Brüssel relativiert

EU will Sozialhilfe für arbeitslose Zuwanderer

Ausland
10.01.2014 13:52
An der Praxis in Deutschland, vielen arbeitslosen EU- Ausländern die Sozialhilfe vorzuenthalten, hat sich bei unseren nördlichen Nachbarn eine heftige Debatte entzündet. Nach den geltenden Regeln erhalten nur Arbeitnehmer und Selbstständige Hartz-IV-Leistungen, nicht aber Migranten, die aus anderen Gründen ins Land kommen. Die EU-Kommission bemängelt allerdings laut "Süddeutscher Zeitung" den generellen Ausschluss vieler EU-Bürger von den Geldern. "Sozialtourismus" wolle man allerdings nicht Tür und Tor öffnen, verweist man in Brüssel zugleich auf strikte Schutzmaßnahmen.

Möglicherweise warten drastische Änderungen auf das deutsche Sozialsystem, das zumindest lässt eine Stellungnahme der EU-Kommission erwarten, die zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof vorliegt. Laut "Süddeutscher Zeitung" sieht die Kommission eine zentrale Vorschrift im Sozialgesetzbuch als nicht mit europäischem Recht vereinbar an: dass EU-Zuwanderer von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen werden, wenn sie nicht nach Arbeit suchen.

Kein Hartz IV für junge Rumänin
Das fragliche Verfahren dreht sich um eine 24-jährige Rumänin, die seit 2010 mit ihrem kleinen Sohn in Deutschland lebt. Die Frau wohnte jahrelang bei ihrer Schwester in Leipzig, erhielt Kindergeld und Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt. Hartz IV aber lehnte das Jobcenter ab, da die junge Frau nicht nach Arbeit suchte. Dagegen klagte die Rumänin vor dem Sozialgericht Leipzig, das den Fall im vergangenen Juni zur Klärung an den EuGH verwies.

In der nunmehrigen Stellungnahme der EU-Kommission kritisiert diese den Ausschluss vieler Ausländer von Sozialleistungen in Deutschland. Demnach müsse auch bei Migranten, die nicht aktiv nach Arbeit suchen, der Anspruch auf Hartz IV geprüft werden, erklärte Dorothee Frings, Professorin für Sozialrecht an der Hochschule Niederrhein. Jeder Fall müsse laut EU-Kommission einzeln untersucht werden.

Mehr Sozialleistungen auch für Arbeitslose?
Entscheidet der EuGH entsprechend der Stellungnahme, könnte dies weitreichende Folgen in Deutschland haben. Denn nicht nur arbeitslosen, auch arbeitssuchenden Migranten könnten dann mehr Sozialleistungen zustehen. Die EU-Kommission begründet dies so, dass EU-Bürgern laut Europarecht in der gesamten Union Gleichbehandlung zuteil werden muss. Die deutsche Regierung will dies nicht akzeptieren - arbeitssuchende und arbeitslose Migranten sollen von bestimmten Sozialleistungen ausgeschlossen bleiben, dies bekräftige das Arbeitsministerium erst vor Kurzem. So sollen aufwendige und kostspielige Einzelfallprüfungen, wie sie nun drohen könnten, vermieden werden.

Kommission präzisiert: "Nicht während ersten drei Monaten"
Eine Sprecherin von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso präzisierte allerdings noch am Freitag die von der "Süddeutschen Zeitung" zitierten Angaben aus der Stellungnahme. Demnach sei Deutschland nach EU-Recht nicht dazu verpflichtet, wirtschaftlich inaktiven EU-Bürgern während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts Sozialhilfe zu gewähren, betonte Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde.

Das Recht auf Freizügigkeit sei zwar ein grundlegendes Prinzip der EU, doch gebe es strikte Schutzmaßnahmen, um "Sozialtourismus" zu verhindern. Um Sozialhilfe in einem anderen EU-Land zu beziehen müssten EU-Bürger entweder Arbeiter, ein direkter Familienangehöriger oder ständig in dem Land ansässig sein, betonte die Sprecherin. Dazu wolle EU-Sozialkommissar Laszlo Andor am Montag Leitlinien für die EU-Staaten präsentieren.

Debatte um Armutszuwanderer
Die Stellungnahme der EU-Kommission kommt mitten in einer Debatte um sogenannte Armutszuwanderer aus Rumänien und Bulgarien. Die CSU setzt seit Kurzem auf dieses Thema für den EU-Wahlkampf, seither ist ein Streit über Rassismus und Panikmache ausgebrochen. Schließlich kritisieren zahlreiche Experten, dass Deutschland dringend Zuwanderer brauche und man mit fremdenfeindlichen Untertönen höchstens die händeringend gesuchten hochqualifizierten Ausländer abschrecke, die in beiden Ländern vorhanden seien. Zudem belegen Zahlen des deutschen Arbeitsministeriums, dass bisher nur 0,6 Prozent der Hartz-IV-Bezieher Rumänen oder Bulgaren sind.

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