Wie ein Roadmovie

Revolution und Realität: Mit dem Auto durch Kuba

Reisen & Urlaub
01.02.2014 16:53
Zugegeben, vom chromblitzenden Glanz eines 1959er-Chevrolets Impala, wie Che Guevara einen hatte, ist unser Leihauto, Baujahr 1998, meilenweit entfernt. Immerhin ist der Wagen fahrtauglich und kein Museumsstück wie die mintgrüne Edelkarosse des Nationalhelden.

Zu dritt im schmucklosen Pkw rollen wir los, direkt an den Strand von Varadero. So weit das Auge reicht, zieht sich das Band aus feinem weißem Sand entlang der Küste. Eine erste Wohltat für sonnenhungrige Winterflüchtlinge. Schnell noch ein Bad in den sanften Fluten des Atlantischen Ozeans, bevor wir dem Dorado des Urlauber-Mainstreams entfliehen, um Havanna anzusteuern.

Oldtimer, wohin das Auge blickt
Gemächlich fließt der Verkehr auf der "Autobahn". So bleibt genug Zeit, um auf Pferdekarren zu achten, Schlaglöchern auszuweichen und – in Nostalgie zu schwelgen. Denn was da an Limousinen unterwegs ist, kennt man nur aus alten Hollywood-Filmen. Cadillac, Pontiac, Chevy, Buick & Co., kein Schlitten jünger als die Revolution.

Viele davon fantasievoll zusammengeflickt, weil Ersatzteile fehl(t)en – ein Erbe des US-Embargos. Wir folgen dem "Gesetz der Straße": Wer Platz im Auto hat, nimmt Anhalter mit, die aus Mangel an Geld oder Buslinien auf dem Bankett auf eine Mitfahrgelegenheit warten.

Anhalter und ihre Geschichten
Wenn auch die Unterhaltung im spärlichen Spanisch holprig ausfällt, so lässt sich doch einiges über den Alltag auf der größten Karibikinsel erfahren – von Juana, die über ihre zähe Arbeit auf einer Tabakplantage erzählt, oder von Luis, der Langusten jagt und vom Restaurantbesitzer mit einem Hungerlohn abgespeist wird, während die maritimen Leckerbissen auf den Tischen im Lokal das Vielfache einbringen.

Sein karges Einkommen reicht gerade für ein Dasein mit der ganzen Familie im ärmlich-löchrigen Ziegelbau, den uns der gastfreundliche Fischer später offenherzig zeigt. Das Lachen vergeht ihm dennoch nicht: Die Cubanos haben die Musik, den Tanz und die Liebe. Und immer mehr den Tourismus, der bei nahezu kapitalistischem Geschick ein paar Dollar oder Pesos extra abwirft.

Ausfahrt Havanna. Bald finden wir uns in der Altstadt wieder. Umringt von stilvollen Kolonialbauten, wunderschön restauriert, teils verfallen. In Habana Vieja, seit 1982 Weltkulturerbe, können sich staunende Neuankömmlinge treiben lassen – durch enge Gassen, ins Zentrum mit dem Capitolio, an den Uferboulevard Malecón im Art-Deco-Viertel Vedado. Auf den Spuren von Ernest Hemingway wandeln Cocktailschlürfer in der Bar Bodeguita del Medio und der Floridita. Salud!

Der Zigarren-Schwarzmarkt blüht
Die nächste Etappe führt an den westlichen Ausläufer des Eilands nach Pinar del Río. Ein Rundgang in der kleinen Fabrica de Tabacos inbegriffen. Gebannt schauen wir den geübten Torcedores beim Rollen der Zigarren auf die Finger. "Nur Topqualität gelangt in den Verkauf in staatlichen Shops", betont ein Aufseher.

Der illegale Handel blüht vor den Fabrikstores. Streng sind daher die Kontrollen bei Feierabend. "Oft versuchen Arbeiter Zigarren, etwa in Hosenstulpen versteckt, aus dem Werk zu schmuggeln, um sie draußen zu verscherbeln." Wer erwischt wird, ist seinen relativ gut bezahlten Job los.

Auf eine Pferdestärke steigen wir im Valle de Viñales um. Dort, wo die besten Tabakanbaugebiete der Welt liegen, durchschreiten wir hoch zu Ross das grüne Tal, wirbeln mit den Hufen unserer Gäule den Staub roter Erde auf und erkunden Höhlen in zuckerhutähnlichen Kalkbergen (Mogotes). Sehenswert: An eine Felswand malte um 1960 Künstler Leovigildo González die Evolutionsgeschichte in Zeitraffer.

Ausflug zur "Perle des Südens"
Szenenwechsel mit 60 PS in die Mitte Kubas: Via Cienfuegos, früher "Perle des Südens" genannt, gelangen wir nach Trinidad. Koloniale Architekturjuwele zieren die UNESCO-geschützte Stadt, die besonderes Flair umgibt.

Kopfsteinpflaster und pastellfarbene Häuser von einst erwecken den Eindruck, die Zeit reicher Zuckerbarone sei stehengeblieben. Ein ausgedehnter Streifzug durch diese Vergangenheit lohnt sich! Einen Umweg und Abstecher wert: die Schweinebucht, in der Fidel Castros Truppen im April 1961 einer CIA-unterstützten Invasion standhielten.

Die kommunistische Fassade bröckelt ab
Nach 1.600 Kilometern endet unser Roadmovie. Wir fliegen nach Santiago de Cuba ans andere Ende der Insel. Beschwingt schlägt das "schwarze Herz" des Eilands. Heißer, sinnlicher ist die Afro-geprägte Atmosphäre, deren Klang, den Musikstil Son, der Buena Vista Social Club in die Welt hinaustrug.

Leise mischen sich ins quirlige Leben vermehrt kritische Töne: "Viele Landsleute wünschen sich Veränderung, liebäugeln mit der freien Marktwirtschaft", verrät ein Student. Stolz zeigt er uns Augenblicke später, wo Fidel Castro in Santiago wohnte und zur Schule ging. Wenngleich auch an der Mauer nebenan der Verputz abbröckelt, und mit ihm der Schriftzug "Viva la Revolución".

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