"Sind glücklicher"

Streif-Opfer Grugger und Albrecht im Doppel-Talk

Sport
20.01.2014 16:47
Sie stürzten auf der Streif schwer. Sie rangen mit dem Tod. Bevor das Hahnenkamm-Spektakel 2014 beginnt, gaben Hans Grugger und Daniel Albrecht erstmals ein gemeinsames Interview – eines, wie es bewegender nicht sein kann.

"Absichtlich?", wirft Hans Grugger lächelnd ein, als Daniel Albrecht erzählt, wie er nach dem Aufwachen aus dem 21-tägigen Koma seine Therapeutin mit seiner Freundin verwechselt habe. Und der Schweizer muss dann auch selbst lachen, wenn er sich an diese Tage erinnert, an denen er zurück auf dem Weg ins Leben war, dabei einfachste Dinge komplett neu erlernen musste. Die Tiernamen etwa. "Wir sind zuerst ein paar Bären durchgegangen: Eisbär, Braunbär und so weiter. Dann kam plötzlich eine Schildkröte, und ich sagte: Dann kann das eigentlich nur der Panzerbär sein."

Zufriedener als viele andere
Es ist das erste gemeinsame Interview, das die beiden seit ihren fürchterlichen Unfällen auf der Kitzbüheler Streif geben. Eines, wie es bewegender und rührender nicht sein kann. Mit zwei Burschen, die als künftige Seriensieger galten. Die nach ihren Stürzen mit schweren Kopfverletzungen im Koma lagen, tagelang mit dem Tod rangen. Und die jetzt hier sitzen, lachen können, gesund sind. Und um so viel zufriedener wirken als viele andere. Als viele, für die das Leben nackte Selbstverständlichkeit ist.

"Jeden Schmetterling bewundert"
"Ja", bestätigen beide, "es fällt jetzt leichter, glücklich zu sein!" Daniel Albrecht denkt dabei an die Zeit als Profisportler zurück: "Man war nur zufrieden, wenn alles perfekt war. Der Ski, die Bindung, der Körper – was weiß ich, was noch. Man war immer im Stress, förmlich getrieben. Jetzt kann ich mich hinlegen, einfach nichts tun und alles genießen. Das wäre früher undenkbar gewesen." Und Grugger beschreibt die Tage, an denen er auf die Berge geht oder mit dem Rad durch die Täler fährt: "Vor allem am Anfang habe ich jeden Schmetterling, jede Blume bewundert und gedacht: Unglaublich, wie schön das alles ist. Aber jetzt ertappe ich mich manchmal schon wieder dabei, ungeduldig zu werden. Etwa, wenn beim Lernen nichts weitergehen will."

Doch dann denkt der 33-Jährige, der heute Geografie und Sport studiert, an seine Therapie zurück. "Ich habe damals oft geweint. Weil ich tagtäglich vor Augen geführt bekam, wie viel schlimmer es anderen Menschen geht als mir selbst – obwohl mein Sturz noch so schlimm war." Ausgerechnet an jenem 20. Jänner 2011, an dem er in der Mausefalle schwer verletzt im Schnee lag, war auch Albrecht erstmals wieder auf jener Piste, die ihn zwei Jahre davor auf so erbarmungslose Weise abgeworfen hatte. Er wollte damals eigentlich einmal wieder im Renntempo runterfahren. Die schrecklichen Bilder von Gruggers Sturz waren der Hauptgrund, warum er es nie wieder tun sollte.

"Ein gerissenes Kreuzband ist harmlos"
Wenn sich ab dem ersten Training ihre früheren Kollegen wieder die schwerste Abfahrt der Welt hinunterstürzen, verfolgen das beide vor dem TV-Schirm. Mit ganz anderen Augen als einst, als sie selbst noch Rennläufer waren. "Ich habe den Vorteil", scherzt Grugger, "dass meine Unfallstelle nach wenigen Sekunden vorbei ist. Dani muss dagegen immer bis zum Zielsprung warten, ob alles gut geht. Aber im Ernst: Wenn jemand stürzt, muss ich mich sofort wegdrehen. Und dann ist für mich nur wichtig, dass sich der Läufer wieder bewegt. Weil etwa ein gerissenes Kreuzband harmlos ist im Vergleich zu dem, was wir erlebt haben."

Albrecht nickt daneben voller Verständnis: "Solange es für den Fahrer kein Problem gibt, ist für mich auch das Zuschauen keines. Aber wenn eines kommt, ist das alles andere als angenehm. Weil vor allem auf einer Strecke wie der Streif klar ist, dass das jetzt ein sehr, sehr großes werden kann!"

Deshalb eint den Österreicher und den Schweizer vor dem Hahnenkamm-Spektakel 2014 ein gemeinsamer Wunsch, der rein gar nichts mit Siegen oder Niederlagen zu tun hat: die Hoffnung, dass am Wochenende alle Kitzbühel wieder gesund verlassen können.

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(Bild: KMM)



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