Live im Gasometer

The Sisters Of Mercy auf Denkmalpflege-Tour

Musik
19.05.2014 00:41

Rechtzeitig zum Ende der kühlen Mai-Tage sorgte die britische Kult-Formation The Sisters Of Mercy noch einmal für morbide Kälte im Wiener Gasometer. Am Sonntagabend zelebrierten Andrew Eldritch und Co. einmal mehr sich selbst, ihre uralten Hits und die vehemente Ignoranz, neue Songs zu schreiben. Mit einem Rucksack voller Klassiker lässt es sich aber locker touren.

(Bild: kmm)

Der modrige Geruch vom tagelangen Regenfall erweist sich als optimales Aroma. Leichte Regentropfen prasseln vom wolkenverhangenen Himmel, während die einsetzende Nacht das schwarze Treiben vor dem Wiener Gasometer zusätzlich verdunkelt. Nach dreijähriger Abwesenheit geben sich die britischen Kult-Goth-Rocker The Sisters Of Mercy ein Stelldichein, um ein weiteres Mal eine gut gerührte Melange ihrer vergangenen Hits feilzubieten. Mikro-Exzentriker Andrew Eldritch und seine vielfach wechselnde Besetzung umgibt ein Kult der besonderen Sorte.

Der Rubel rollt
Zweifelsohne sind die Sisters neben The Cure, Joy Division und Siouxsie And The Banshees das wichtigste Kapitel, wenn es um die Historie des Gothic Rock geht, doch das Trio tingelt mit Drumcomputer und Bassklängen vom Band seit bereits 20 Jahren ohne neuen Song um den Globus und kann dennoch auf gut gefüllte Hallen bauen. Vielleicht kein Novum, aber eine Seltenheit. Mit den Massen an Hits, welche die Band hauptsächlich in den 80er-Jahren verfasst hat, rollt der Rubel unaufhörlich.

Neben den zahlreichen Klassikern liegt das mitunter auch am Kultfaktor Eldritch. Mittlerweile bereits rasanten Schrittes dem 60er zugehend, hat der stets sonnenbebrillte Glatzkopf nichts von seiner einnehmenden Bühnenpräsenz verloren. Anfangs noch im edlen Zwirn, dann leger mit weißem Hemd über die Bühne stolzierend, sind es vor allem die theatralischen Posen und die gefestigte Selbstsicherheit, mit denen er sein durch alle Altersschichten präsentes Publikum zu begeistern vermag.

Solide Bühnenperformance
Nicht alle Österreich-Shows der letzten Jahre standen außer Kritik. Die hohen sowie tiefen Töne erwische er nicht mehr, es sei viel mehr ein Krächzen als ein Gesang zu vernehmen, und die physische Motivation müsse man mit der Lupe suchen. Am Sonntag ist davon wenig zu merken. Klar, nicht immer liegt er in der Spur, die ihm die Schlagzeugelektronik und seine beiden Gitarristen Chris Catalyst und Ben Christo vorgeben, doch selbst schwierigere Stücke wie "Crash And Burn" oder das im Zugabenteil intensiv durch die Gehörgänge wabernde "Dominion" gehen Eldritch akzeptabel über die Lippen.

Das Bühnenbild ist gewohnt mystisch und spartanisch bestückt. Ein Eisengestell mit aufmontierten Lampen und Reflektoren übernimmt die selten eingesetzte Signalwirkung, Hauptdarsteller des gruftigen Konzertvergnügens ist ohnehin die Nebelmaschine, die Song für Song mit Bühne und Musiker Verstecken spielt. Zwischen Megahits wie "More" und dem herrlichen "Vision Thing" und semi-bekannten Klassikern der Marke "Alice" und "A Rock And A Hard Place" zeigt Eldritch nur wenig Muse zur Publikumsinteraktion. Kühle Distanz und das Hervorrufen glorreicher Disco-Zeiten sind die Erfolgszutaten einer Band, die sich grinsend in der eigenen Vergangenheit suhlt.

Bizarrer, kühler Punk
Daran, dass ein "When You Don't See Me" 23 Jahre und ein "Temple Of Love" sogar 31 Jahre auf dem Buckel hat, stört sich niemand. Auch das instrumentale und völlig aus dem Rahmen springende Dick-Dale-Cover "Misirlou" wirkt auf bizarre Weise passend in den klanglichen Anzug gepresst. Dazwischen gibt es reihenweise zwischen Punk und Grunge mäandernde Riffkanonaden und kühle Keyboard-Klänge - natürlich ebenso aus der Konserve.

Was den Kult um diese Band beflügelt, ist ein Dreigespann menschlicher Emotionen. Das ekstatische Genießen der zweifellos hervorragenden Songs, die gefühlte Coolness, einem sämtlicher Kreativität entledigten Kult anzugehören, und die melancholische Rückbesinnung auf längst vergessene Jugendtage. Warum sollten die Sisters auch neues Material produzieren, wenn die alten Hymnen noch so viel Feuer entfachen? Das Risiko, damit am eigenen Denkmal zu sägen, ist dem Frontmann wohl doch zu groß - dafür gibt's die Klassiker ohne große Veränderung in alljährlicher Endlosschleife. Oder wie es Eldritch singend artikulieren würde: "More, more, more".

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