"Krone"-Interview

Keine Kommunikations-Probleme im Maximo Park

Musik
30.01.2014 08:38
Was macht man, wenn man als Indie-Band beginnt und plötzlich in den Mainstream rutscht? Wenn man Songs nicht mehr aus purem Egoismus komponieren kann und sich schreckt, im Radio nach Miley Cyrus gespielt zu werden? Paul Smith, der bestens gelaunte Maximo-Park-Sänger, gab uns darüber Auskunft und sprach zudem von seinem neuen Album, Kinoerlebnissen in Wien und dem bevorstehenden Konzert im Flex.
(Bild: kmm)

"Krone": Paul, zwischen eurem letzten Album "The National Health" und dem neuen, "Too Much Information", sind gerade einmal eineinhalb Jahre vergangen. Warum habt ihr dieses Mal so schnell gearbeitet?
Paul Smith: Wir haben wohl einfach gelernt, uns die Zeit besser einzuteilen (lacht). Nach unserem dritten Album "Quicken The Heart" haben wir eine Pause gemacht, um notwendige Dinge zu machen. Als wir dann für "The National Health" wieder die Arbeit aufgenommen haben, haben wir gemerkt, dass wir ein bisschen Zeit brauchen, um wieder in den Fluss zu kommen. Nachdem wir das Album fertig hatten, haben wir wieder gemerkt, wie gut wir zusammenarbeiten, und wollten diese Kreativität nutzen, um ein paar weitere Songs zu schreiben.

Ursprünglich wollten wir im Dezember 2012 nur ins Studio nach Sunderland, um ein paar Songs auf eine EP zu bringen. Wir haben sie aber wirklich gemocht und jeder, der sie hörte, meinte gleich, wir sollten das zu einem richtigen Album erweitern. Das war nicht wirklich der Plan (lacht). Wir haben die nächsten Monate ein bisschen darüber nachgedacht, weil ein Album doch beweisen soll, wo du als Band gerade stehst, während eine EP eher eine Art "Appetizer" darstellt. Wir haben dann die restliche Hälfte in unserem eigenen Studio in Newcastle aufgenommen und es war das schnellste Album, das wir je zusammengestoppelt haben. Wir haben unser Studio mit Küche und Toiletten ausgebaut, wodurch wir eine kongruente Arbeitsatmosphäre erschafft haben. Dadurch ging alles etwas schneller als sonst.

"Krone": Sprichst du mit dem Albumtitel die Informationsüberflutung durch das Internet und die Social-Media-Plattformen an?
Smith: Eigentlich rede ich über alles (lacht). Es gibt drei Schlüsselbotschaften. Einerseits wollten wir unser Album so gestalten, dass es aus diesem großen Meer von Informationen heraussticht, andererseits geht es von einem Extrem zum anderen. Wir haben Punk-Rock-Songs neben elektronischen Songs, wuchtige Balladen neben traditionellen Maximo-Park-Art-Rock-Songs. Wir wollten den Leuten einfach klar und deutlich erklären, wohin das Album geht, und das sagt schon der Titel aus. Bei uns kannst du ein Fan von vielen Arten von Musik sein, du musst dich nicht auf ein Genre beschränken.

Die dritte Botschaft betrifft die Texte. All unsere Alben hatten bislang einen hohen Anteil an emotionalen Inhalten und dieses Mal haben wir uns eher auf kurze Einzelgeschichten beschränkt. Das war eine bewusste Entscheidung von mir als Texter, dass ich die Themen von einem sehr persönlichen Standpunkt aus betrachte und die Ideen dann weiterspinne. Viele Bands sind eher lustig oder agieren unparteiisch – wir machen das nicht. Wir werden immer die Typen sein, die in unseren Lyrics ein bisschen mehr von uns selbst mitgeben. Das Ziel war eben zu zeigen: "Hey, hier ist unser fünftes Album. Manche Songs sind emotionaler und detailreicher. Wenn dir das nicht gefällt, musst du auch nicht hinhören. Du solltest Maximo Park mittlerweile kennen." (lacht)

"Krone": Ich finde das Coverartwork sehr interessant. Warum rasiert sich der Typ darauf die Zunge?
Smith:(lacht) Wer weiß das schon? Wir haben einfach wieder etwas komplett anderes gemacht, und das ist das Besondere an einer Band. Es geht darum, überraschend und frisch zu bleiben. Wir achten immer darauf, dass das Coverbild auch zum Inhalt passt und "Too Much Information" beinhaltet auch den Gedanken, ein bisschen abzurücken und Halt zu machen. Die Musik ist durchaus gewagt und so sollte auch das Artwork dazu sein.

Wir haben dieses Mal mit einem Künstler namens Matt Stokes gearbeitet. Er stammt aus Newcastle und ist ein sehr respektierter Künstler, der schon viele Preise gewonnen hat. Er legt seinen Fokus auf die abseitigen, subkulturellen Aktivitäten. Er macht viel für Soulmusik, auch für Filme und die Rave-Szene. Das Album selbst hat viele Themen, die sich um nachtaktive Themen drehen. Es dreht sich darum, zurückzuschauen, wer du einmal warst und was du geworden bist und was all das in deinem Gehirn bewirkt hat. An was kannst du dich erinnern? Davon handelt etwa der Song "Drinking Martinis". Wie habe ich meine Gehirnzellen behandelt und habe ich sie zerstört? Was mit deinem Hirn und deiner Erinnerung im Laufe des Lebens passiert, ist sowieso ein sehr interessantes Thema. Wir erinnern uns alle ganz verschieden an vergangene Erlebnisse. Das Album integriert also viele Elemente von Chaos und Lebenserfahrungen (lacht).

"Krone": Ein Song nennt sich sogar "Brain Cells" und ist sehr elektronisch ausgefallen. War es ein Ziel von euch, völlig neu zu klingen und manche Ideen von früher fundamental zu verändern?
Smith: Nicht bewusst. Wir haben aber dieses Mal Songs wie "Lydia, The Ink Will Never Dry" geschrieben, wo es einfach zu köstlich war, ein Gitarrenriff herunterzudrehen (lacht). Du verliebst dich dann sofort in den Sound. Unser Gitarrist Duncan hat "Brain Cells" auf einem Synthesizer geschrieben und einfach Lust bekommen, am Song herumzubasteln. Ich selbst habe völlig andere Ansätze beim Songwriting und war direkt überrascht, dass es den anderen Jungs gefallen hat, weil es bei uns nicht immer einfach ist, sich auf etwas zu einigen. Ich singe ja meistens eine Art von Rock-Falsett (lacht).

Ich war mir nicht sicher, wie die Leute darauf reagieren würden, aber in meinem Kopf waren die Ideen hervorragend. Wir haben dann versucht, mehr Songs ähnlich zu schreiben, und das hat nicht ganz funktioniert. So etwas kannst du nicht planen. Auch "Leave This Island" ist von Elektronik inspiriert und "Brain Cells" entstand unter dem Eindruck von Karin Dreijer-Anderssons Fever-Ray-Projekt und beinhaltet wirklich gespenstische Synthesizer-Klänge. Manche Songs finden wir selbst ganz lustig, weil sie teilweise im Vorfeld mit unserem ersten Album verglichen wurden. Das hat mich sehr überrascht, weil ich einfach keine Verbindung dazu finden kann. Im Endeffekt war es aber einfach wichtig, unsere derzeitige Vorstellung von Musik in die Welt zu lassen und die Aufmerksamkeit der Leute zu verlangen.

"Krone": Macht ihr Musik eigentlich vorwiegend für euch selbst, oder schon für die Fans?
Smith: Das ist eine gute Frage, denn sobald du weißt, dass du Fans und Hörer hast, beginnst du, über sie nachzudenken (lacht). Ganz am Anfang bist du da sicher egoistischer unterwegs, aber selbst als wir 2003 mit einer Handvoll Songs in Newcastle begonnen haben, überlegten wir schon, wie dieser oder jener Song wohl auf der Bühne klingen würde. Du überlegst dir auch die Texte, die du dann vor etwa 500 Leuten vorträgst und die einen gewissen Inhalt haben sollten. In einer Band zu sein, ist insofern gut, weil du so manch total verrückte Idee nicht immer durchsetzt (lacht). Manchmal schlägst du den falschen Weg ein, weil du selbst so in einem Thema drin bist, dass du auf das große Ganze vergisst.

Am besten funktionieren wir als Band, wenn wir Pop-Songs mit vielen Hooks schreiben. Wir versuchen natürlich auch, uns nicht zu wiederholen und gewisse Ideen zu erweitern, aber ein Song wie "Brain Cells" hat einfach einen Refrain, ist melodisch und sollte die Leute berühren. Gestern erst habe ich mich mit ein paar Freunden im Studio getroffen, um neue Gitarrentechniken auszuprobieren. Wir haben dazu etwa ein Stück Glas benutzt und einfach Lärm gemacht. Ich bin mir nicht sicher, ob das den Maximo-Park-Fans gefallen würde (lacht). Du musst deine Waffen wohl wählen und wir als Maximo Park wissen, dass unsere besten Waffen Refrains, Hooks und Pop-Strukturen sind.

"Krone": Bist du derjenige in der Band, der immer die verrücktesten Ideen auf den Tisch legt?
Smith:(lacht) Möglicherweise. Ich glaube, die Neigung zu diversen Verrücktheiten teilen wir uns ganz gut auf. Duncan und ich stehen auf experimentelle Musik, aber unser Drummer Tom fängt damit übern Iranern angehört, die arge Vokal-Musik spielten – ich bin immer auf der Suche nach neuen Stimulationen, die mich selbst inspirieren. Ich lese auch alles, was mir in die Hände kommt, um textlich besser zu werden. Es darf aber nichts aus dem Ruder laufen, denn in einer Band musst du an den anderen denken und darauf schauen, dass du den Weg der Band für andere Leute weitergehst. Ich mag es aber auch etwas abstrakter. Ich war zum Beispiel in einem 26-minütigen Chor bei einem Halbmarathon in Newcastle zu hören. Duncan nimmt viele eigene Sachen zu Hause bei sich auf. Wir veröffentlichen immer wieder Sachen, die wir unter dem Bandnamen nicht machen würden. Wir haben auch einen rein instrumentalen Soundtrack zu einem Film gemacht. Leute, die Maximo Park mögen, werden mich aber wahrscheinlich lieber singen hören (lacht). Es ist ein schmaler Grat.

"Krone": Mittlerweile seit ihr schon eine Mainstream-Band, ohne einen wirklichen Mainstream-Sound zu haben. Was denkst du darüber?
Smith: Das finde ich auch lustig. Als wir anfingen, gemeinsam Musik zu machen, wollten wir eigentlich eine Alternative zum Mainstream sein. Das will ich auch aufrechterhalten, obwohl unsere Songs in den Mainstream-Radios gespielt werden. Miley Cyrus' "Wrecking Ball" ist beispielsweise ein toller Song, aber es ist immer noch etwas eigenartig, wenn er im Radio vor uns gespielt wird. Wir diskutieren in der Band oft über Diversität in der Musik und ich finde es ganz okay, schließlich sind wir selbst von unzähligen verschiedenen Stilen beeinflusst. Ich wollte immer Popmusik machen und die Nummer eins für uns selbst sein, aber plötzlich begannen die Leute unsere Alben zu kaufen, was dieses Ziel etwas verkomplizierte (lacht).

Unsere Musik wurde auch mal als elegant und schick bezeichnet – ich habe keinen blassen Schimmer, woher das kommt. Darüber könnte man wohl den ganzen langen Tag diskutieren – wie eine Musik in einem Kreislauf der Beständigkeit modisch sein kann. Solange du Musik für dich selbst und das Publikum machst, anstatt nur an die Kohle und den Kommerz zu denken, ist alles okay. Wenn die Leute deine Alben kaufen, freust du dich darüber, wenn nicht, ist es auch nicht so schlimm, weil du trotzdem voll hinter deinen Songs stehen kannst. Wenn du nur nach den anderen Nasen tanzt und nicht die Songs aus deinem Herzen schreibst, werden sogar große Arena-Konzerte langweilig, weil es zu einem normalen Job wird. Wir haben die Band ja gegründet, um aus unseren normalen Jobs auszubrechen (lacht). Wir wollten einfach immer zusammen abhängen, gemeinsam proben, nachts ausgehen und etwas Cooles erschaffen. Als wir es dann in die großen Radios schafften, mussten wir einfach wir selbst bleiben. Hippe Musik zu machen, die als modisch und elegant gilt, ist zwar nett, aber du kannst dein Leben nicht darauf aufbauen. So ein Erfolg kann schnell wieder vorbei sein.

"Krone": Ist das neue Album eigentlich wieder so politisch ausgefallen wie "The National Health"?
Smith: Definitiv nicht.

"Krone": Bist du also nicht mehr so wütend wie letztes Jahr?
Smith:(lacht) Ich weiß nicht. Wenn ich den Fernseher aufdrehe, schreie ich immer noch auf ihn ein (lacht). Du willst mit jedem Album etwas Neues erschaffen und dieses Mal haben wir uns einfach etwas ruhiger gegeben. Obwohl die Songs auf "The National Health" nicht alle politisch waren, ging es sehr oft darum, wie man im Alltagsleben mit Politik konfrontiert ist. Es ging auch darum, die persönlichen Meinungen von den politischen zu trennen. Ein politischer Song macht für mich aus, dass jemand Propaganda betreibt oder ein Argument für etwas wiedergibt. Die Leute verstehen auch nicht immer, was du gerade meinst, und das macht die Kommunikation nicht immer einfach.

"Too Much Information" besteht aber mehr aus Kurzgeschichten denn aus polemischen Songs. "Brain Cells" etwa dreht sich um das Ende nach einer harten Arbeitswoche, so wie wir sie alle kennen. Es geht auch stark um meine Wurzeln, schließlich komme ich aus einer Arbeiterfamilie und habe einen total unüblichen Job. Aber nicht nur ich, sondern meine Familie und meine Freunde arbeiten hart, und so wurde ich auch erzogen. Ich bewundere Leute, die in einer Art Traumwelt leben und ihre Ideen in einer Art Blase erschaffen, wie zum Beispiel Kate Bush. Sie kreiert Songs aus ihren wildesten Fantasien. Aber selbst Kate Bush schrieb einen Song wie "This Woman's Work", wo es um das ganz normale Alltagsleben einer Frau geht. Ich finde es sehr interessant, solche Songs von jemandem zu hören, der persönlich eher woanders verortet ist.

Meine Lyrics drehen sich meist um alltägliche Probleme und Emotionen, aber für "Too Much Information" wollte ich einfach einmal etwas mehr ins Nachtleben gehen, unsere Erinnerungen auffrischen und auch etwas von meiner persönlichen Meinung abrücken. Manchmal möchtest du gerne wissen, was in derjenigen Nacht so passiert ist, an die du dich nicht mehr erinnern kannst (lacht). Es ist ein Album, das sich auch darum dreht, älter zu werden, ohne die alten Empfindungen und Gefühle zu verlieren. So wie im Song "My Bloody Mind", wo es darum geht, dass ich eine Sehnsucht nach etwas habe, das ich eigentlich bereits besitze. Wenn ich ausgehe, dann muss ich auch aus meinem "Bloody Mind" rauswachsen. Ich weiß schon, dass die Idee nicht bahnbrechend neu ist, hoffe aber, dass wir neue Wege gefunden haben, um dieses ewige, universelle Thema zu beleuchten.

"Krone": Nun bringt ihr diese nachtaktiven Songs im Februar auch ins Wiener Flex. Kannst du dich noch an die letzten Shows in Wien erinnern?
Smith: Klar doch, es ist jedes Mal aufs Neue sehr aufregend, nach Wien zu kommen. Wir besuchen dabei meist das Museumsquartier und genehmigen uns ein Wiener Schnitzel. Wir sind wie Touristen, wenn wir auf Tour sind (lacht). Die Stadt ist wirklich sehr schön und wir grasen auch immer die Plattenläden ab. Ich kann mich noch genau daran erinnern als ich in Wien einmal den Orson-Welles-Film "Der dritte Mann" gesehen habe. Es ist einfach toll, den Film an seinem Ursprungsort gesehen zu haben und das Flair der Stadt einzuatmen.

"Krone": Was wird eure Fans bei der Show im Flex erwarten?
Smith: Meiner Meinung nach liefern wir immer eine gute Show ab – egal ob du uns magst oder nicht (lacht). Es wird niemals jemanden geben, der nach einer Show sagen würde, wir hätten nicht alles gegeben oder uns um nichts gekümmert. Wir sind sehr stolz auf unsere neuen Songs und ich kann es kaum erwarten, sie endlich live zu spielen. Wenn es nach mir ginge, würden wir schon morgen auf Tour gehen, aber leider haben wir noch nicht geprobt (lacht). Wir sind schon sehr angriffslustig und können es kaum erwarten, wieder on the road zu sein. Wir werden die Songs nicht ganz nach dem Album spielen – "Brain Cells" soll schon live klingen und nicht nach Konserve.

Wer Maximo Park samt toller Show und neuem Material sehen möchte, hat am 15. Februar die Chance dazu im Wiener Flex. Karten erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.

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