Drive-in-Ordination

Österreichs erster Tankstellenarzt im Interview

Österreich
03.05.2014 17:00
Sein freches Geschäftsmodell sorgt für Staunen: Mit Conny Bischofberger spricht Dr. Dieter Zakel, Österreichs erster Arzt mit Drive-in-Ordination, über seinen Alltag an der Tankstelle, Leberkässemmeln, Bevormundung von Patienten und ein krankes Gesundheitssystem.

Vor der Eni-Tankstelle in der Wiener Krottenbachstraße parkt ein silberner Mercedes S 320, Baujahr 2000. Kennzeichen: W-ZAKEL3. "Grüß Sie, Herr Dokta!" rufen die Männer vom Stammtisch, wenn die Tür der Mini-Ordination aufgeht und der Mediziner eine Pause am Büffet einlegt. Sie sind stolz, dass auf ihrer Tankstelle jetzt ein Arzt seine Praxis hat. An der Kassa mampfen Kunden Leberkässemmeln, und an den Stehtischen trinkt man den G'spritzten aus dem Stifterl.

"Hier bin ich mitten unter den Menschen", strahlt Dr. Dieter Zakel, der auch nicht gerade Idealgewicht hat, gesellt sich zur lustigen Runde und bestellt einen Cappuccino.

Am "Tag der Arbeit", um 6 Uhr morgens, hat er seine Tankstellen-Praxis eröffnet und damit weltweit Schlagzeilen gemacht – sogar türkische Zeitungen berichten über die ungewöhnliche Geschäftsidee, die der Ärztekammer ein Dorn im Auge ist.

"Krone": Herr Doktor, was ist passiert, dass Sie jetzt auf der Tankstelle ordinieren müssen?
Dieter Zakel: Ich bin hauptberuflich niedergelassener Anästhestist und gehe da hin, wo mich die Chirurgen brauchen. Meine Ordination hatte ich vorher am Schottenring. Einer meiner Patienten war Manager von Eni. Beim Bier haben wir uns einmal unterhalten, und irgendwann ist diese Idee entstanden.

"Krone": "Gesundheit tanken" steht als Schriftzug auf Ihrem Arztkittel. Ist die Tankstelle wirklich der richtige Ort dafür?
Zakel: Ja! Nicht jeder hat Zeit, bei einem Arzt stundenlang zu warten, obwohl er einen Termin ausgemacht hat. Viele kommen auch, weil ihr Hausarzt gerade auf Urlaub ist oder weil sie keine Lust haben, sich einen ganzen Vormittag lang in eine Ambulanz zu setzen. Bei mir fährt man einfach vorbei. Wenn die Tür offen ist, kann man reinkommen.

"Krone": Auf zehn Quadratmetern können Sie nicht sehr gut ausgestattet sein, oder?
Zakel: Es ist alles da. Behandlungsliege, Stethoskop, Orthoskop, Blutdruckmesser, Waage, sogar ein Notarztrucksack mit Defribilator.

"Krone": Was sagen Sie zum Vorwurf, so eine Tankstellenpraxis genüge nicht den hygienischen Standards?
Zakel: Blödsinn. Wenn ich einen Hausbesuch mache, sind die hygienischen Standards mitunter auch ganz arg. Hier ist alles steril. Da wisch' ich zweimal mit dem Infektionsmittel über alle Flächen, desinfiziere die Böden, wasch' mir die Hände - und wusch!

"Krone": Sie machen das selber?
Zakel: Ich hab' kein Personal, keine Leasingrate, keine Investitionen, die ich abstottern muss. Ich bin in keiner Weise blockiert, ich kann deshalb mit meinen Patienten reden.

"Krone": Mit welchen Beschwerden kommen Patienten auf die Tankstelle?
Zakel: Alles Mögliche! Husten, Schnupfen, Kopfweh. Aber auch Diffizileres. Unlängst war ein albanischer Arbeiter da, sein Sohn hat ein kompliziertes genetisches Syndrom. Er fühlte sich nicht gut aufgeklärt von den Kollegen. Ich hab' es ihm glasklar erklärt, so dass er es verstanden hat, und er ist zufrieden nach Hause gegangen. Die allermeisten Menschen wollen vor allem Zuwendung...

"Krone": Klingt da der Vorwurf durch, dass unser Gesundheitssystem zu wenig Rücksicht auf den Menschen nimmt?
Zakel: Die Kollegen machen das nicht absichtlich. Das sind Phänomene, die aus der Bürokratisierung entstehen - und die Bürokratie ist zäh. Die Ärzte von heute stecken in einer Zwangsjacke, in der sie doppelte Saltos schlagen sollen. Und dann wundert man sich, wenn es sie auf die Pappn haut...

"Krone": Burn-out?
Zakel: Burn-out ist ein Schmäh. Die Menschen haben einfach Sinnkrisen. Der Staat behindert sie, die Steuerlast endet nie. Es kommt einfach nix raus bei ihrer Tätigkeit. Das belastet die Leute, dass sie nichts mehr erreichen können. Es kann ja keiner mehr was werden in Österreich, außer durch Kriminalität oder beim Lotto. Naja, in der Politik vielleicht.

"Krone": Sie sitzen hier von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr nachts. Das ist auch nicht gerade aufbauend.
Zakel: Ich sitze gerne hier. Wenn man einmal etwas gefunden hat, was man gerne macht, braucht man nie mehr arbeiten! Ich mache das jetzt einmal drei Monate so. Produktentwicklung, wie beim Big Mac. Wenn die Kunden es nicht wollen oder nur zu gewissen Zeiten, passe ich mich an.

"Krone": Aber ist so ein 16-Stunden-Tag überhaupt erlaubt?
Zakel: In den Landesspitälern kümmert sich auch keiner drum, wie lang du arbeitest. Da waren es manchmal 18-Stunden-Tage. Das war im System jedem wurscht. Aber die Ärztekammer hat natürlich in vorauseilendem Gehorsam gleich gesagt: Wir schauen uns das ganz genau an. Jetzt waren sie da, passt eh alles.

"Krone": Sie sind nicht gerade billig. Ein 15-Minuten-Termin kostet pauschal 50 Euro.
Zakel: Ja, das ist eine Hürde. Aber vielen Leuten ist es das wert. "Wir wollen nicht mehr die depperten Gespräche von der Nachbarin im Wartezimmer mithören", haben mir viele Patienten gesagt. Dafür legen sie gerne 50 Euro hin.

"Krone": Zahlt das die Versicherung?
Zakel: Wenn Sie sie sechs Monate lang schikanieren, kriegen Sie von meinem Honorar vielleicht 2,50 Euro zurück (lacht).

"Krone": Stört es Sie nicht, dass die Leute hier rausgehen und sich an der Kassa eine Leberkässemmel kaufen, bevor sie wieder in ihr Auto steigen?
Zakel: Warum sollte mich das stören? Eine Leberkässemmel ist ja nichts Schlechtes. Fett ist ja gut. Und macht schön satt.

"Krone": Aber es ist definitiv nicht gesund.
Zakel: Es kommt immer auf die Dosis an. Wie beim Rasierwasser. Und außerdem sind wir freie Menschen. Jeder kann mit seinem Leben machen, was er will.

"Krone": Steckt in Ihnen gar nichts Missionarisches?
Zakel: Ich sage meinen Patienten immer: Man zahlt für alles einen Preis. Den sieht man erst am Ende des Lebens. Die Kerze, die heller brennt, brennt kürzer. So ist es nun einmal. Bevormundung bringt gar nichts. Weil die Leute wie Esel sind. Die machen auch nie das, was du ihnen sagst.

"Krone": Herr Dr. Zakel, wann haben Sie gewusst, dass Sie Arzt werden wollen?
Zakel: Das war beim Bundesheer. Ich bin in irgendeinem Schützengraben herumgekräult und hab' mir gedacht: Das kann es auch nicht sein: Jetzt machst du was G'scheites. Als Arzt bin ich dann auf der ganzen Welt herumgekommen. Und wer einmal höher oben steht auf dem Berg, kann locker entspannt in die Ferne blicken.

"Krone": Und da haben Sie eine Tankstelle gesehen?
Zakel: Genau. Da, wo ich jetzt angekommen bin, wollte ich eigentlich immer hin.

Seine Karriere
Geboren am 25. April 1963 in Ebergassing, Niederösterreich. Nach der Offiziersausbildung studiert Zakel Medizin in Wien. Heute hat er Diplome als Allgemeinarzt, Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin, für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, als Notarzt, klinischer Prüfarzt und Militärarzt. Seit 1. Mai ordiniert er auf der Eni-Tankstelle in Wien-Döbling (Web: dr.ive-in.at). Er ist auch Spezialist für Tauchmedizin und forschte an der Duke University in den USA für die Navy Seals. Privat ist der 51-Jährige mit Ingrid Schak verheiratet, sie ist Reiseleiterin. Zwei Söhne aus erster Ehe, Erik (27) und Stefan (28).

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