Im Zweifel

Tod bei Tiefschlaftherapie: Ärzte freigesprochen

Österreich
14.05.2014 17:18
Nach dem Tod eines 17-jährigen Mädchens in der Linzer Landesnervenklinik Wagner-Jauregg im Mai 2011 sind zwei Ärzte am Mittwoch am Landesgericht Linz vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft ging von einer zu hohen Dosierung des Narkosemittels bei der Tiefschlaftherapie aus. Die Angeklagten hatten sich nicht schuldig bekannt. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Die 17-Jährige hatte etliche Selbstmordversuche hinter sich. Weil sie auf herkömmliche Therapien nicht reagierte, beschlossen die behandelnden Psychiater, sie ins Koma zu versetzen. Ziel war im Wesentlichen eine Art Reset des Gehirns. Die beiden angeklagten Ärzte - ein 50-jähriger Anästhesist und seine 55-jährige Kollegin - waren in die Entscheidung für die Methode nicht eingebunden, sie hatten sie lediglich durchzuführen.

Geplant war, die Patientin eine Woche im Tiefschlaf zu halten, der 50-Jährige leitete die Narkose ein. Seine Kollegin entschied jedoch am dritten Tag, die Sedierung abzubrechen, "weil sich die klinische Gesamtsituation verschlechterte" - Kreislauf, Sauerstoffsättigung, Leberwerte etc. hätten sich immer negativer entwickelt. Die 17-Jährige starb schließlich im Krankenhaus.

Das bei der Sedierung verwendete Präparat sei das erste "Mittel der Wahl" gewesen, erklärte die Ärztin. Dass während der Behandlung die Leberwerte stiegen, sei nicht ungewöhnlich gewesen. Es seien auch nur reversible - also umkehrbare - Auswirkungen auf die Leber bekannt. Die Höhe der Dosis müsse man sehr individuell und "mit Fingerspitzengefühl" wählen.

Widersprüchliche Gutachten
Der Gerichtsmediziner kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die junge Frau an einer Gehirn- und Leberschädigung gestorben ist. Als Ursache sieht er eine Überdosierung des Narkosemittels. "Es ist nicht lege artis vorgegangen worden." Es könne Patienten geben, die eine höhere Dosierung brauchen, so der Gutachter, aber im vorliegenden Fall sei nicht nachvollziehbar, wieso nicht reduziert wurde. "Die Maßnahme wurde zu spät abgebrochen."

Ähnlich äußerte sich auch ein Pharmakologe vor Gericht: Er attestierte eine Vergiftung mit der Medikation und auch er hätte empfohlen, die Infusion abzubrechen, sobald die Leberwerte außerhalb der Norm waren.

Völlig anders sah das jedoch ein Gutachter aus dem Bereich der Anästhesie. "Die Dosierung war in meinen Augen nicht zu hoch", erklärte er. Seiner Ansicht nach sei auch das richtige Medikament verwendet worden. Man müsse in der Intensivmedizin immer das Gesamtbild im Auge haben und nicht nur einzelne Werte, argumentierte der Sachverständige. Die Dosierung einer Narkose erfolge "nach Wirkung".

Freispruch im Zweifel
Der Richter verwies darauf, dass sich die Gutachten des Gerichtsmediziners sowie des Pharmakologen und jenes des Anästhesisten widersprochen hätten. Zudem sei auch nicht schlüssig dargelegt worden, dass gravierende Fehler gemacht worden seien. Es sei daher im Zweifel zugunsten der Angeklagten zu entscheiden. Der Staatsanwalt erklärte Rechtsmittelverzicht, die Urteile sind daher nicht rechtskräftig.

Der Fall hatte auch deshalb für Aufsehen gesorgt, weil die junge Frau einer Betreuerin im Spital anvertraut hatte, sie sei jahrelang von ihren Großeltern und zwei Nachbarn - darunter ein pensionierter Richter - gequält und sexuell missbraucht worden. Die Verdächtigen waren deswegen zwischenzeitlich sogar in Untersuchungshaft. Weil die Aussagen des Mädchens immer mehr Widersprüche aufwarfen, wurde das Verfahren gegen sämtliche Beschuldigte später eingestellt.

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