"Krone"-Interview

S.O.D.A.: “Wir beziehen immer Stellung”

Musik
11.02.2014 08:00
Welch großes Jazzland Österreich eigentlich ist, wird in der Öffentlichkeit meist nur rudimentär wahrgenommen. Die Wiener S.O.D.A. verknüpfen auf ihrem zweiten Album "Two Faced" traditionellen Jazz mit feurigem Pop, tanzbarer Elektronik und einer Prise Soul und Improvisationskunst. Die "Krone" hat sich mit Mastermind und Ex-Café-Drechsler-Musiker Oliver Steger zusammengesetzt, um über die heimische Jazzlandschaft, die entschleunigende Wirkung seiner Tochter und die Nachteile von Crossover-Musik in Österreich zu sprechen.
(Bild: kmm)

"Krone": Mit "Two Faced" erscheint dieser Tage das zweite S.O.D.A.-Album und die eklatanteste Veränderung war der Sängerinnenwechsel. Wie kam es dazu, dass jetzt Gabriela Horn statt Patricia Breiteck singt?
Oliver Steger: Das verlief eigentlich ganz klassisch. Patricia hatte das Album zwar fast fertig gesungen, sich aber nicht gut genug überlegt, ob sie den ganzen Weg mit uns gehen möchte. Es war ihr dann einfach zu viel. Sie selbst hat eine ziemlich coole R&B-Band und wollte sich wohl wieder auf ihre eigenen Sachen konzentrieren. Da das Album fast fertig war, war das natürlich eine blöde Situation für uns, aber wir haben dann ein Hearing mit sechs Sängerinnen gemacht und Gabi wurde schließlich ausgewählt. Sie hat innerhalb einer Woche fast das ganze Album eingesungen.

"Krone": Nach welchen Kriterien habt ihr Gabriela gewählt?
Steger: Wir hatten drei Songs angeboten und alle Kandidatinnen hatten eine Woche Zeit – entscheidend war die bessere Performance. Was für Gabi sprach war, dass sie auch eine elektronische Loop-Station mitbrachte, wo sie selbst Chöre aufnehmen kann. Das passte perfekt zu unserem Konzept und sie hat es auch am besten rübergebracht. Es war eine Entscheidung auf sehr hohem Niveau und bei Gabi wussten wir, dass sie für die Sache brennen würde.

"Krone": "Two Faced" ist wesentlich elektronischer ausgefallen als der Vorgänger. Stand das Konzept schon vor der Sängerinnenentscheidung?
Steger: Eigentlich wollten wir ein Doppelalbum machen – eine Gegenüberstellung von der akustischen und der elektronischen Seite der Band. Wir wollten dem Publikum verschiedene Soundfacetten liefern. Es war dann aber eine Frage des Geldes und so haben wir nur ein Album gemacht und die stärksten Tracks beider Welten vermischt. Die restlichen Songs verwenden wir vielleicht als Bonustracks oder für das nächste Album.

"Krone": Der Song "Lullaby #1" etwa klingt sehr verspielt, wie aus einer Jam-Session heraus. Passiert bei euch viel aus der Improvisation?
Steger: Das ist ganz verschieden. Es gibt offene Teile, aber auch geschriebene und geplante Parts.

"Krone": Ist da ein zweiter Teil des Songs geplant, nachdem er "Lullaby #1" heißt?
Steger: Nein, eigentlich ist es ein Schlaflied für meine zweijährige Tochter. Das fiel mir ein, als ich für sie gesungen habe und vielleicht schreibe ich noch andere Schlaflieder – deswegen habe ich #1 hingeschrieben (lacht).

"Krone": Der Albumtitel und das Cover-Artwork mit euren verschwommenen Gesichtern wirken zueinander passend. Was ist eure genaue Botschaft dahinter?
Steger: Wenn man die Batman-Comics mit Two Face kennt, ist es ein zynischer Ausdruck. Es spiegelt die Zweigesichtigkeit, die gute und die schlechte Seite wieder. Der Titeltrack beschreibt dieses Thema. In der ersten Strophe werden zwei reiche Typen beschrieben, in der zweiten zwei arme und dazwischen gibt es die Bridge, wo du dich selbst entscheiden kannst, was du aus deinem Leben machst. Das ist aber eher zynisch gemeint, denn viele Leute können sich das überhaupt nicht aussuchen. Für S.O.D.A. sind solche Texte insofern wichtig, als das wir immer Stellung beziehen. Es ist nichts Oberflächliches, sondern handelt von Sachen, die uns berühren. Andererseits war der Albumtitel auch für das geplante Doppelalbum konzipiert. Es ging zwar nicht ganz so auf, aber der Titel bezieht sich jetzt viel stärker auf den Text und das macht mich glücklich.

"Krone": Hast du selbst ein zweites Gesicht, das dir nicht so gut gefällt?
Steger: Sehr gute Frage, natürlich habe ich das auch (lacht). Jeder Mensch kämpft mit seinen eigenen Problemen, denn das Leben ist eine einzige Persönlichkeitsentwicklung.

"Krone": Kannst du deine schlechten Seiten unterdrücken?
Steger: Naja, in einer Band oder in einer Beziehung, eben dort, wo man langfristig mit Menschen zu tun hat, gibt es immer wieder Reibereien. Wir müssen uns in der Band stets neu erfinden und zusammenraufen, das zeichnet aber auch die Qualität von uns aus.

"Krone": Du bist der Chef bei S.O.D.A. Schreibst du die Songs selbst oder geht der Prozess demokratisch vonstatten?
Steger: Beim ersten Album habe ich fast alles selbst geschrieben und bei "Two Faced" habe ich mich auf die Bass-Grooves, Akkorde und Melodien konzentriert. Das Album wurde von unserem Keyboarder Dieter Stemmer produziert und er hat dieses Mal sehr viel geschrieben. Durch den abrupten Sängerinnenwechsel haben wir auf vier Textkomponisten zurückgegriffen.

"Krone": Stehst du Ideen der anderen Kollegen offen gegenüber?
Steger: Auf jeden Fall. Das ist auch das Ziel der Band. Wir wollen damit alle ein Standbein haben und da ist es natürlich willkommen, wenn jeder seine Ideen einbringt.

"Krone": Zieht sich das "Two Faced"-Konzept durch das ganze Album?
Steger: Es gibt schon einige gesellschaftskritische Texte, aber weniger als auf dem ersten Album. Wir haben auch viele witzige Sachen und ein paar Liebeslieder oben.

"Krone": "Immer mehr" klingt stark nach Konsumkritik.
Steger: Wir haben ein Video dazu gedreht, wo eine Band immer schneller immer mehr will und die Schnelllebigkeit der Welt verkörpert. Es gibt dann noch vier Maskengestalten im Theater, die nicht wissen, was hier passiert – das Grundthema sollte Entschleunigung darstellen.

"Krone": Du bist auch außerhalb der Band irrsinnig aktiv – kannst du selbst gut entschleunigen?
Steger: Momentan kann ich das sehr gut, weil ich mich in Vaterkarenz befinde. Ich habe also zwei Tage in der Woche, wo ich nur mit meiner Tochter beschäftigt bin, was eine super Entschleunigung ist (lacht). Da muss ich dann abschalten, denn sie braucht Aufmerksamkeit. Am Computer kann ich auch nachts arbeiten – und schlaflos bin ich öfters (lacht).

"Krone": Warum ist "Immer mehr" der einzige Song, der auf Deutsch stattfindet?
Steger: Das hat sich einfach so ergeben, da gibt es keinen besonderen Grund dafür. Mit Patricia haben wir mehr R&B- und Hip-Hop-lastige Texte geschrieben, was uns eine Zeit lang sehr viel Spaß gemacht hat, aber dann gab es auch einiges auf Englisch. Die Gabi macht das lieber so und wir sind sehr offen und schränken uns in dem Bereich nicht ein. Wir finden auch deutsche Texte gut, weil sie eine andere Poesie und einen anderen Sprachrhythmus haben.

"Krone": Ist es nicht schwieriger, kritische oder persönliche Texte in der Muttersprache zu singen?
Steger: Ich denke schon, vor allem ist es wohl wahnsinnig schwer, diese Sachen gut auszudrücken. Oftmals rutscht das recht schnell in die Lächerlichkeit ab. Es ist eine coole Hürde, aber bei mir persönlich ist es zum Beispiel so, dass ich bei englischen Texten weniger auf den Text an sich höre, sondern mehr auf die Sprachmelodie. Seit etwa 60 Jahren sind englische Texte im deutschsprachigen Raum bekannt und kaum jemand versteht sie – das ist ganz normal geworden. Frank Zappa hatte 1980 mit "Tower Of Power" einen Hit mit Bobby Brown. Das ist eigentlich eine S&M-Gerätschaft und er sagte, auf seiner Europatour hätte er die Deutschen in der Disco dazu tanzen sehen (lacht). Das ist eigentlich absurd, weil die Leute nicht gecheckt haben, was er besungen hat.

"Krone": Innerhalb eurer Band kommt ihr aus den verschiedensten musikalischen Ecken. Ist es somit schwierig für euch, einen gemeinsamen Konsens zu finden?
Steger: Das ist schon ein immerwährender Prozess, sich ständig neu zu erfinden. Wir haben lange überlegt, ob wir nicht zu sehr abdriften, aber der Sound steht jetzt im Prinzip. Jeder hat seine eigener Bandsound etabliert. Er wird sich auch zukünftig noch weiterentwickeln.

"Krone": Wolltet ihr euch grundsätzlich vom ersten Album abgrenzen?
Steger: Schon – wir wollten eine Weiterentwicklung zeigen. Wir hatten dazwischen 40 bis 50 Konzerte und wir haben gesehen, dass es auch beim Publikum anders ankommt. Wir spielen mal akustischer, dann wieder elektronischer – das ist ganz auf die Location angepasst.

"Krone": Habt ihr eine gewisse Präferenz für den elektronischen oder den akustischen Part?
Steger: Ich spiele sowieso immer akustisch, aber mir taugt beides gleich gut.

"Krone": Dass ihr euch trotz der vielen Nebenprojekte immer zusammenfindet, geht sich gut aus?
Steger: Wir sind eine "Working Band" und arbeiten in Dieters Studio im 16. Bezirk und treffen uns sehr regelmäßig. Wir sind stark dahinter und jammen fix einmal die Woche. Als es um die Platte ging, trafen wir uns fast täglich.

"Krone": Dich kennt man hauptsächlich vom legendären österreichischen Jazz-Trio Café Drechsler, die es jetzt nach der zeitweisen Auflösung wieder gibt, aber ohne dich.
Steger: Uli (Ulrich Drechsler, Anm.) hat vor einem Jahr eine Platte rausgebracht und er hat mich gefragt, ob ich mitspielen möchte, ich habe aber verneint. Einerseits wollte ich das nicht mehr aufwärmen, denn ich hatte eine schöne Zeit, aber so um 2008, als ich in etwa S.O.D.A. gegründet habe, gemerkt, dass es mich nicht mehr so interessiert. Als er mich fragte und es an die Produktion zu "Two Faced" ging, war für mich klar, dass sich das nicht ausgehen wird. Außerdem wollte ich meine Bass-Lines auch exklusiv für S.O.D.A. halten.

"Krone": Der Bandname S.O.D.A. bildete sich ursprünglich aus den Initialen eurer Vornamen – mittlerweile müsste man die Band eigentlich umbennenen.
Steger:(lacht) Das haben wir überlegt, aber es wäre dann holprig. Es sind die Vornamen der Gründungsmitglieder und das ist schon okay so.

"Krone": Ihr seid eine multikulturelle Band, die von der Besetzung und auch vom Klang sehr international ist. Landet ihr damit von außen schon bewusst in einer bestimmten Schublade?
Steger: Das ist eine gute Frage und ein schwieriges Thema. Eine Band, die Crossover-Musik spielt, hat es in Österreich nicht leicht und dadurch bleibt man oft auf der Strecke.

"Krone": Woran liegt das?
Steger: Weder weiß ich es, noch verstehe ich es. Es ist doch interessant und die einzig richtige Entwicklung, denn was soll anderes passieren, wenn Musiker aus verschiedenen Ecken in einer Stadt leben und gemeinsam Musik machen? Da entsteht einfach was Eigenes daraus. Gerade bei unserem Percussionisten Amir, der persische Musik spielt, klingt das hervorragend. Ich kenne niemanden, der geilere Hip-Hop-Grooves spielt als er (lacht). Insofern finde ich das sehr spannend und mich wundert es, dass viele Journalisten und Veranstalter das nicht so sehen.

"Krone": Seid ihr dadurch bei Veranstaltern wirklich daran gescheitert, ein Konzert geben zu können?
Steger: Es kommt schon vor. Bisher hatte ich Glück, dass uns die großen Veranstalter von Jazz-Festen oder –Konzerten einfach gebucht haben. Beim Jazzfest Wien oder im Porgy & Bess gab es nie Probleme – es ist insgesamt nicht ganz so arg, aber es kommt vor.

"Krone": Stößt ihr international mit S.O.D.A. auch auf Anklang?
Steger: Wir haben ein Label in Hamburg und dort werden wir auch aufgebaut. Mit dem letzten Album haben wir es nicht wirklich über die Grenzen geschafft, dieses Mal sollte es aber besser aussehen. Es gibt auch von den größeren Jazzfestivals mehrere Interessenten. Ein Ziel von uns wäre auch, dass wir zumindest teilweise von der Band leben könnten.

"Krone": Das wird dann doch schwierig, S.O.D.A. zeitlich mit deiner Tochter zu vereinbaren.
Steger:(lacht) Nein, das geht schon. Ich bin ja nicht ewig unterwegs. Ein paar Tage am Stück sind ja kein Problem.

"Krone": Warum muss man sich eine S.O.D.A.-Show deiner Meinung nach unbedingt ansehen?
Steger: Wir sind eine interessante Mischung aus Songwriting, World Music und Jazz-Harmonien. Wir sind eine coole Band, die Stellung bezieht, sich Gedanken macht und einen eigenen Sound entwickelt.

"Krone": Trotz der Verspieltheit gibt es auf "Two Faced" immer eine einfach zu konsumierende Melodie, die einen roten Faden bildet. Ist es schwer, diesen immer zu finden?
Steger: Nein, starke Hooks zu erschaffen ist eine Kunst und das hat mich immer interessiert. Wir suchen ständig danach. Mir gefällt das auch bei meinen Jazz-Heroen – das sind meist Popsongs, die im Jazz-Gewand daherkommen und so ist mein Zugang zum Songwriting.

"Krone": Wie viel tut sich in der jugendlichen Jazz-Szene in Österreich?
Steger: Ich unterrichte auf einem Konservatorium und ich bin sehr begeistert von dem Niveau. Es gibt sonst auch noch die Jazzwerkstatt Wien. Dort sind die Leute zwar schon an die 30, aber sie haben vor etwa fünf Jahren begonnen, den Jazz neu zu organisieren. Es ist unglaublich, wie viele Leute in Österreich Jazz machen. Ich würde sogar sagen, wir gehören zu den führenden Ländern Europas.

"Krone": Es ist aber ein Problem, dass man mit Jazz in Österreich kaum Breitenwirksamkeit erreicht.
Steger: Das ist sogar ein großes Problem – es gibt kaum Radios, die unsere Art von Musik spielen und es gibt auch immer weniger Locations. Die Budgetkürzungen in den letzten zwei Jahren waren schon auch Mitschuld daran. Die Studenten selbst werden im Gegenzug dazu immer motivierter (lacht). Man muss sich selbst organisieren – das ist wahrscheinlich die Zukunft des Jazz.

Wer sich von den Livequalitäten S.O.D.A.s überzeugen möchte, hat dazu Gelegenheit am 13. Februar in der Wiener Sargfabrik, wo die offizielle CD-Präsentation stattfindet. Karten erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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