Wie bewährt er sich?

BMW i3: Strom-Revoluzzer im harten, kalten Alltag

Motor
06.01.2014 21:52
Man kann sagen, was man will: Der BMW i3 ist ein revolutionäres Auto. Mit grüner Energie hergestellt, als reines Elektroauto konzipiert und vor allem, weil er aus Aluminium und Karbon gebaut ist. Ein Meilenstein, was erschwinglichen Leichtbau betrifft, und ein Fanal für die Elektromobilität. Ja, ich bin ein Fan des i3, aber wie schlägt er sich bei Minustemperaturen im echten Alltag?
(Bild: kmm)

Bei sonnigen Testfahrten ist es leicht, den BMW i3 zu mögen: Er geht ab wie Schmidts Katze, reagiert gierig auf den sanftesten Tritt auf das Fahrpedal, wendet quasi auf einem Bierdeckel und schaut so elegant anders aus, dass er im Moment noch jede Menge Leute verprellt. Die anderen jedoch sind begeistert und dürfen sich derweil noch als progressiv betrachten, als modern und eigenständig.

Als damals das iPhone auf den Markt kam, habe ich selbst noch gedacht, wozu? Seit dem iPhone4 bin ich selber drauf. Und es gibt unzählige weitere Smartphones. Okay, ich kann mich täuschen, aber der i3 wird ein Turbo für die Elektromobilität sein. Nach dem Motto "wenn sich sogar BMW so auf das Thema draufhaut, dann muss da was dran sein".

Der BMW i3 im Alltag
Eine Woche lang war der i3 mein Auto. Während dieser Zeit gab es keine Fahrt, auf die ich reichweitenbedingt verzichten musste, und ich bin auch nicht mit leerem Akku liegen geblieben (allerdings einmal mit nur acht Kilometer Restreichweite zu Hause angekommen). Und das, obwohl sich die versprochene Alltagsreichweite von 130 bis 160 Kilometer (im EU-Testzyklus 190 km) bei Minustemperaturen als reine Wunschvorstellung erweist.

Tatsächlich komme ich auf rund 100 km, obwohl eh schon die Wärmepumpe um 660 Euro an Bord ist, die das Heizen sparsamer macht. Schalte ich die Heizung ab, erhöht sich die angezeigte Restreichweite bei vollen Akkus gleich mal um zehn bis 20 Kilometer. Aber ich will ja nicht frieren. Das Wählen eines anderen Fahrmodus (EcoPro oder EcoPro+) würde auch noch einiges bringen.

Vollladen in über 20 Stunden
Akkus haben es nicht gern kalt. Minustemperaturen schränken die Leistungsfähigkeit des Lithium-Ionen-Speichers ein, und zwar nicht nur beim Fahren, sondern auch beim Laden. Statt versprochener acht Stunden dauerte es über 20 Stunden, bis mein Test-i3 wieder voll war. Um abzuchecken, wann ich wie weit komme, rechne ich überschlagsmäßig mit 5% Akkuladung pro Stunde. Wer den Luxus einer beheizten Garage mit Stromanschluss sein Eigen nennt, hat diese Probleme nicht und kann sich obendrein auch eine "Wallbox" zulegen, mit der das Laden je nach Typ nur drei bis fünf Stunden dauern soll.

Praktisch ist, dass ich via iPhone-App immer über den aktuellen Ladestand auf dem Laufenden bin. Damit kann ich auch den Ladevorgang timen - etwa wenn ich günstigen Nachtstrom nutzen möchte - oder das Temperieren von Akku und Innenraum aktivieren/timen. Oder den i3 auch hupen oder leuchten lassen, wenn ich ihn auf einem großen Parkplatz nicht mehr finde (oder den Nachbarn erschrecken möchte).

Auch sauberer Strom ist manchmal schmutzig
Das Ladekabel hat seinen Platz unter der Fronthaube, was nur so lange praktisch ist, wie kein Schmuddelwetter herrscht. Sonst macht man sich jedes Mal so richtig die Finger schmutzig, wenn man das Auto ans Netz anschließen oder wieder abhängen möchte. Das liegt vor allem daran, dass man sehr weit hineinfingern muss, um den obligatorischen Sperrhebel zu betätigen. Ich habe das Kabel irgendwann in den Kofferraum verbannt, wo es dann im Weg herumgelegen ist und sonstiges Ladegut schmutzig gemacht hat.

Alles für die Reichweite
Im Durchschnitt habe ich 19,1 kWh/100 km verbraucht (das entspricht je nach Berechnungsmethode einem Benzinverbrauch von 2,2 oder 3,7 l/100 km). Mit etwas Zurückhaltung ist auch weniger drin, im Normzyklus gibt BMW 12,9 kWh/100 km an.

Das Auto an sich macht alles, um die Akkukapazität ideal in Reichweite umzusetzen. So kann das Navi eine effiziente Route programmieren und dabei sogar topografische Gegebenheiten sowie die aktuelle Verkehrslage in die Berechnung mit einbeziehen, also etwa Bergauffahrten oder Stop-and-go-Verkehr Stau einkalkulieren. Auf Controller-Klick zeigt es auf der Karte auch den Radius an, der momentan erreichbar ist. Leider wird dabei nur die Hinfahrt, aber nicht eine eventuelle Rückfahrt berücksichtigt.

Das umweltfreundlichste Auto ist eines, das steht –das Navigationssystem kann sogar eine Route inklusive der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel austüfteln.

i3-Fahren ist ein Riesenspaß
Die Fahrleistungen sind absolut sportlich: 7,2 Sekunden reichen für den Sprint auf 100 km/h, dann zieht es einen weiter wie am Gummiband gezogen bis auf elektronisch begrenzte 150 km/h. Das maximale Drehmoment von 250 Nm steht vom Stand weg zur Verfügung, dennoch setzt sich der i3 bei plötzlichem "Vollgas" nicht ruckartig, sondern sanft in Bewegung. Ein Kopf-nach-hinten-Reißen wie etwa im Tesla Roadster gibt es hier nicht.

Im Normalfall kommt man – vorausschauende Fahrweise vorausgesetzt – meist ohne Bremse aus, weil der Motor sofort zu rekuperieren (also Energie zurückzugewinnen) beginnt, wenn man den Fuß vom Pedal nimmt, und das bremst so stark, dass BMW sogar die Bremsleuchten aktiviert. Auf dem Tacho-Display sieht man auf einer Art Pendeldarstellung, wie stark der Energieverbrauch oder –gewinn gerade ist bzw. ob man gerade neutral dahinrollt.

Es ist naturgemäß leise in diesem Elektroauto. Was man hört, sind Reifenabroll- oder auch mal Windgeräusche, die normalerweise von einem Verbrennungsmotor übertönt werden. Ansonsten gibt es eine Art Surren wie in der U-Bahn, nur viel leiser. Jedenfalls fehlt das Geräusch als Referenz für die gerade gefahrene Geschwindigkeit, weshalb es sich empfiehlt, öfter mal auf den Tacho zu schauen oder gleich den Tempomaten zu verwenden. Überholen ist ein besonderer Spaß, weil man immer wieder staunende Gesichter sieht, wenn der i3 einen Satz nach vorn macht. Auch Kurven sind dank des niedrigen Schwerpunkts eine Freude, auch wenn der BMW wegen seiner schmalen Reifen zum Untersteuern neigt. Driften geht trotz Heckantrieb und viel Kraft nicht, weil sich das DSC nicht komplett abschalten lässt.

Viel Platz im Innenraum
Angesichts der Tatsache, dass der BMW i3 nur 4 Meter lang ist, bietet er den Passagieren geradezu opulente Platzverhältnisse, vor allem in der Länge. Auch hinten fühlt man sich wohl, nicht zuletzt wegen der guten Kopffreiheit. Leider lassen sich die hinteren Seitenfenster nicht versenken. Dass sich die hinteren Suicide-Doors nur öffnen lassen, wenn die Vordertür offen ist, hat mich bisher nicht gestört. Kinder können jedenfalls nicht unbemerkt auf die Straße hüpfen. Die Materialien sind sehr speziell, mit einem doch recht eleganten Öko-Chic. Das Superholz der Ablage unter dem Zentraldisplay hat aber auch einen Nachteil: Alles, was man da hinlegt, klappert und rutscht umher. Da wäre Gummi praktischer.

Der Kofferraum liegt sehr hoch und fasst 260 Liter; die Lehnen lassen sich leicht vom Laderaum aus umklappen, dann stehen 1.100 Liter zur Verfügung. Da passt sogar ein Fahrrad rein.

Ab 35.700 Euro ist der BMW i3 zu haben, der Testwagen kostet inklusive einer Menge Extras allerdings gut 50.000 Euro. Und da ist das Super-Navi noch gar nicht dabei, weil es als Einführungsangebot derzeit gratis ist. Billig ist das alles nicht, aber wer ein Vorreiter in Sachen Elektromobilität und Style sein will und das Geld für ein Zweit- oder Drittauto hat, dem kann es das schon wert sein. Idealerweise hat er dann auch eine beheizte Garage mit Ladestation.

Warum?

Vive la révolution!

Warum nicht?

Reichweite und Ladedauer sind stark wetterabhängig

Oder vielleicht…

… auf den etwa gleich teuren Golf warten? Ist aber richtig schwer und im Vergleich extrem uncool.

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(Bild: kmm)



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