Live im Gasometer

Rapper Casper tauschte Pubertät gegen Pathos aus

Musik
09.03.2014 11:00
Der Hype scheint am Höhepunkt. Vor ausverkauftem Haus und johlendem Publikum lieferte Deutschlands derzeit vielleicht populärster Rapper Casper am Samstagabend eine schweißtreibende und gereifte Show im Gasometer. Mit massig Material seines Nummer-eins-Albums "Hinterland" und älteren Klassikern zeigte der 31-Jährige dabei unterschiedliche Gesichter. Die Kraft liegt mittlerweile in der Ruhe.
(Bild: kmm)

Mit seinem dritten Studioalbum "Hinterland" landete der deutsche Senkrechtstarter Casper letzten Herbst bei uns auf Platz eins – der klein gehaltene Club-Gig im Wiener Flex Anfang November war in Rekordzeit ausverkauft. Das Phänomen Casper wurde bereits hinlänglich erklärt – die magische Sogwirkung, die er bei seinen Fans entfacht, lässt auch im mittlerweile vierten Erfolgsjahr nicht nach.

Auftritt der Amadeus-Helden
Davor bekommen die Fans heimische Kost serviert. Bilderbuch, heuer übrigens für vier (!) Amadeus-Awards nominiert, scheinen langsam Erfolg für die harte Arbeit einzufahren. Die krude Mischung aus Avantgarde-Pop, Progressive-Rock, Indie-Sounds und elektronischen Elementen schmecken mittlerweile nicht mehr nur den Kritikern. So stellt Sänger Maurice Ernst seine Band als "Aperitif für Casper" vor, der "den Abend versüßen" soll und spaltet die Anwesenden in zwei Lager. Die einen finden die Texte über angezogene Moon Boots, verlebte Jugend und der "Maschin" "unnötig", andere preisen sie als "geilste Band Österreichs". Der Trend geht stark zu These zwei.

Seichter, weniger angriffig und vor allem noch viel eingängiger ist das neue Material von Casper geworden, und es hat dem sympathischen Kappenträger mit der markanten Krächzstimme die erwünschte und insgeheim wohl auch erwartete Verbreiterung des Publikums erspielt. Das opulente Intro zu "Im Ascheregen" zeigt schon früh an diesem Abend, dass miefige Kellerkonzerte endgültig passe sind.

Mit Humor und aus dem Takt
Casper spielt in der deutschsprachigen Champions League der Rap-Szene und kann auf der Bühne seine volle Energie entfachen. Während des neuen Songs "Alles endet (aber nie die Musik)" und des atmosphärischen Klassikers "Auf und davon" spult er zig Bühnenkilometer ab, zeigt sich stark bei Stimme und baut schon früh auf den Schmähfaktor, der trotz kultureller Barrieren problemlos funktioniert. Geschickt spielt er Sitz- und Stehplatzgäste humorig gegeneinander aus, lässt dem Lichttechniker Sonderapplaus zukommen und animiert zur Welle im Auditorium. Den Wienern fehlt es nur an Taktgefühl – das Rhythmusklatschen zu "20qm" muss unter der Aufsicht eines augenzwinkernden Casper mehrfach wiederholt werden.

Unterhaltung für das Zielpublikum – man will dem charmanten Sänger kein Kalkül vorwerfen, doch nach reihenweise ausverkauften Konzerten und einem nicht zu stoppenden Erfolgslauf spielt er sichtbar professionell auf der Klaviatur des Entertainments. So ist die Risikobereitschaft zu flotten Nummern im ersten Konzertteil sehr niedrig angesetzt. Mit "Ariel", "Ganz schön okay" und dem eindringlichen "Lux Lisbon" pfeffert Casper seine neuen Songs im Stakkato-Takt hinaus, der Anteil an Balladen und pathosgeschwängerten Bombast-Nummern ist aber inflationär hoch.

Pubertät ad acta gelegt
Wären nicht das kantige "Casper! Bumaye" vom Debütalbum "Hin zur Sonne" und das mit wummerndem Bass durchdringende "Blut sehen (Die Vergessenen Pt. 2)" eingestreut, würde so manches Ohrenpaar ob der Elegie der Songs um etwas mehr Mut zum Rohen betteln. Das stark von Bruce Springsteen inspirierte "Hinterland" hat mit eben "Lux Lisbon" oder dem starken Titeltrack kernige Asse, die auch livehaftig funktionieren. Das ungestüme Spätpubertätsausbrechen, das der Vorgänger "XOXO" perfekt wiederzugeben vermochte, wird zu selten gezündet.

"Der Druck steigt" leider nur marginal und flotte Songs wie "So perfekt" oder "Mittelfinger hoch" finden im Gesamtkontext zu wenig Platz. Der herausragenden Stimmung tut dies aber nichts zur Sache, das Wiener Publikum zeigt sich textsicher wie nie zuvor und ringt damit selbst dem Star auf der Bühne ehrlich gemeinte Respektsbekundungen ab. Trompete, Ziehharmonika und Mariachi-Flair schließen das Konzert mit den Songs "Endlich angekommen" und "Jimbalaya" ab, begeistertes Gekreische beim Bühnenabgang inkludiert.

Casper ist mittlerweile endgültig zum Hohepriester der Hipster-Kultur mutiert und im akustischen wie auch finanziellen Mainstream angekommen. Ein verdienter Erfolg – auch wenn er nicht ohne Entwurzelung von der eigenen Vergangenheit vonstatten gegangen ist.

Casper kommt bald wieder
Wer kein Ticket mehr für die Wien-Show ergatterte oder Casper einfach verpasst hat, bekommt die Möglichkeit, den sympathischen Star beim Nova Rock Festival zu bejubeln. Karten erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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