Kampf um die Zukunft

Ukraine: Das singende Gesicht der Protestbewegung

Ausland
15.12.2013 11:38
Wenn die Nacht hereinbricht über den Unabhängigkeitsplatz in Kiew, dann klettert Ruslana auf die Bühne der Demonstranten. Dann legt sie die Hand aufs Herz und schmettert die Nationalhymne. Sie ist das Gesicht der Protestbewegung in der Ukraine - wo auch am Sonntag wieder Hunderttausende Menschen für ihre Gesinnung auf die Straße gehen.

Das kleine Energiebündel, das vor neun Jahren mit "Wild Dances" den European Song Contest gewann, gibt den durchgefrorenen Regierungsgegnern allnächtlich neuen Mut und neuen Schwung. Noch bis in die frühen Morgenstunden steht sie auf der Bühne. "Ich wünsche Euch allen gute Laune für den Tag", ruft sie mit ansteckendem Temperament.

Charismatischer politischer Führer fehlt
Was der Bewegung fehlt, die Präsident Viktor Janukowitsch wegen seiner Abkehr vom EU-Kurs aus dem Amt jagen will, ist ein charismatischer politischer Führer. Zwar ist Box-Champion Vitali Klitschko im Westen populär, in der Bevölkerung der Ukraine aber fehlt ihm die breite Zuneigung. Ruslana ist zwar keine Politikerin. Doch als singendendes Maskottchen trägt sie viel dazu bei, den Elan der Demonstranten am Leben zu halten.

Als die Bereitschaftspolizei Ende November mit Gewalt gegen Studenten vorging, setzte sie sich dafür ein, dass die Demonstranten Schutz und medizinische Versorgung in einer nahen Kirche bekommen. Am 5. Dezember drohte Ruslana gar, sich selbst anzuzünden, wenn es "keinen Wandel" gebe. Das war wohl etwas melodramatisch, doch ist ihr unermüdlicher Einsatz weit mehr als eine Pose.

Auch 2004 war sie das Symbol der Protestbewegung
Schon 2004, in dem Jahr, als sie den Song Contest gewann, stieg Ruslana auf die Bühnen der Orangenen Revolution. Schon damals wurde sie zum Symbol der Protestbewegung. Als der europäische Gesangswettbewerb dank ihres Siegs 2005 nach Kiew kam, bescherte das dem Land so viel westliche Aufmerksamkeit und Besucher wie nie zuvor. Es war die Zeit des Optimismus - bis sich die politischen Anführer der Revolution, Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko, heillos verkrachten und der Aufbruch stecken blieb.

"Das Problem ist unsere Zukunft"
Aber Resignation ist nicht Ruslanas Sache. In dieser Nacht sitzt sie erschöpft im provisorischen Pressezentrum der Demonstranten, die Augen halb geschlossen. Wie steht sie die harten Nächte durch? "Es ist möglich! Ich bin ein Soldat", sagt sie, und lacht heiser. "Ich denke nicht an mich. Das Problem ist unsere Zukunft."

Präsident Janukowitsch ist in ihren Augen längst eine "politische Leiche". Und doch sieht Ruslana noch einen weiten Weg bis zum Erfolg einer neuen Revolution. "Wir haben nicht den einen Anführer - das ist unser Problem. Aber er wird bestimmt bald geboren" - fügte sie ironisch hinzu. Klitschko bezeichnet sie als "dicken Freund". Aber politisch vereinnahmen lässt sie sich von niemandem. "Wir unterstützen den Maidan", sagt sie. Maidan wird in Kiew der Unabhängigkeitsplatz im Zentrum der Hauptstadt genannt.

Wann immer Ruslana dort auf die Bühne steigt, stimmen die Demonstranten mit ein: "Für die Freiheit werden wir unsere Körper und Seelen niederlegen", heißt es im Text der Nationalhymne. Feuerzeuge und Handys blitzen auf und werden über den Köpfen geschwenkt wie bei einem Rockkonzert.

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