Klar abgegrenzt

Forscher finden “Schwarze Löcher” in Ozeanen

Wissenschaft
24.09.2013 11:35
Einige der größten Meereswirbel unseres Planeten sind mathematisch gesprochen Pendants zu den Schwarzen Löchern im Weltall. Das haben ein Schweizer Mathematiker und ein US-Ozeanograf mithilfe mathematischer Modelle entdeckt. Demnach sind diese Wirbel durch Ringe aus sich im Kreis bewegenden Wassermassen so scharf von ihrer Umgebung abgegrenzt, dass nichts aus ihrem Inneren entkommen kann.

Neben dem Golfstrom, dem wir die milden Winter Nordeuropas verdanken, und anderen weltumspannenden Meeresströmungen wird unser Klima auch durch riesige Meereswirbel mit mehr als 150 Kilometern Durchmesser beeinflusst. Die Zahl solcher Wirbel in südlichen Ozeanen nimmt laut Forschungsberichten zu, was den Transport von warmem und salzigem Wasser nach Norden erhöht.

Bisher konnten Wissenschaftler die Wirkung dieser Wirbel nicht genau messen, weil sie die Grenzen der rotierenden Wassermassen nicht bestimmen konnten. George Haller von der ETH Zürich und Francisco Beron-Vera vom Institut für Ozeanographie an der Universität von Miami, haben nun eine Lösung für dieses Problem gefunden. Ihnen gelang es mithilfe mathematischer Methoden, Wasser transportierende Meereswirbel (Bild) mit klarer Umgrenzung in Satellitendaten zu erkennen. Dabei stellten sie zu ihrer Überraschung fest, dass solche fest zusammenhängenden Wirbel mathematisch Schwarzen Löchern stark ähneln.

Kein Entkommen aus dem Sog möglich

Schwarze Löcher sind Objekte im All, die eine so gewaltige Masse haben, dass sie alles, was sich ihnen auf eine bestimmte Distanz nähert, anziehen. Nichts, was in ihren Wirkungsbereich gerät, kann ihnen entkommen, nicht einmal Licht. Aber wenn ein Lichtstrahl ein Schwarzes Loch in einem bestimmten Abstand streift, wird er durch dessen Schwerkraft so stark gebogen, dass er sich zu einem kreisförmigen Orbit schließt. Eine Barriereoberfläche, zusammengesetzt aus solch geschlossenen Lichtringen, wird in Einsteins Relativitätstheorie als Photonsphäre bezeichnet.

Ähnliche geschlossene Barrierelinien entdeckten Haller und Beron-Vera nun um bestimmte Meereswirbel. Auf diesen Linien bewegen sich Flüssigkeitspartikel wie auf einem geschlossenen Orbit – ähnlich der Bewegung von Licht in einer Photonsphäre. Und wie bei Schwarzen Löchern kann nichts aus dem Inneren dieser geschlossenen Barrierelinien entkommen, nicht einmal Wasser.

Wirbel wirken quasi als Wassertaxi

Weil die Wirbel so stabil zusammenhalten, funktionieren sie wie ein Transportvehikel - nicht nur für Kleinstlebewesen wie Plankton oder Fremdkörper wie Plastikmüll oder Öl, sondern auch für Wasser mit einer Temperatur und einem Salzgehalt, die vom umliegenden Wasser abweichen können. Haller und Beron-Vera haben diese Beobachtung bei den sogenannten Agulhas-Ringen (siehe Video) überprüft, einer Gruppe von Meereswirbeln, die regelmässig im südlichen Ozean an der Südspitze Afrikas entstehen und warmes, salziges Wasser nordwärts transportieren. Die Forscher verfolgten sieben Agulhas-Ringe des Schwarzen-Loch-Typs, die das Wasser, das sie umfassten, fast ein Jahr ohne Durchmischung mit dem umliegenden Wasser beförderten.

Solch kohärente Wirbel kommen laut Haller noch in anderen komplexen Strömungen außerhalb des Meeres vor. In diesem Sinne seien viele Wirbelstürme wahrscheinlich auch Schwarzen Löchern ähnlich. Das wohl spektakulärste Beispiel für einen Wirbel des Schwarzen-Loch-Typs könnte der grosse rote Fleck (kleineres Bild) – ein stationärer Megasturm – des Planeten Jupiter sein. "Mathematiker versuchen schon lange, solche kohärenten Wirbel in komplexen Strömungen zu verstehen", erklärt Haller.

Edgar Allan Poe als Inspirationsquelle
Erstaunlicherweise war vermutlich der Erste, der Meereswirbel als solche scharf abgegrenzten Wirbelströme erkannt hat, der US-Schriftsteller Edgar Allan Poe. In seiner Geschichte "A Descent into the Maelstrom" beschreibt er einen stabilen Gürtel aus Schaum um einen Meeresstrudel. Sie diente Haller und Beron-Vera als Inspiration, um nach diesen stabilen Gürteln – dem Meeres-Äquivalent von Photonsphären – mit ausgeklügelten mathematischen Formeln zu suchen.

Ihre Resultate könnten dabei helfen, einige der großen Fragestellungen der Ozeanforschung zu beantworten, von klimabezogenen Fragen bis zu Ausbreitungsmustern von Müll und Öl, schreiben die Forscher im "Journal of Fluid Mechanics".

Schwarzes Loch im Golf von Mexiko
Kurz nach der Publikation von Hallers und Beron-Veras Resultaten testete die Ozeanografin Josefina Olascoaga in Miami die neue mathematische Methode und entdeckte dabei völlig unerwartet einen Wirbel des Schwarzen-Loch-Typs im Golf von Mexiko. Sie nutzt diese Entdeckung nun, um die Ausbreitung einer möglichen zukünftigen Ölpest zu berechnen.

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