"Spiegel"-Bericht

Ukraine: Merkel steigt für Klitschko in den Ring

Ausland
08.12.2013 18:30
Im Kampf um den künftigen Kurs der Ukraine - geht das Land politisch Richtung Westen, oder kehrt es zurück in den Schoß von Mutter Russland -, wird nun offenbar die nächste Runde eingeleutet: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Europas Konservative wollen laut einem Bericht des "Spiegel" Boxweltmeister und Oppositionsführer Vitali Klitschko gezielt zum neuen starken Mann in Kiew aufbauen - und so den gewachsenen Einfluss des Kreml kontern.

Merkel und die Europäische Volkspartei (EVP) wollen Klitschko einem Bericht des "Spiegel" zufolge durch gemeinsame Auftritte stärken. Geplant sei, den Boxer zum Oppositionsführer und Gegenkandidaten von Präsident Janukowitsch aufzubauen, hieß es. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es allerdings zunächst nicht. Klitschko selbst hatte zuletzt seine Absicht für eine Präsidentschaftskandidatur erklärt.

Dem Bericht zufolge ist geplant, dass Klitschko beim nächsten Treffen der EVP-Staats- und Regierungschefs in Brüssel Mitte Dezember auftritt und auch ein Gespräch mit Kanzlerin Merkel bekommt. Zudem soll es einen gemeinsamen Auftritt der beiden für die Öffentlichkeit geben.

Auch logistische Unterstützung für Klitschko-Partei?
Parallel erhält Klitschkos Partei Udar (Schlag) laut Informationen des "Spiegel" logistische Unterstützung von der EVP und der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU, unter anderem durch Schulungen für Udar-Parlamentarier und deren Mitarbeiter.

Zuletzt hatten sich Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen, Kanzleramtsminister Ronald Pofalla und Außenminister Guido Westerwelle zu zum Teil vertraulichen Gesprächen mit Klitschko getroffen und ihm Unterstützung zugesagt - und damit für Empörung in Moskau gesorgt (siehe Infobox). Über die nun durchgesickerten Pläne zur Stärkung Klitschkos dürfte sich der Kreml ebenso wenig erfreut zeigen.

Frostige Stimmung zwischen Berlin und Moskau
Dass die Stimmung zwischen Berlin und Moskau derzeit Richtung Gefrierpunkt zu gehen scheint, zeigt auch das Fernbleiben des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck von den Olympischen Winterspielen in Sotschi (siehe Infobox) - auch wenn Informationen, wonach der Präsident seinen Besuch aus Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen und Demokratie-Defizite in Russland abgesagt hätte, nicht offiziell bestätigt wurden.

EU-Unterhändler Kwasniewski kritisiert Brüssel
Der polnische Ex-Präsident und EU-Unterhändler Aleksander Kwasniewski warf der EU unterdessen Naivität im Umgang mit der Ukraine vor. Bereits seit Sommer sei klar gewesen, dass Russland das Assoziierungsabkommen zwischen Brüssel und Kiew torpedieren werde, sagte Kwasniewski dem "Spiegel".

Der Westen habe die Entschlossenheit des russischen Präsidenten Wladimir Putin unterschätzt - er habe aber auch das unterschätzt, was sich in Kiew abspiele. Die Führung um Präsident Janukowitsch habe keine Strategie und wolle nur überleben. Kwasniewski hatte mit dem früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments, Pat Cox, zuletzt EU-Gespräche mit der Ukraine geführt.

Proteste gegen Janukowitsch-Regierung dauern an
In Kiew dauern die Proteste gegen die EU-Abkehr unterdessen an. Bei eisigen Temperaturen demonstrierten am Sonntag erneut mehrere Zehntausend Ukrainer auf dem Unabhängigkeitsplatz der Hauptstadt für einen Rücktritt der Regierung von Janukowitsch. Die Opposition gab die Zahl der Teilnehmer zunächst mit mindestens 500.000 an. Beobachter sprachen von etwa 100.000 Menschen kurz nach Beginn der Kundgebung. Mit der Demonstration unter dem Motto "Marsch der Million" wollen die Regierungsgegner nach mehr als zweiwöchigen Protesten neuen Druck auf die pro-russische Führung ausüben.

Klitschko-Appell an Ukrainer: "Nicht gleichgültig bleiben"
Klitschko hatte die Regierungsgegner am Samstagabend noch einmal zu einer regen Teilnahme aufgerufen. "Mehr als eine Million Menschen müssen Präsident Viktor Janukowitsch klarmachen, dass er unsere Bedingungen erfüllen muss", sagte der 42-Jährige. Dazu gehöre auch die Freilassung der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. "Wer nicht in einem Polizeistaat leben will, sondern in einem modernen Land, sollte nicht gleichgültig bleiben", betonte er. "Ich bin überzeugt, dass wir die Regierung mit friedlichen Mitteln stürzen können", ergänzte Klitschko dann am Sonntag.

Timoschenko warnte wiederum die pro-europäische Opposition vor Kompromissen mit der Führung der Ex-Sowjetrepublik. "Gebt nicht auf, und setzt euch nicht mit denen an einen Tisch", forderte die 53-Jährige am Sonntag in einer Erklärung, die ihre Tochter Jewgenija vor Hunderttausenden Demonstranten in der Hauptstadt verlas.

Demonstranten stürzten Lenin-Denkmal
Die Proteste in Kiew forderten noch am Sonntagabend ein "Opfer": Demonstranten stürzten eine Lenin-Statue - siehe Video in der Infobox - im Zentrun der Stadt (Bilder). Am Rande der Massenkundgebungen hätten maskierte Täter ein Stahlseil um das Revolutions-Denkmal gezogen und die Figur umgekippt, wie die Polizei mitteilte. Das umgestürzte Denkmal wurde dann mit Vorschlaghämmern "bearbeitet", wie Aufnahmen zeigen.

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