Streaming-Skandal

30.000 Nutzer von Porno-Abmahnwelle betroffen

Web
10.12.2013 10:33
Die Zahl der Internetnutzer, die wegen des Streamings von Pornofilmen abgemahnt worden sind (siehe Infobox), ist offenbar weit größer als zunächst angenommen. Der deutsche Internet- und Urheberrechtsanwalt Christian Solmecke geht von "mindestens 20.000 bis 30.000" abgemahnten Nutzern aus. Allein in seiner Kanzlei hätten sich bislang 1.000 Abgemahnte gemeldet. Inzwischen mehren sich allerdings die Hinweise darauf, dass die IP-Adressen der Betroffenen illegal erlangt wurden. Sogar von einer Täuschung des zuständigen Landgerichts Köln ist die Rede.

Verschickt werden die Abmahnungen aktuell von der Regensburger Kanzlei U+C, die auch in der Vergangenheit schon für die Rechteinhaber pornographischer Werke abgemahnt hat. Während es bislang allerdings um die Nutzung illegaler Tauschbörsen ging, richten sich die Abmahnungen diesmal gegen Nutzer der Streamingplattform "Redtube". "Es ist das erste Mal in Deutschland, dass Nutzer von Streamingplattformen abgemahnt werden", erläutert der Kölner IT-Anwalt Solmecke.

Die aktuellen Abmahnungen bezögen sich auf das Anschauen von Filmen im August 2013. Der Anwalt geht davon aus, "dass nun kontinuierlich weitere Abmahnungen folgen werden". Rechteinhaber ist eine Schweizer Aktiengesellschaft namens The Archive AG, zu deren Gunsten von den Nutzern eine Unterlassungserklärung abgegeben werden soll. Eingefordert wird zudem die Zahlung einer Pauschale von insgesamt 250 Euro.

Anwalt: "Nutzer haben gar keine Straftat begangen"
Solmecke rät Nutzern jedoch, die Abgabe einer Unterlassungserklärung zu verweigern. "Zwar ist die Rechtslage zum Streaming noch nicht abschließend geklärt, trotzdem dürften die besseren Argumente für die Konsumenten solcher Filme sprechen." Denn aus Solmeckes Sicht haben die Nutzer gar keine Straftat begangen: "Anders als es zum Beispiel bei kino.to der Fall war, werden die Filme auf 'Redtube' nicht offensichtlich rechtswidrig im Sinne des Urheberrechts verbreitet."

Sofern beim Anschauen der Filme überhaupt eine Kopie auf dem eigenen Rechner erfolge, sei diese als legale Privatkopie einzustufen. "Hinzu kommt, dass die einzige Kopie, die hier überhaupt angefertigt wird, lediglich in einer wenige Sekunden langen Zwischenspeicherung im flüchtigen Zwischenspeicher des Computers besteht. Solche Kopien sind meiner Meinung nach erlaubt", erläutert Solmecke.

Gericht getäuscht, um illegal IP-Adresse abzugreifen?
Inzwischen mehren sich zudem die Hinweise darauf, dass die Auskunftsansprüche zu Unrecht ergangen sind und die IP-Adressen der betroffenen Nutzer mithilfe einer Software namens GladII 1.1.3 illegal ermittelt wurden. "Die Daten sind möglicherweise unter Verstoß gegen das Datenschutzgesetz herausgegeben worden. Das könnte strafbar, zumindest aber auf jeden Fall ordnungswidrig gewesen sein", sagte der Anwalt Johannes von Rüden, dem Akteneinsicht gewährt wurde. Dies sei "reine Abzocke von Verbrauchern", so von Rüden.

In dem entsprechenden Auskunftsantrag sei demnach nie von Streaming, sondern stets von illegalen Downloads über Tauschbörsen die Rede gewesen. Konkret heißt es in dem Antrag wörtlich: "Mit dem Einsatz der Software ist es möglich, die Teilnahme von Nutzern sogenannter Download-Portale für Filme im Internet zu erfassen, soweit solche Portale ohne Zustimmung der Rechteinhaber geschützte Filmdateien zum Herunterladen anbieten und damit Rechte der Filmhersteller bzw. deren Lizenznehmer verletzen. Protokolliert werden dabei die IP-Adresse, von welcher der Download auf dem Portal durchgeführt wird, und der Zeitpunkt, ab dem die Datei abgerufen wird."

Richter gingen von Tauschbörse statt Streaming aus
Laut Solmecke war dem Landgericht Köln überhaupt nicht klar, in welchem Zusammenhang die Auskunftsansprüche standen. "Offenbar gingen die drei Kölner Richter, die diesen Beschluss unterzeichnet haben, davon aus, dass es sich hier (wie in der Vergangenheit so häufig) auch wieder um einen Auskunftsanspruch im Rahmen einer Tauschbörsennutzung handelte."

Eine Auskunft über die IP-Adressen hätte demnach laut Solmecke nie erteilt werden dürfen: "Wäre den Richtern am Landgericht Köln der komplette Sachverhalt bekannt gewesen, hätten sie erkannt, dass eine Urheberrechtsverletzung nicht gegeben ist, und daher wäre keine Auskunft erteilt worden."

Für die Nutzer sei dies "jedoch nur ein Pyrrhussieg. Denn selbst eine rechtlich nicht einwandfrei erlangte Auskunft kann vor Gericht verwendet werden. Für die Zukunft wird das allerdings bedeuten, dass dieser Abmahn-Maschinerie ein Riegel vorgeschoben wird. Dann können alle Streaming-Nutzer wieder aufatmen, und nur die Tauschbörsennutzer müssen weiterhin mit Abmahnungen rechnen", so Solmecke.

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