Proteste in Ukraine

Timoschenko darf auf Weihnachts-Amnestie hoffen

Ausland
27.12.2013 12:18
Am Freitag ist der zweite umstrittene Prozess gegen die inhaftierte ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko erneut verschoben worden. Zugleich mehren sich die Anzeichen, dass die Ex-Regierungschefin von einer Weihnachts-Amnestie profitieren und aus der Haft entlassen werden könnte. Timoschenkos Partei Vaterland will die heftig kritisierte Sparpolitik von Präsident Viktor Janukowitsch möglicherweise unterstützen. Voraussetzung dafür sei allerdings eine Amnestie Timoschenkos, sagte der Fraktionsvorsitzende Iwan Kirilenko.

Gegen die Sparbeschlüsse der Regierung protestieren seit Wochen Rentner, Tschernobyl-Veteranen und Invaliden. Wie die ukrainische Nachrichtenagentur Unian meldete, will die Vaterlandspartei das Parlament erneut über ein Gesetz zur Entkriminalisierung jener Straftatbestände abstimmen lassen, die Timoschenko zur Last gelegt werden.

Tochter Eugenia als wichtigste Botschafterin der Inhaftierten
Indes sendet Eugenia Timoschenko (kl. Bild) per SMS Weihnachtsgrüße und die besten Wünsche für 2014. Seit der Inhaftierung ihrer berühmten Mutter Julia ist sie zu deren wichtigsten Botschafterin geworden. In den vergangenen zweieinhalb Jahren reiste die zarte ukrainische Schönheit unzählige Male nach Straßburg, Brüssel und Berlin, um bei Spitzenbeamten der EU und Politikern bis hin zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel für Unterstützung im Kampf für die Freiheit der ehemaligen Regierungschefin zu werben. Öffentliche Aufmerksamkeit ist eine effiziente Waffe im gefährlichen Spiel zwischen Macht und Ohnmacht.

"Der Name Timoschenko soll nicht aus der ukrainischen Politik und dem Gedächtnis der Menschen verschwinden", hatte Eugenia vor zwei Jahren in einem Gespräch mit der "Krone" im EU-Parlament in Brüssel gesagt. Es war kurz vor dem ersten Weihnachtsfest, das Julia Timoschenko hinter Gittern verbrachte. "Ich mache mir große Sorgen um meine Mutter, sie wird immer dünner und schwächer. Die ärztliche Versorgung ist unzureichend", erklärte Eugenia dann ein Jahr später am Telefon. Der Antrag auf medizinische Behandlung in der renommierten Berliner Charité wurde nicht bewilligt. Stattdessen verlegte man die prominenteste Gefangene der Ukraine gegen ihren Willen in das Spital von Charkiw.

"Auch im Gefängnis spüre ich den Wind der Freiheit"
Mehrmals pro Woche besucht ihre Tochter sie dort. Manchmal wartet sie vor dem Gebäude eine Stunde auf Einlass. Außer ihr hat nur der Vertrauens-Anwalt Zugang zum Krankenbett. Ungebeugt wirken jedoch Julia Timoschenkos Aussagen, die sie, mit Bleistift auf eng beschriebenes Blatt Papier, dem deutschen Magazin "Stern" übermittelte. "Ich habe gelernt durch zugeklebte Fenster und Mauern zu sehen", teilt sie mit. "Auch im Gefängnis spüre ich den Wind der Freiheit. Ich sehe, wie der Majdan-Platz dröhnt und in meinem Land die Sonne aufgeht."

Vor neun Jahren ist sie selber bei Eiseskälte auf diesem Platz in der Mitte Kiews gestanden und hat gemeinsam mit Viktor Juschtschenko die Orange Revolution angepeitscht. Das Ergebnis war ein kleines Weihnachtswunder: Am 26. Dezember 2004 wählten die Ukrainer Juschtschenko zum Präsidenten - und Timoschenko, mit Haarkrone zum Symbol eines neuen, der EU zugewandten Nationalstolzes gestylt, triumphierte zwei Monate später als neue Regierungschefin.

Doch der Reformgeist zerschellte bald an Intrigen, Missgunst und Machtkämpfen, die schließlich zu Neuwahlen und den Gang in die Opposition führten. Wenige Tage vor Weihnachten 2006 bat Julia Timoschenko die "Krone" kurzfristig zu einem Interviewtermin in ihre beeindruckende Kiewer Parteizentrale. "Ich fürchte um mein Leben, aber ich lasse mich nicht einschüchtern", gab sie kurz vor Mitternacht zu Protokoll. Ein Jahr später, wenige Tage vor Weihnachten, am 18. Dezember 2007, wurde Timoschenko erneut zur Regierungschefin gewählt und löste ihren Erzfeind Janukowitsch ab.

Unterstützung von Chodorkowski und Klitschko
Wenige Tage vor Weihnachten wurde heuer in Russland überraschend Michail Chodorkowski, prominenter Gegner von Präsident Wladimir Putin, von eben diesem nach zehn Jahren Haft in diversen Arbeitslagern begnadigt. Bei seiner ersten Pressekonferenz in Berlin spricht er sein Mitgefühl für die inhaftierte Ukrainerin aus. Vitali Klitschko, Volkstribun des mittlerweile bereits abgeschwächten Protests gegen die Russland-freundliche Politik von Präsident Janukowitsch, empfiehlt eben diesen "ein Beispiel an seinem Freund Putin zu nehmen und Julia Timoschenko freizulassen".

Eugenia Timoschenko will die Vorgänge vorerst nicht kommentieren und bittet um Verständnis. Auffällig bei jemandem, der stets um Öffentlichkeit für ihr Anliegen bemüht ist. Stimmen aus Kiew berichten, dass es möglicherweise ein Weihnachtswunder für Julia Timoschenko geben könnte. Sowohl in Russland als auch in der Ukraine verteilt Väterchen Frost erst am 6. Jänner seine Geschenke. Bis dahin bleiben noch einige Tage Zeit.

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