Offenherziges Land

Das Lächeln des Orients: Zu Besuch im Iran

Reisen & Urlaub
08.03.2014 17:00
Unaufdringlich, doch stets aufgeweckt, kontaktfreudig und neugierig – offenherzig zeigen die Menschen im Iran nicht minder Interesse an Gästen aus Europa wie diese an ihrem Land. Ein Blick hinter den politisch-religiösen Schleier der islamischen Republik offenbart überraschende An- und Aussichten.

Seit jeher am Schnittpunkt vieler Kulturen gelegen, spiegelt der Iran eine jahrtausendealte Geschichte wider. Griechen, Araber, Seldschuken, Turkmenen, Mongolen, Armenier und andere Völker mischten sich darunter. In der Hochblüte vor 2400 Jahren galt Persien, wie das Land bis 1935 hieß, als in Glaubensbelangen tolerante Weltmacht. Der unvermuteten Aufgeschlossenheit von heute begegnen wir nach der Ankunft in Isfahan auf Schritt und Tritt.

Ob Männer im "zeitlosen" Sakko oder Frauen im schwarzen Tschador, der gemäß den strengen Regeln Kopf und Körper zu verhüllen hat – höflich versuchen die gastfreundlichen Einheimischen, mit Touristen ins Gespräch zu kommen. "Können wir Facebook-Freunde werden?" Die Frage eines Mädchens, das wir auf dem weitläufigen Imam-Platz im historischen Zentrum der Oasenstadt antreffen, verblüfft.

Jugend macht sich nicht viel aus Vorschriften
Denn die Nutzung sozialer Netzwerke via Internet ist (offiziell) nicht erlaubt. Von der Obrigkeit als "unislamisch" verpönt, sind sie tabu – wenngleich sogar die politische und religiöse Leitfigur des schiitischen Iran, Ayatollah Ali Khamenei, selbst der Facebook-Community angehört. Die Jugend lässt sich aber ohnehin keine allzu großen Vorschriften mehr machen.

Über versteckte digitale Umwege greifen nachstrebende Generationen auf gesperrte Internetseiten zu. Das entgeht der moderaten Regierung von Präsident Hassan Rohani nicht. Aus jenem Komitee, das über Internetinhalte wacht, kamen bereits Signale zur Lockerung der Online-Zensur. Eine kleine Revolution im Land der Revolutionsräte. Mit offenem Ausgang angesichts starker konservativer Kräfte.

Blühende Gärten inmitten der Wüste
Zwischen aufschlussreichen Plaudereien und dem flüchtigen "Welcome", das uns Passanten im Vorbeigehen immer wieder lächelnd zurufen, zieht der Zauber der Vergangenheit in seinen Bann. Wie eine verführerische Fata Morgana muss Ankömmlingen nach strapaziösen Karawanen-Etappen einst Isfahan erschienen sein.

Üppig blühende Gärten und prächtige Architektur empfingen die weit Gereisten in der Handelsmetropole zwischen Orient und Okzident. Von der Größe islamischer Baukunst zeugt der von der UNESCO geadelte Imam-Platz aus der safawidischen Epoche, auf 1,3 Kilometer Länge umsäumt von Schatten spendenden Arkaden. Schah Abbas I. ließ das Ensemble, oft stolz Naqsh-e Jahan ("Abbild der Welt") genannt, um 1600 errichten.

Imam-Moschee: Private Gebetsstätte der Könige
Vom Ali-Qapu-Torpalast aus verfolgte der königliche Polo-Fan hoch zu Ross sportliche Wettkämpfe und Paraden. In Richtung Mekka ausgelegt, tanzt die Imam-Moschee etwas aus der Reihe. An morgenländischem Prunk ist sie jedoch kaum zu überbieten. Außen wie innen sind sämtliche Fassaden über und über detailreich mit Fliesenmosaiken verziert.

"Der Mörtel von damals war die Liebe der Architekten zu ihrer Arbeit. Seit 400 Jahren halten die kostbaren Kacheln fest an den Wänden. Bei Neubauten fallen sie heutzutage spätestens nach 15 Jahren ab", sagt Guide Ahmad mit einem Augenzwinkern.

Zwei Minarette sucht der staunende Besucher bei der in allerlei Blautönen schimmernden Scheich-Lotfullah-Moschee an der Ostseite vergebens. "Die private Gebetsstätte der Königsfamilie war nicht für öffentlichen Gesang ausgerichtet", erklärt Ahmad. Zum großen Basar, wo reges Geschäftstreiben herrscht und altes Kunsthandwerk lebendig ist, führt das Tor am Nordende des Imam-Platzes. Aufdringliche Händler gibt es nicht.

Besuch beim Palast der 40 Säulen
Unweit davon beeindruckt der Palast der 40 Säulen. Eigentlich sind es nur 20, die sich aber im lang gezogenen Wasserbecken davor spiegeln. "Die Ziffer 40 steht für Vollkommenheit. Sie bedeutet auch eine Vielzahl. So wie im Märchen von Ali Baba, der nicht 40, sondern eben viel mehr Räuber um sich geschart hatte", wird uns verraten.

Als ehemalige Karawanserei lädt das bekannte Abbasi Hotel zu einer Verschnaufpause bei Tee und orientalischen Süßigkeiten ein. Verschwunden ist jedoch der Fluss Zayandeh Rud, der bis vor Kurzem die Stützpfeiler der imposanten 33-Bogen-Brücken umspülte. Ein Staudamm ist der Grund. Isfahans Bewohner nehmen es gelassen. Schließlich dient das Wasser zur Versorgung umliegender wachsender Städte.

Orientalische Tradition trifft Moderne
Knapp zwei Stunden Busfahrt entfernt, zeigt der Iran in Varzaneh ein anderes Gesicht. Am Rande der Wüste prägen Häuser aus Lehm das Stadtbild. Nur hier tragen Frauen einen weißen Tschador – Zeichen einer lang zurückreichenden religiösen Tradition. Die letzte bewohnte Zitadelle ist ganz in der Nähe zu finden. Auf seine eigene sympathische Art rührt Reza Khalili eifrig die Werbetrommel für seine Heimat. In seinem Domizil bitten er und seine Familie zu Tisch, oder besser gesagt zu Boden, wo typische hausgemachte Gerichte wie Khoresht serviert werden.

Vor und nach dem Mahl lässt der umtriebige Lehrer von Dorfbewohnern vorführen, wie Fäden gesponnen werden oder früher beim "Kuhbrunnen" dank Rinderkraft und lyrischem Gesang Wasser geschöpft wurde. Ungewollt für herzhaftes Gelächter sorgt jener Helfer, der in einer Mühle ein Kamel im Kreis antreibt, um wie anno dazumal Getreidekörner zu Mehl zu vermahlen. Denn mitten in der Schau läutet sein Handy. Willkommen in der Gegenwart.

Lohnendes Urlaubsziel mit Imageproblemen
Als Ausdruck der Freude über Touristen bedanken sich immer wieder Einheimische bei den Gästen, dass diese ihre Heimat überhaupt bereisen. So sehr hat das Land mit Imageproblemen zu kämpfen. Dabei ist der Iran, vorurteilsfrei betrachtet, ein lohnendes Urlaubsziel.

Nach fünf Stunden reiner Flugzeit spannt sich der kontrastreiche Bogen von Bergen zum Wandern und schneebedeckten Gipfeln nahe der modernen Millionen-Metropole Teheran über Strände im Süden und Norden bis zu Schätzen des alten Persiens. 16 Sehenswürdigkeiten stehen auf der UNESCO-Liste der Weltkulturerbestätten, darunter die antike Residenzstadt Persepolis. Trotz Kopftuchpflicht auch für Touristinnen – die beste Werbung für das fremde Land sind die Iraner selbst.

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