Zum Weichenstellen

Im Regierungsviertel schwärmen die Lobbyisten aus

Österreich
20.10.2013 10:30
In den Kaffeehäusern und Restaurants im Wiener Regierungsviertel zwischen Kanzleramt und Parlament tummeln sich Lobbyisten. Denn schon jetzt, mit Beginn der Koalitionsgspräche, müssen sich Industriekonzerne und Banken, aber auch die Caritas oder Umweltvereine ihre Interessen für den neuen Regierungsvertrag absichern.

Für die rund 400 Interessensvertreter oder – wie sie sich selbst bezeichnen – "Kommunikationsexperten" und "Public Affairs"-Agenturen bricht dieser Tage die wichtigste Zeit der Saison an. Jetzt werden die Weichen gestellt. Wer jetzt nicht dabei ist, kommt in den nächsten Jahren der neuen rot-schwarzen Regierung nur noch schwer ins Rennen.

Es geht um viel: welche Gesetze die Industrie fördern oder behindern, welche Bestimmungen den Handel hemmen oder beflügeln, wie viel Geld den Hilfsorganisationen und Vereinen künftig zukommt oder fehlen wird. Alles das entscheidet sich in den wenigen Wochen bis Weihnachten, wenn die neue Regierung stehen soll.

Bestens vernetzt
Wenn am kommenden Dienstag die Koalitionsgespräche auch offiziell beginnen, werden die Lobbyisten überall dort lauern, wo Regierungsverhandler auftauchen könnten. Keiner, der bereits Einfluss hat oder in Zukunft wichtig sein könnte, entgeht den Fühlern der Lobbyisten. Zumal man sich untereinander bestens kennt. Viele aus dieser umstrittenen Branche pflegen einen vertrauten Umgang. Schließlich waren viele Lobbyisten früher selbst in der Politik, bevor sie in dieses weitaus lukrativere Fach gewechselt sind.

Dietmar Ecker etwa, der einmal im Kabinett von Finanzminister Ferdinand Lacina diente und heute als Berater von Industrieunternehmen sein Geld damit verdient, einflussreichen Stellen die Position diverser Industriebetriebe "durch sachliche Expertise" näherzubringen.

Von den mehr als 400 Lobbyisten spielt allerdings nur ein Dutzend wirklich eine Rolle. Und manche, die sich aber nicht als Lobbyisten, sondern als tragende Säulen der Republik verstehen, sitzen sogar mitten drin in den Regierungsverhandlungen. Unter anderen der mächtige Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm als Ezzesgeber des Bundeskanzlers oder Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl als einer der wichtigsten Verhandler von ÖVP-Chef Michael Spindelegger.

Lange Wunschliste
Wünsche an die nächste Regierung gibt es viele. Die Handelsunternehmen drängen auf flexiblere Arbeitszeiten, die Banken lobbyieren gegen die Verlängerung der Bankenabgabe, Öko-Verbände wollen diverse Förderungen für umweltschädliche Energiegewinnung abgeschafft und in andere Kanäle umgeleitet wissen, die ÖIAG wirbt um ihre Aufwertung und vielleicht auch um weitere Privatisierungen, Autofahrerklubs um steuerliche Verbesserungen für ihre Klientel, die Caritas fordert mehr Geld für arme Familien und der Zeitungsverlegerverband VÖZ drängt auf Millionen-Subventionen für ohnehin gewinnbringende Verlage.

Die Vorgangsweisen sind unterschiedlich. Die einen mögen es diskret, andere, wie die Industriellenvereinigung, werben offen mit Inseraten für eine Senkung der Steuern auf Arbeit. Methoden wie in Deutschland, wo die BMW-Großaktionärsfamilie Quandt gleich einmal 690.000 Euro an die CDU spendet, bevor strengere EU-Abgasnormen für Autos hätten eingeführt werden sollen, sind in Österreich bisher zumindest keine bekannt geworden.

Lobbying für Regierer
Angesichts der Lobby-Übermacht gibt es in der Regierung Überlegungen, sich eigene Lobbyisten zuzulegen. Als Favoriten für den Job gelten die PR-Profis Wolfgang Rosam, dem eine gewisse Nähe zur ÖVP nachgesagt wird, und die Agentur des früheren SPÖ-Bundesgeschäftsführers Josef Kalina. Diesem Tandem traut man zu, der nächsten Regierung ein besseres Image zu verpassen.

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