Format ein Hit

Launige “Wahlfahrt” im TV als erster Wahlsieger

Österreich
28.09.2013 17:01
"Berufsmord geplant! Todesstrafe! Du, Kathrin, hast du gehört? Das nehmen wir auf ins Parteiprogramm!" Kein anderes Format hat zuletzt für mehr Gesprächsstoff gesorgt als Hanno Setteles launige ORF-"Wahlfahrt" mit Frank Stronach und den anderen Spitzenkandidaten der Parlamentsparteien.

Ein alter schwarzer Benz 280 S, Baujahr 78, schaukelte die Parteichefs im Wahlkampf quer durch das Land und ließ sie dabei das sein, was sie im Wählerkontakt sonst am wenigsten sind: einfach nur sie selbst. Frank Stronach sinnierte auf dem Beifahrersitz in der gut bekannten Passage laut über die Todesstrafe für Berufskiller, Eva Glawischnig war in fast jeder Einstellung in anderem Outfit zu sehen, und Josef Bucher in Lederhose und mit seiner jungen Angebeteten auf der Rückbank, die ihm einen Liebesschwur abrang. Heinz-Christian Strache gab Auskunft über seine österreichische Putzfrau, Michael Spindelegger bewies praktische Qualitäten beim Ölwechsel, und Kanzler Werner Faymann musste die alte Karosse sogar anschieben, weil irgendein Teil der Zündanlage durchgeschmort war. Ein Ereignis, das er sogar als lustigstes Erlebnis in seinem Wahlkampf notierte.

Hanno Setteles TV-Neuling "Wahlfahrt" war schon vor der Wahl der erste Sieger - vor allem bei den jungen Sehern: fast 30 Prozent Marktanteil in einer Zielgruppe, die normal null Bock auf Politik und die handelnden Personen zeigt. Einige von ihnen twitterten, sie würden Settele wählen wollen. Auch wenn der 49-jährige Ex-USA-Korrespondent selbst nicht zur Wahl steht, für den ORF war die Programm-Neuheit ein Riesenerfolg.

"Krone": Alte Karosse statt runder Tisch - wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Hanno Settele: Es war eigentlich nicht meine Idee, sondern die meiner Kollegin Elisabeth Gollackner. Und Kathi Zechner hat den Witz dahinter sofort verstanden und das Format gleich wollen. Es ging darum, private Momente einzufangen, ganz ohne Effekthascherei, Voyeurismus oder Drehbuch. Ich hab mich den Kandidaten einen Tag lang als Chauffeur zur Verfügung gestellt, mit dem Ziel ihrer Wahl. Ich hab gesagt: "Die Rückbank gehört euch. Wen ihr da mitnehmt, ist eure Sache: ob die Ehefrau, den Pressesprecher, den Hund oder eine Ziege - so sie nicht stinkt." Aber nur Bucher und Stronach haben von diesem Angebot Gebrauch gemacht. Und Spindelegger, der den Tiroler Landeshauptmann Günter Platter auf eine kurze Runde durch Innsbruck mitgenommen hat.

"Krone": Der alte Benz ist ja alles andere als umweltfreundlich. Haben die Grünen gar nicht gebockt einzusteigen?
Settele: Das Ding braucht zwölf Liter auf hundert Kilometer. Auch, weil der Kofferraum voll mit technischem Equipment um 250.000 Euro war. Die Produktion war ja ungeheuer aufwendig: sieben fixe Kameras im Auto, alles verkabelt, vier mobile Kameras und zwei Kameraleute, Tonnen von Material. Allein das Einspielen in den Computer hat pro Person acht Stunden gebraucht, der Schnitt sieben Tage! Zu Ihrer Frage: Die Grünen haben ein Auge zugedrückt und mir ein CO2-Zertifikat für die gefahrenen Kilometer geschenkt und das BZÖ einen Katalysator. Spindelegger hat Humor gezeigt und uns einen sehr geschmackvollen Fellüberzug fürs Lenkrad mitgebracht.

"Krone": Was haben Sie über die Herrschaften gelernt, was Sie vorher nicht wussten?
Settele: Zuerst einmal habe ich über mich erfahren, dass der Job nichts für mich wäre: Zehn Mal am Tag dasselbe sagen, dauernd fotografiert und beobachtet werden? Nein danke! Aus der Vorsicht, ja nichts falsch zu machen, resultiert bei fast allen eine gewisse Unnatürlichkeit. Nur dem Frank war das alles wurscht. Bei Spindelegger und Faymann hat mich überrascht, wie hart sie auf ihrer Message geblieben sind. Bei Glawischnig die Offenheit, dass sie nicht gut Auto fährt. Sie hat erzählt, dass sie ihren Mann vom Flughafen abholen musste und nur 80 fuhr, bis ihr Mann sie darauf aufmerksam machte: "Du kannst auch schneller - der da vor uns wird nur abgeschleppt." Strache war mir gegenüber, als Vertreter des ORF, schon extrem misstrauisch. Er checkt alles auf: Leger? Leger? Leger? Und wollte permanent mit mir über den ORF diskutieren. Das war am Ende schon eher anstrengend.

"Krone": Wie war die Situation, als Stronach über die Todesstrafe monologisiert hat?
Settele: Als Journalist weiß ich natürlich: Alter Schwede, weißt du, was du da lostrittst? Aber ich bin bewusst nicht drauf eingegangen. Dafür hab ich viel zu viel Respekt vor Menschen. Meine Aufgabe in der "Wahlfahrt" war nicht, sie aufzumachen oder vorzuführen. Das Thema war eigentlich schon abgehakt, aber er ist dann doch draufgeblieben: "Hast gehört, Kathrin, das nehmen wir in unser Parteiprogramm auf!" Aber Kathrin hatte gar nichts gehört gehabt. Sie hatte die Ohrstöpsel von ihrem Handy im Ohr.

"Krone": Hat eigentlich nachher niemand versucht, unangenehme Passagen rauszureklamieren?
Settele: Nein, keiner!

"Krone": Als der Wagen schlappgemacht hat, hat Faymann selbst mit angeschoben. Hat Sie das überrascht?
Settele: Nein. Mehr hat mich überrascht, dass er sich geweigert hat, seine "ruhige Hand" mit einem kleinen Kugellabyrinth zu beweisen. Er hat sich höflich bedankt: "Ich spielen? Sicher nicht! Das bringe ich meiner Tochter. Dankeschön!"

"Krone": Welches Auto fahren Sie privat?
Settele: Ich borg mir manchmal den alten Kia meiner Frau mit 180.000 Kilometern aus.

"Krone": Wie waren die Reaktionen im privaten Umfeld?
Settele: Die beste kam von meinem Vater. Der meinte nur: "Bub, du musst die Haare schneiden!" Aber die langen Haare haben wie die Cowboy-Boots zu meiner Rolle als Fahrer gehört. Das sollte ein bisserl was von einer Kunstfigur sein.

"Krone": Täuscht es, oder haben Sie dafür auch ein bisschen zugenommen?
Settele: Also bitte! Nein! Ich hab sogar drei Kilo abgenommen. Aber ich weiß: Eigentlich müssten noch weitere 15 Kilo runter.

"Krone": Wie haben Sie sich jetzt, neun Monate nach zehn Jahren USA, wieder eingelebt?
Settele: Gut! Ich bin gerne wieder hier.

"Krone": Die USA haben aus Ihnen ja mehr oder weniger unfreiwillig einen Ehemann gemacht?
Settele: Meine Freundin und ich mussten heiraten, damit sie mit mir bleiben darf. Eigentlich hätte ich in meinem Leben nie heiraten wollen! So sind wir im Bundesstaat Virginia zum Standesamt, nur mit einem Pass, und waren auch schon verheiratet. Das geht dort noch schneller und einfacher als in Las Vegas. Es war sicher die unromantischste Hochzeit, dafür aber eine ehrliche. Am 9. Februar sind es schon zehn Jahre, und ich bin sehr froh über unsere Entscheidung.

"Krone": Können Sie sich vorstellen, Ihr Erfolgsformat fortzusetzen?
Settele: Jetzt ist das Experiment einmal gelungen, und alle Beteiligten freuen sich. Ich glaub, man muss aufpassen, dass Fortsetzungen nicht inflationär werden. Und es gibt auch andere KollegInnen mit Führerschein.

"Krone": Hat Sie der enge Kontakt mit unseren Politikern in Ihrer Wahlentscheidung beeinflusst?
Settele:(lacht) Nein! Ich darf nämlich nicht wählen. Ich bin deutscher Staatsbürger!

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