Astronomen uneins

Hat Komet ISON Sonnenpassage doch überstanden?

Wissenschaft
29.11.2013 17:24
Der von Astronomen ursprünglich sogar als potenzieller "Weihnachtsstern" gehandelte Komet ISON hat am Donnerstagabend seinen sonnennächsten Punkt erreicht. Ob er den Flug überstanden hat, zerborsten oder verglüht ist, darüber herrscht bei Experten mittlerweile Uneinigkeit. Endgültige Gewissheit über das Schicksal des rund 4,6 Milliarden Jahre alten Schweifsterns gibt es möglichweise erst in ein bis zwei Wochen.

Während Experten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA und der US-Weltraumbehörde NASA die Befürchtung äußerten, die Sonnenhitze habe den Kometen zerstört, zeigten sich Forscher des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) im deutschen Katlenburg-Lindau vorsichtiger. Sie gehen davon aus, dass der Kometenkern zumindest während des Vorbeifluges noch existiert hat. "Wir wissen aber nicht, ob der Kometenkern auch jetzt intakt ist", erläuterte MPS-Sprecherin Birgit Krummheuer. Das liege an der zeitverzögerten Auswertung der Daten von Raumsonden.

Unterschiedliche Experteneinschätzungen
Der Staubschweif von ISON sei inzwischen zweigeteilt, sagte MPS-Astronom Hermann Böhnhardt. Ein Teil bestehe aus Staubteilchen, die deutlich vor der Sonnenpassage emittiert wurden, der andere enthalte dagegen Material, dass erst während des Vorbeiflugs ausgestoßen wurde. "Das deutet darauf hin, dass zu diesem Zeitpunkt zumindest noch ein Teil des Kerns existierte und aktiv war."

ESA-Kometenexperte Gerhard Schwehm hält es dagegen für wahrscheinlich, dass der Schweifstern bereits während der Annäherung an die Sonne zerstört wurde. "In der Nähe der Sonne hat man nichts gesehen. Wenn er überlebt hätte, hätte man ihn eigentlich sehen müssen", sagte Schwehm unter Berufung auf Aufnahmen von zwei Beobachtungssatelliten. "ISON ist wahrscheinlich durch die Sonne zerlegt worden." Was auf den jüngsten Bildern noch zu sehen sei, könnte vor allem Staub sein.

Gewissheit erst in ein bis zwei Wochen
Endgültige Gewissheit über das Schicksal des rund 4,6 Milliarden Jahre alten Kometen erwartet Schwehm in ein bis zwei Wochen. "Wenn wir in zehn Tagen noch etwas beobachten können, hat er doch überlebt", erklärte der ESA-Wissenschaftler.

Auf der Nordhalbkugel müsste der Schweifstern dann sogar mit bloßem Auge oder Feldstecher zu beobachten sein. Die Max-Planck-Forscher hoffen, dass sie schon früher Gewissheit haben. Möglicherweise gebe es bereits am Wochenende neue Erkenntnisse, sagte Krummheuer.

"Der Komet hat möglicherweise überlebt"
Der US-Kometenforscher Karl Battams vom Naval Research Laboratory hatte zuvor berichtet, dass ISON den knappen Vorbeiflug an der Sonne nicht überstanden habe. "Ich sehe nichts, das jenseits der Sonnenscheibe hervorkommt", sagte er bei einer Diskussionsrunde, die von der NASA organisiert worden war. Phil Bait von dem "Bad Astronomy"-Blog sagte, er habe ebenfalls den "starken Verdacht, dass ISON ein Ex-Komet sein könnte".

Allerdings räumt die NASA am Freitagabend ein, dass der Komet bzw. ein Teil davon die Sonnenpassage überstanden haben könnte. "Der Komet hat möglicherweise überlebt", schrieb die Raumfahrtbehörde auf ihrer Website und veröffentlichte Bilder der Sonnensonde SOHO, die zeigen, dass offenbar doch ein Teil des Kerns von ISON (rot markiert) noch weiter durchs All rast.

Am Donnerstag sonnennächsten Punkt erreicht
Der Schweifstern hatte am Donnerstag gegen 19.30 Uhr MEZ den sonnennächsten Punkt seiner Bahn erreicht. Zu diesem Zeitpunkt betrug sein Abstand zum glühend heißen Zentralgestirn nur noch einen Sonnendurchmesser. Bei einer Entfernung von 1,17 Millionen Kilometern war er Temperaturen von 2.700 Grad Celsius ausgesetzt und verlor drei Millionen Tonnen pro Sekunde.

ISON hatte sich vor mehreren Millionen Jahren aus der sogenannten Oort'schen Wolke gelöst, einer Ansammlung von Gesteinsbrocken auf halber Strecke zwischen der Sonne und dem nächstgelegenen Stern. Battams betonte, es sei noch nie ein solcher Komet aus der Oort'schen Wolke gesehen worden, der sich derart der Sonne nähere. Wenn sich Kometen auf ihrer Reise durchs All der Sonne nähern, bilden sie oft Gas- und Staubschweife aus, die stets von der Sonne weg weisen.

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