "Ich will einen großen Wurf"
Auch Spindelegger legte am Montagnachmittag einen Zeitplan für die Steuerreform vor. Demnach könnte diese im Juli 2015 beschlossen werden, in Kraft treten könnte sie dann frühestens mit Jänner 2016. Voraussetzungen seien allerdings Strukturreformen, um die finanzielle Basis dafür zu schaffen, betonte der ÖVP-Obmann einmal mehr. Konkret nannte er die Bereiche Verwaltung, Frühpensionen, ÖBB-Infrastruktur und Förderungen - das seien "die großen Kostentreiber".

Er wolle keine Steuerreform auf Schulden oder mit neuen Steuern, bekräftigte Spindelegger: "Ich will keine Steuerreform auf Pump." Er wolle eine "echte, ehrliche Entlastung" und nicht neue Belastungen, lehnte der VP-Chef zudem neuerlich die SP-Forderung nach Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, höheren Grundsteuern und einer auch vonseiten der steirischen ÖVP geforderten Millionärsabgabe ab. Von einer solchen sei demnach im Koalitionsabkommen nichts enthalten.

Die exakte Größe der geplanten Steuerreform nannte der Finanzminister zwar noch nicht - er betonte jedoch, dass er ein Volumen von "einigen Milliarden" anstrebe: "Ich will einen großen Wurf." Dafür seien aber nachhaltige Reformen nötig, die auch schmerzhaft seien. "Ich bin dazu bereit. Machen wir jetzt Nägel mit Köpfen", appellierte der Vizekanzler.

SPÖ und ÖVP gaben ihre Experten für die Kommission bekannt
Was die Steuerreformkommission betrifft, haben ÖVP und SPÖ indes ihre Experten bekannt gegeben. Wie SP-Finanzstaatssekretärin Sonja Steßl am Montag mitteilte, wird die SPÖ von AK-Direktor Werner Muhm, der Bereichsleiterin Wirtschaft in der Arbeiterkammer, Maria Kubitschek, sowie vom Abteilungsleiter Steuerrecht, Otto Farny, vertreten. Dazu kommen noch der Linzer Finanzrechtsprofessor Georg Kofler und Christopher Berka vom Bundeskanzleramt.

Die ÖVP hatte für die Expertengruppe bereits zuvor ihren Finanzsprecher und Chef der Raiffeisen-Pensionskasse Valida, Andreas Zakostelsky, sowie Alfred Heiter, Bereichsleiter Finanzpolitik bei der Industriellenvereinigung, nominiert. Außerdem wird die ÖVP vom Steuerberater Heinz Harb und von Bernhard Gröhs von der Steuerberatungsfirma Deloitte vertreten.

Zangerl übt erneut Kritik an Spindelegger
Bezüglich der VP-Experten übte der von der ÖVP gestellte Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl erneut Kritik an Spindelegger. Die Besetzung sei "bezeichnend für den Zustand der Volkspartei", monierte Zangerl. Dem Gremium gehöre kein einziger Arbeitnehmervertreter an, "vielmehr wurden nur Industrie- und Wirtschaftslobbyisten" nominiert.

"Diese Ignoranz gegenüber den Arbeitnehmern ist kaum zu überbieten und zeigt einmal mehr die Abhängigkeit des Parteiobmanns und Finanzministers", so Zangerl. Der AK-Präsident appellierte an die Arbeitnehmervertreter in der Volkspartei, sich "diese Benachteiligung nicht weiterhin gefallen zu lassen". Die Vorgehensweise Spindeleggers zeige "einmal mehr das falsche und abgehobene Selbstverständnis des Parteiobmannes", meinte Zangerl: "Die Beschäftigten wollen nicht länger die Melkkuh der Nation sein."

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