"Krone"-Interview

Halestorm: “Bin Gott sei Dank kein Spice Girl”

Musik
03.02.2014 08:00
Die US-Rocker Halestorm gehörten in den letzten Jahren zu den ganz großen Durchstartern und wurden dafür sogar mit einem Grammy belohnt. Die Tour mit Alter Bridge führte sie im Herbst auch nach Wien - dorthin kehren sie im Frühling als Headliner zurück. Wir haben uns Frontfrau Lzzy Hale und Gitarrist Joe Hottinger geschnappt, um über die Spice Girls, für Fans geschriebene Songs, High Heels und Musik zu sprechen.
(Bild: kmm)

"Krone": Ich finde es sehr interessant, dass ihr im Rock-Geschäft so viele Freundschaften mit bekannten Musikern habt. Das ist in einem doch von Eitelkeiten befallenen Segment eher unüblich.
Lzzy Hale: Wenn du so oft auf Tour bist wie wir, lernst du eine Menge Leute kennen (lacht).
Joe Hottinger: Die Rock-'n'-Roll-Welt ist ziemlich überschaubar und die großen Arschlöcher werden schnell aussortiert. Wir haben bislang fast ausschließlich lockere Begegnungen gehabt und versuchen auch selbst, sehr einfach und unkompliziert zu sein, um mit allen gut auszukommen.

"Krone": In den USA seid ihr schon seit Längerem eine wirklich große Nummer, in Europa geht das eher schleppend dahin. Obwohl ihr mit dem neuen Album "The Strange Case Of…" ordentlich aufgeholt habt.
Hale: Es ist ein steiniger Weg für uns und die Musikindustrie ist ja auch nicht mehr das, was sie einmal war. Wir arbeiten wirklich hart für die Band und eigentlich mag ich unsere momentane Situation sehr gerne. Es ist zumindest nicht so, dass wir überall megaberühmt sind und dann plötzlich ins Bodenlose stürzen.
Hottinger: Wir versuchen einfach, eine schöne Zeit zu haben. Wenn wir auf Tour ein paar Monate lang tolle Resonanz bekommen, ist das einfach hervorragend für uns.
Hale: Wir haben einfach immer eine gute Zeit (lacht).

"Krone": Wo liegen denn die großen Unterschiede zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Publikum?
Hale: Die USA sind einfach so riesig. Es gibt so viele Menschen, Clubs und Hallen im ganzen Land, das ist einfach unglaublich.
Hottinger: Auch medial ist es ganz anders als in Europa. In den USA ist alles so radiozentriert, dort hat die Printpresse nicht den hohen Stellenwert für Musik wie hier in Europa. Das Publikum will ich jetzt nicht unbedingt vergleichen, aber in Europa sind die Leute schon ein bisschen lauter und aktiver als in den USA.

"Krone": Ein großer Meilenstein für Halestorm war der Gewinn des Grammys für den Song "Love Bites (So Do I)". Seid ihr noch immer sehr stolz darauf?
Hale: Wir haben noch immer keine Ahnung, warum wir gewonnen haben, aber diesen Erfolg nehmen wir natürlich gerne mit (lacht). Wir hatten ja nicht einmal damit gerechnet, nominiert zu werden. Rockbands wie uns passiert so etwas im Normalfall auch nicht. Schon die Nominierung war für uns eine gewaltige Ehre – schließlich konnten wir dadurch aufgebrezelt zur Party gehen und viele interessante Menschen treffen. Als dann bei der Verleihung unser Name genannt wurde, waren wir alle für wenige Sekunden im Schockzustand. "Was? 'Love Bites'? Oh mein Gott, das sind ja wir!" (lacht) Mein Bruder (Arejay Hale, Schlagzeuger – Anm.) rannte als Erster zum Podium und als große Schwester dachte ich mir nur: "Bitte nicht er!" Also bin ich in meinem Kleid und meinen High Heels nachgerannt und alle hatten Angst, dass ich fallen würde. Es war einfach ein großes Durcheinander, weil wir nichts vorbereitet hatten.

"Krone": Angefangen habt ihr schon 1997 als Kinder, aber das offizielle Debütalbum erschien erst 2009. Was habt ihr in den zwölf Jahren dazwischen gemacht?
Hale: Wir haben einfach überall gespielt und schon damals drei Alben und ein paar EPs veröffentlicht, um unseren Namen in Umlauf zu bringen. Den Plattenvertrag bekamen wir dann eben etwas später. Wir haben also schon viel veröffentlicht, allerdings fanden nur ganz wenige Songs den Weg ins amerikanische Radio.

"Krone": Mitte/Ende der 90er-Jahre war Rockmusik gar nicht so populär. In eurem Alter damals hätte man sich doch eher an Boygroups orientieren müssen.
Hale:(lacht) Das stimmt. Ich danke Gott, dass ich nicht zu den Spice Girls gegangen bin. In meinem jugendlichen Kopf hat es damals einfach überhaupt keine andere Wahl gegeben. Rock war die einzige Option. Ich wollte einfach nur drauflosrocken, war damals sehr draufgängerisch und hatte auch einen Tunnelblick. Keine Ahnung, wie das schlussendlich tatsächlich funktioniert hat, aber wir sind noch immer hier (lacht).

"Krone": Ist es für dich als Frau manchmal schwierig, in einer derart maskulinen Szene tätig zu sein?
Hale: Nicht wirklich.
Hottinger: Also ich habe keine wirklich großen Probleme damit (lacht).
Hale: Verzeihung lieber Joe, natürlich hast du jetzt den Vortritt (lacht). Nein, also ich bin ja auch in unserer Band die einzige Frau, und selbst wenn uns jemand nicht kennt, sind wir halt einfach die "Chick-Band". Ich finde es ist völlig egal, welches Geschlecht du hast – es geht darum, hart für deine Träume zu arbeiten. Speziell in diesem Geschäft, das sehr gefährlich und unberechenbar ist – du hast ja keine Garantien und Absicherungen. Das Beste daran, dass ich eine Frau bei Halestorm bin, ist die Tatsache, dass sehr viele Frauen und Mädchen zu unseren Shows kommen. Sie wollen auch rocken und fühlen sich vielleicht von mir inspiriert.

Ich kriege immer noch Briefe von Fans, wenn wir bei den Veranstaltungsorten ankommen, und bin ganz ergriffen, wenn mir Mädchen darin beschreiben, dass sie durch mich auch eine Karriere beginnen möchten. Es ist großartig, dass ich diese Flagge hochhalten kann. Manchmal ist es auch ein bisschen erschreckend, wenn ich später sehe oder höre, was ich auf der Bühne so gesprochen habe (lacht). Jedenfalls hatte ich nie Probleme mit meinem Geschlecht in diesem Geschäft. Ich weiß schon, dass viele Frauen sich davon angegriffen fühlen, dass viele sich nicht um die Musik, sondern nur um das Aussehen kümmern. Das ist eine Frage der Ansicht – mir ist das total egal, was andere über mich denken. Es zählt nur, was mir wichtig ist und wie ich mich fühle. Solange ich hart arbeite und viel probe ist es mir egal, wofür du mich auf ein Magazin-Cover gibst. Ich bin gerne ein "Chick", trage auch gerne Heels – alles in Ordnung (lacht).

"Krone": Du hast also auch kein Problem damit, wenn dich – wie geschehen – das "Revolver"-Magazin unter den "Hottest Chicks Of Metal" listet?
Hale: Es stört mich nicht wirklich, weil es darum geht, was du individuell auf Papier bringst. Wenn du eine Person bist, die außer einem schönen Hintern und heißen High Heels nichts zu bieten hat, dann ist das halt so. Da gibt es keinen Grund, deswegen angesäuert zu sein. Aber wenn du eben weißt, dass du einen guten Job machst und Talent hast, warum sollte dich dann so etwas stören?
Hottinger: Wenn du gut bist und außerdem noch toll aussiehst, ist das ja ein Bonus.
Hale: Die schönen Beine verschwinden irgendwann einmal. Ich habe noch ein paar gute Jahre mit schönen Beinen vor mir (klopft sich auf die Schenkel und lacht). Die muss ich ja nutzen.

"Krone": Weil du von den Briefen der Fans gesprochen hast. Beantwortet ihr die immer noch persönlich?
Hale: Das meiste läuft ohnehin schon auf Social-Media-Kanälen wie Facebook oder Twitter. Wir haben unmöglich Zeit, jede einzelne Botschaft persönlich zu beantworten – das würde nicht gehen. Aber natürlich ist das für uns schmeichelhaft und wunderbar zu wissen, dass die Leute so offen für uns und unsere Musik sind. Es ist einfach schön zu sehen, dass wir sie damit berühren können.

"Krone": Du hast ja auch einen Song geschrieben, der mit Twitter in Verbindung steht.
Hale: Ja, das ist "Rock Show". Da hat mir ein Mädchen ihre erste Rockshow geschildert, und das war ein Halestorm-Konzert. Ich habe dann ihre Worte verwendet und in einen Song gepackt. Wenn wir die Möglichkeit haben, so etwas für unsere Fans zu machen, dann tun wir das auch üblicherweise. Es ist doch toller, einen Song zu machen, an den sie sich ewig erinne": Wie ist bei den Texten auf "The Strange Case Of…" das Verhältnis zwischen persönlichen Lyrics und handelsüblichen Rock-'n'-Roll-Klischees?
Hale: Es wird irgendwie immer persönlicher. Das Schöne, aber auch etwas Furchteinflößende an dem neuen Album, in dem ich wirklich sehr tief in meine Persönlichkeit gehe, ist die unglaubliche Reaktion der Fans. Ich habe also keine Wahl, als mich da weiter durchzugraben (lacht). Ich habe auf "The Strange Case Of…" schon eine "Scheiß drauf"-Einstellung gehabt und bin gerade dabei, für das nächste Album mehr von mir preiszugeben, als ich sollte. Für mich ist das eine Frage der Ehrlichkeit.
Hottinger: Es ist schon sehr riskant, zu persönlich zu werden. Du siehst das auch an Eminem, was der immer so alles über seine Alben erzählt hat. Die Leute konnten sich einfach in ihn und seine Probleme reinversetzen – ich glaube, das macht die ganze Musik besser.
Hale: Ich mag es aber auch, Songs wie "Love Bites (So Do I)" zu schreiben. Da fühlt man sich einfach sicherer und es ist mehr so eine Art Attitüde. Ich versuche immer, mich weiterzuentwickeln.

"Krone": Das ist wirklich gefährlich, denn je persönlicher du wirst, umso verletzlicher wirst du.
Hale: Das ist wahr, aber das ist das Risiko, das du einfach eingehen musst. Genau diesen Gedanken habe ich auch jetzt gerade im Kopf, wenn ich an die Texte des nächsten Albums denke.
Hottinger: Schreib einfach einen Song, wie er dir in den Sinn kommt, und wenn es zu viel wird, schreib einfach den nächsten. Es ist doch genug Zeit und man kann einfach immer neue Songs schreiben.

"Krone": "In The Strange Case Of…" weist eine hohe Variabilität auf. Es geht nicht nur Vollgas nach vorne, sondern es gibt auch viele ruhige Momente.
Hale: Das ist Fluch und Segen zugleich, weil wir all diese Nischen abdecken können. Wir haben entdeckt, dass ich ziemlich gut schreien und auch clean singen kann.
Hottinger: Du jagst immer das, was dir gefällt. Wir machen einfach, was uns gefällt, und da kommen dann oftmals ganz unterschiedliche Stile und Tempi heraus.
Hale: Eigentlich schreiben wir sehr eigensinnig (lacht).
Hottinger: Beim ersten Album sind wir noch auf Nummer sicher gegangen. Es war unser erster Studioaufenthalt und wir haben einfach ausprobiert, wie das geht. Beim zweiten haben wir viel mehr experimentiert und uns ganz neue Ziele gesetzt. Das ist ja auch das Lustige am Albummachen.

"Krone": Habt ihr für "The Strange Case Of…" eigentlich auf ganz alte Songs oder Ideen zurückgegriffen?
Hale: Hier und da haben wir einen Vers und ein paar Gitarrenspuren verwendet.
Hottinger: Ich habe einige alten Ideen übernommen und diese dann unserer aktuellen Ausrichtung angepasst. Wir hatten wirklich einige gute Riffs, die wir verwenden wollten, aber wir mussten sie natürlich unserem Spiel, das besser geworden ist, anpassen. Wir hatten einen freien Tag zwischen Tour und Studioaufenthalt. Es war wirklich sehr stressig, aber ich mag das so. Ich bin auch der allgemeinen Ansicht, dass unter Druck vieles leichter geht.

"Krone": Ihr seid wirklich ununterbrochen auf Tour. Wie geht ihr mit diesem nomadischen Lebensstil um?
Hale: Man gewöhnt sich daran. Mittlerweile ist es so, dass wir auf Tour daheim sind und daheim Urlaub haben (lacht). Zu Hause gehen wir dann öfters mal aus, sind aber meist schon wieder dabei, unsere Sachen für die nächste Tour zu packen – das ist für uns normal geworden.
Hottinger: Die Welt betouren und Länder kennenzulernen, das ist genau das, was wir schon wollten, seit wir kleine Kinder waren. Es könnte also nicht besser laufen. Ich genieße es auch, daheim zu sein, aber nach ein paar Tagen juckt es mich schon wieder, auf Tour zu gehen.
Hale: Ich bin das Heimkommen gar nicht mehr gewohnt. Wo ist mein Terminplan? Oh Gott, muss ich wirklich selber kochen? Verdammt (lacht).

"Krone": Coverversionen von großen Künstlern sind euch sehr wichtig, ihr habt auch eine eigene Cover-EP herausgebracht. Einerseits gibt es da harte Kost von AC/DC oder Judas Priest, andererseits covert ihr auch Songs von Lady Gaga oder Daft Punk. Wie ergibt sich diese große Bandbreite?
Hottinger: Es ist doch alles Musik und wir wollen einfach nur rocken. Popsongs zu covern ist gar nicht so einfach, aber verdammt lustig. "Get Lucky" von Daft Punk ist das beste Beispiel. Das ist ein absoluter Disco-Song und wir wurden gefragt, ob wir den Song nicht covern könnten. Wir covern alles, kein Problem. Wir haben ihn akustisch nachgespielt und es ist ein wirklich guter Song. Wichtig war dann natürlich, ein gutes Riff einzubauen. Außerdem klingt alles, was Lzzy singt, cool. Also ist es wirklich egal, was wir covern.

"Krone": Und ganz aktuell schreibt ihr eben bereits am dritten Album.
Hale: Wir haben schon einige Songs geschrieben. Wenn wir in den Songwriting-Modus kommen, werde ich immer ein bisschen obsessiv (lacht). Ich bin jedenfalls schon aufgeregt und freue mich aufs Studio, wenn wir die Ideen wirklich ausprobieren. Das ist immer interessant – oft gräbst du dich ganz tief in deine Gedanken und musst dich doch oft komplett wieder rausbuddeln. Das macht einfach Spaß.

"Krone": Heuer wird man das Teil kaufen können?
Hale: Das hoffen wir. Wir haben früher schon viele solcher Versprechungen gemacht und niemals hat es funktioniert.
Hottinger: Wir arbeiten, so schnell wir können. Ich freue mich jedenfalls irrsinnig darauf, denn Alter-Bridge-Gitarrist Mark Tremonti hat mir Sachen gezeigt, die ich nicht kannte, also wird mein Gitarrenspiel auf dem dritten Album nochmals um einiges besser sein. Wir mussten lachen, denn Mark hat schnell gemerkt, dass wir die selben Licks wie Alter Bridge am Album haben werden (lacht).

"Krone": Bei eurem engen Zeitkorsett müsst ihr die Songs ja auf Tour schreiben.
Hottinger: Ja, aber wir sind auf Tour nicht ganz so produktiv.

"Krone": Da müsstet ihr dann auf Partys verzichten.
Hale: Für Party ist immer Zeit (lacht). Im schlimmsten Fall schaufelst du sie dir frei.

Wer mit Halestorm die nächste große Party feiern will, hat dazu am 26. April in der Wiener Szene Gelegenheit. Karten erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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